Spardose auf Rädern

Nur 0,1 Prozent: Diesen überraschend niedrigen Wert gibt MAN für sein neues Spiegelersatzsystem "OptiView" - das ab sofort auf Wunsch an ihre Lkw geschraubt wird - als aerodynamischen Vorteil an. Die digitalen Rückblicker allein können es also nicht sein, warum der Münchener Hersteller dieses Testfahrzeug selbstbewusst als Spardose auf Rädern bezeichnet. Der Hauptgrund steckt vielmehr unsichtbar im Softwarecode der Elektronik und hört auf die Bezeichnung "Efficiency+". Dabei handelt es sich um ein neues anwählbares Sparprogramm mit dynamischer Drehmomentanpassung, das bei vielen Fahrer/-innen allerdings die Alarmglocken schrillen lassen dürfte. Volles Drehmoment gibt es nur selten Im Sparmodus müssen wir die 2400 Newtonmeter Drehmoment, die der D26-Reihensechszylinder in der Einstellung mit 470 PS maximal erzeugt, nämlich in Klammern setzen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich liefert das Aggregat diese Leistung, aber eben nur noch in bestimmten Situationen. Außerhalb dieser limitiert MAN das Drehmoment im Modus "Efficiency+" auf 2100 Newtonmeter in allen zwölf Fahrstufen, was übrigens auch für die beiden weiteren Leistungseinstellungen des D26 mit 430 und sogar 510 PS gilt. Lediglich an Steigungen gibt die Software in enger Zusammenarbeit mit dem GPS-Tempomaten für bestimmte Zeit das volle Drehmoment frei, um steigungsbedingte Rückschaltungen, solange es nur geht, zu vermeiden. Wechsel auf das ZF-Traxon-Getriebe Apropos Schaltung: Diese wird im MAN überraschenderweise nicht mehr länger vom Opticruise-Getriebe der Konzernschwester Scania ausgeführt, sondern wieder ausnahmslos von der Traxon-Schaltbox des Zulieferers ZF. Als Grund gibt MAN vor allem das um 50 Kilogramm niedrigere Gewicht des ZF-Getriebes an. Dessen Software trimmten die Münchener Ingenieure auf die Nutzung niedrigster Drehzahlen. Meist wandert die Nadel des digital dargestellten Tourenzählers auf bis exakt 930/min herab, bis die Gangrückstufung erfolgt. Ein Wert, der alles andere als ein Zufall ist, denn genau ab hier liefert der 470er sein .. maximales Drehmoment. Im elften Gang bleibt der MAN dann mit nur 1150 Touren ebenfalls weit entfernt von Drehzahlorgien, zumindest bei unserer Testfahrt mit teilbeladenen 32 Tonnen Gesamtgewicht muss sich der 470er aber an keinem Berg die Blöße geben und einen weiteren Gang zurückstufen. Was ebenfalls den Verbrauch senken soll, ist das um 50 auf nun 550/min abgesenkte Drehzahlniveau, wenn der D26 im Leerlauf, beispielsweise im Eco-Roll-Betrieb, vor sich hin orgelt - Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist. Praxisnähe beweisen die MANler bei einer weiteren Situation, in der das volle Drehmoment genutzt werden kann. Per GPS erkennt die Elektronik, wenn sich der TGX gerade auf der Beschleunigungsspur von Autobahneinfahrten befindet, und gewährt - sofern der Fahrer Vollgas gibt - das volle Moment, um die Fuhre zügig auf Reisetempo beschleunigen zu lassen. Sehr niedriger Testverbrauch Trotzdem, alles in allem hat die Drehmomentreduzierung eine gemächlichere Gangart zur Folge. Dem Sparzwang mittels einer früher eingeleiteten Rückschaltung über den rechten Lenkstockhebel oder eines beherzten Tritts aufs Gas zu begegnen, ist übrigens nicht möglich. Schalteingriffe werden nur noch im Schubbetrieb berücksichtigt und abschalten ließe sich das Efficiency+-Programm lediglich durch den Wechsel in einen anderen Fahrmodus über die Lenkradtasten, was nicht wenige Flottenbetreiber ebenfalls per Softwaresteuerung unterbinden dürften. Dann sollte eilige Terminfracht allerdings nicht zu den regelmäßigen Transportaufgaben zählen, denn das Sparprogramm sorgt auf unserer Teststrecke für eine vergleichsweise niedrige Durchschnittsgeschwindigkeit von 79 km/h. In Sachen Verbrauch zeigt der Verzicht aufs volle Drehmoment allerdings eindrucksvoll Wirkung: Mit 23,18 l/100 km reiht sich der TGX 18.470 bei den Spitzenvertretern unseres Verbrauchsrankings ein, womit MANs Spardose auf Rädern ein klares Ausrufezeichen setzt. Mehr zum Thema finden Sie unter #MANTrucks www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die getestete Variante des D26-Reihensechszylinders mit 470 PS stellt die mittlere Einstellung des Motors dar, zu der viele Transportunternehmen greifen. Alternativ bietet MAN sein 12,4 Liter großes Aggregat aber auch noch mit 430 oder 510 Pferdestärken an. Test mit Referenz-Lkw Der redaktionseigene Mercedes Actros 1845 mit Curtainsider von Schmitz Cargobull sorgt für vergleichbare Testergebnisse. Dafür wurde die VR-Testrunde unter guten Wetterbedingungen abgefahren. Liegen die Verbrauchswerte des Referenz-Lkw am Testtag über oder unter diesem Wert, ist klar, dass das Testfahrzeug schlechtere oder bessere Bedingungen hatte, was sich entsprechend zurückrechnen lässt. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (MAN D2676), Common-Rail, einstufiger Turbolader mitWastegate, LLK, Euro 6d mit SCR-Kat, SoftAbgasrückführung, DPF, Hubraum: 12.419 cm3, Leistung: 470 PS (346 kW) bei 1800/min, max. Drehmom.: 2400 Nm bei 930–1350/min Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe „Tip-Matic 12.26 DD“ (ZF-Traxon), synchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe, Range- u. Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge, 2 Rückwärtsgänge, Hinterachsübersetzung: i = 2,31; automatisierte, pneumatisch betätigte Einscheiben-Trockenkupplung, 430 mm Durchmesser Fahrwerk HA: Hypoidachse (MAN HY-1344) 13,0 t; Vierbalg-Luftfederung mit Vierpunktlenker;VA: gekröpfte Starrachse; 7,5 t mit Stabilisator, Einblatt-Parabelfederung Bremsen Zweikreis-Druckluftbremsanlage, Scheibenbremsen, Motorbremse: EVBec, 305 kW bei2400/min, Option: Retarder (im Testfahrz. verb.) Maße & Gewichte Radstand: 3600 mm; L x B x H: 6007 x 2500 x 3854 mm; Leergewicht: 7295 kg (mit Fahrer), inklusive 400 l Diesel; 60 l AdBlue Bewertung MAN TGX 18.470 GM OptiView Motor/Antrieb (max.140) 118 Getriebe/Kupplung(max.140) 122 Bremsen (max. 120) 104 Lenkung (max. 40) 34 Pedale (max. 20) 16 Fahrverhalten (max. 60) 51 Sicht (max. 50) 46 Klima/Lüftung (max. 50) 41 Sitze (max. 40) 33 Armaturen/Instrumente (max.50) 45 Scheibenwischer (max. 30) 24 Fahrerhaus (max. 240) 201 Gesamtwertung (max. 980): 835 Testurteil + sehr niedriger Testverbrauch, übersichtliches und intuitives Bedienkonzept, großzügiger Lenkradverstellbereich, gut abgestimmtes Fahrwerk,komfortables Bett - Drehmomentanpassung kostet den Motor Temperament, da-durch niedrigeDurchschnittsgeschwindigkeit, vergleichsweise hohe Geräusch-kulisse im Fahrerhaus Verbräuche und Geschwindigkeiten: 342,8-km-Teststrecke l/100 km km/h Autobahn medium (32 t)A 9 Allershausen – A 93 Regensburg 22,23 83,41 Autobahn hügelig (32 t)A 3 Regensburg – Nürnberg 24,52 83,30 Autobahn Rolletappe (32 t)A 9 Nürnberg – Langenbruck 23,42 82,36 Landstraße (32 t)Langenbruck – Dasing 20,98 61,77 Autobahn leicht (32 t)A 8 Dasing – A 99 AS M-Ludwigsfeld 24,52 83,46 Durchschnitt 23,18 79,02 Bergwertung Autobahn (Kindinger Berg, A 9) Zeit: 3,53 min, Vmin 64 km/h, Gang: 11 bei 1000/min Fazit (Jan Burgdorf) Sparsam, aber nicht schnell Mit dem neuen „Efficiency+“-Programm beweist MAN eindrucksvoll, wie wirkungsvoll sich der Verbrauch nach unten korrigieren lässt, wenn man die Motorleistung zaghafter einsetzt. Der Mann/die Frau hinter dem Lenkrad dürfte vom Spar-programm allerdings weniger begeistert sein, weil die Elektronik manuelle Eingriffe hier nicht mehr akzeptiert und der 470er mit einem vergleichsweise niedrigen Durchschnittstempo unterwegs ist. Gut gelöst hat MAN sein neues Spiegelersatzsystem OptiView, an das man sich als Fahrer sehr schnell gewöhnt. jan.burgdorf@springernature.com

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