Frankfurt am Main/Brüssel. Über 30 Straßenverkehrsverbände und Transportunternehmensgruppen aus ganz Europa haben vor dem Hintergrund der Brexit-Verhandlungen einen dringenden Appell an den britischen Premierminister Boris Johnson und die Unterhändler Michel Barnier (EU) und David Frost (Vereinigtes Königreich) gerichtet.
In einem offenen Brief fordern unter anderem der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) und der Weltdachverband der Transportwirtschaft (IRU) ein Abkommen zu erzielen, das den laufenden Verkehr von Lkw zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich schützt. Transitverkehre durch die jeweiligen Gebiete der Unterzeichner sollen ohne die Einführung von Transportgenehmigungen und Quotensystemen möglich bleiben.
Gegenseitige Anerkennung von Standards und Zertifikaten gefordert
Die Verbände plädieren für die gegenseitige Anerkennung von Standards, Zuständigkeiten und Zertifikaten, „um angemessene Schutzmaßnahmen in Bezug auf fairen Wettbewerb, Umweltschutz, Verkehrssicherheit und Arbeitsbedingungen für Fahrer zu gewährleisten“.
Ein Freihandelsabkommen zwischen beiden Seiten würde die Lieferketten und die Volkswirtschaften in der gesamten EU unterstützen, da jedes Jahr mehr als 2,3 Millionen Lkw zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verkehren.
„Die Übergangszeit ohne ein Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu beenden, ist für unsere Branche keine Option. Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solider Kompromiss zum Straßentransport im Rahmen einer solchen Vereinbarung sowohl erreichbar als auch unverzichtbar ist“, heißt es in dem Brief.
Branche hat bereits wegen Corona-Krise gelitten
Der gewerbliche Straßengüterverkehr habe während der Corona-Pandemie schon stark gelitten, so der BGL. Der jährliche Einnahmeverlust der Betreiber in der EU werde auf 64 Milliarden Euro für den Güterverkehr in diesem Jahre geschätzt. "Zusätzliche Kosten, die durch das Fehlen eines Abkommens zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU zum Jahresende entstehen, wären ein weiterer Schlag für die Unternehmen und müssen auf jeden Fall vermieden werden ", forderte BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt.
Ohne ein Freihandelsabkommen würden die europäischen und britischen Transportunternehmen mit einem Flickenteppich unterschiedlicher nationaler Vereinbarungen, mit höheren Kosten, längeren Fahrzeiten und einer potentiellen Unterbrechung der Versorgung aller Kunden konfrontiert.
"Die europäische und britische Straßentransportwirtschaft fordert die Verhandlungsführer auf, eine Einigung über die künftigen Beziehungen zu erzielen. In Bezug auf das neue Betriebsumfeld ist Transparenz erforderlich, damit die Branche genügend Zeit hat, sich auf neue Regelungen vorzubereiten ", so Engelhardt.
Vorerst letzte Verhandlungsrunde diese Woche
Vom 29. September bis 2. Oktober 2020 wird in Brüssel wieder über ein Abkommen verhandelt, das die künftigen Beziehungen nach dem Brexit regeln soll. Es ist die vorerst letzte vereinbarte Verhandlungsrunde. Acht Verhandlungsrunden vorher haben bisher kaum Fortschritte gebracht. (sn)