Schwer ist leicht was

Wenn von Schwertransporten die Rede ist, denkt man an Hunderte von Tonnen schwere Kraftwerkskomponenten, riesige Brückenkomponenten oder sperrige Riesenflügel von Windkraftanlagen. Dabei zählt alles über 40 Tonnen, mehr als 20,75 Meter Länge, 2,55 Meter Breite, vier Meter Höhe und ab rund zwölf Tonnen Achslast bereits als "Schwertransport" und bedarf einer Ausnahmegenehmigung nach Paragraf 70 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). "Es genügt, wenn einer der genannten Grenzwerte überschritten wurde, dass eine Ausnahmegenehmigungen notwendig wird", erläutert Volker Seitz, Head of Global Marketing & Communication der TII-Group. Das Unternehmen hat sich mit seinen Marken Scheuerle, Nikolas, Kamag und Tiiger komplett dem Schwer- und Sondertransport verschrieben. Oft wird im Grenzbereich von "Brot- und Butter-Transporten" gesprochen. Die Grenzen sind allerdings fließend, und "oberhalb nimmt die Komplexität graduell zu", wie Seitz ergänzt. Heißt also, je weiter ein Transport von Paragraf 32 StVZO (Abmessungen und Kurvenlaufverhalten) und Paragraf 34 StVZO (Gesamtgewichte) abweicht, desto aufwendiger ist das Genehmigungsverfahren und natürlich auch der Transport selbst. Für Uneingeweihte, die in die Branche einsteigen wollen, hat Seitz ein Beispiel aus dem eigenen Unternehmen: "Für den Transport unseres Kamag-Brammentransporters vom Ulmer Werk zum Hafen Heilbronn waren mehr als ein Dutzend Genehmigungen notwendig und dazu noch mehr Vorschriften zu beachten. Nahezu jede Stadt, jedes Dorf, Landratsamt hat eigene Vorgaben. Das Genehmigungsverfahren dauerte Wochen. Viele Straßen sind für Schwertransporte gesperrt, weil die Freiräume nicht passen oder aber die Infrastruktur vorgeschädigt ist." In Deutschland sind Korridore definiert, und nur diese dürfen nach Erteilung der nötigen Genehmigungen genutzt werden - und das in der Regel ausschließlich nachts. Wer ernsthaft mit dem Gedanken spielt, Schwertransporte zu machen, sollte nicht nur passendes Fahrzeugequipment anschaffen, sondern auch einen Spezialisten fürs Genehmigungsprozedere einstellen. Letzteres muss nach Ansicht von Branchenexperten dringend vereinfacht werden, weil Deutschland in dem Punkt einen gravierenden Wettbewerbsnachteil gegenüber vielen anderen europäischen Ländern hat. Rekord liegt bei 17.000 Tonnen Während das Segment kaum Grenzen kennt - der Rekord liegt aktuell bei 17.000 Tonnen - ist im "normalen" Bereich Universalität gefragt. Die Trends gehen zu niedriger Ladehöhe (für hohe Ladung), geringem Eigengewicht (hohe Nutzlast) sowie einfacher und schneller Bedienung (dass auch weniger versierte Fahrer damit umgehen können). Ziel ist, Transporte mit nur einem Fahrer und ohne Begleitfahrzeug durchführen zu können, "das spart Zeit und Geld", wie Seitz erklärt. Seiner Ansicht nach kann Schwertransport eine lukrative Nische sein. Die Verlader "abnormaler" Güter legen Wert auf Zuverlässigkeit und Schadenfreiheit und bezahlen auch dafür. Doch dann kommt das "Aber": Der Zeitaufwand ist überproportional hoch, qualifiziertes Personal selten und oft geht der Transportdienstleister mit erheblichen Summen in Vorleistung. Wenigstens gibt es immer mehr Software, die hilft, die erlaubten Routen kennt und Gewichtsverteilungen, Kurvenradien und Steigfähigkeiten berechnen kann. Ein alter Hase der Branche ist Helmut Alborn, der sein Dortmunder Traditionsunternehmen in vierter Generation führt. Trotz der Corona-Krise konnte Alborn Kurzarbeit für sein Unternehmen bislang vermeiden. "Der Grund dafür ist meines Erachtens, dass wir uns mehr auf das Heben als den Transport schwerer Lasten spezialisiert haben." Alborn beobachtet, dass der Austausch innerhalb der Unternehmen weniger geworden ist, obwohl die Branche Kooperationen häufiger eingeht als in anderen Logistiksegmenten üblich. "Man merkt, dass jeder eher mit potenziellen Kunden als mit möglichen Kooperationspartnern und Kollegen spricht", analysiert er die aktuelle Situation. Neueinsteigern rät er zu genauer Analyse: "Das neue Genehmigungsverfahren sollte Erleichterung bringen. Wie es aktuell aussieht muss man aber deutlich mehr eingeben als vorher. Das setzt voraus, dass man seine Ladung und seine Fahrzeuge sehr gut kennt. Denn man hat nur einen Wurf. Bei Nulltoleranz der Behörden und einer falschen Wahl beim eingesetzten Equipment fängt man wieder von vorne an!" Gerade die "kleineren Geschichten", wie Alborn die "Brot-und-Butter-Transporte" nennt, bedürften dringend einer Erleichterung im Genehmigungsverfahren. Generell rechnet Alborn damit, dass nach Auslaufen des Corona-Schutzschirms einige Marktbegleiter verschwinden werden. "Aber es kommen immer wieder neue dazu, weil der Marktzugang einfach ist und es Hersteller oder Vermieter gibt, die ihr Equipment zu eigentlich unrealistischen Konditionen unter die Leute bringen. "Das hat doppelte Nachteile: Einerseits verfügen die Neulinge dann über moderneres Equipment, was die Konkurrenzsituation verschärft. Andererseits fehlt es an Erfahrung, was Zeit und Geld kostet und am Ende die Leistung entwertet. Das führt letztlich zum Preisverfall." Kritik an Corona-Hilfen Bei der Analyse der Segmente konstatiert Alborn nur der Bauwirtschaft noch eine gute Auftragslage. "Auch das ist endlich, denn wenn die aktuellen Projekte abgeschlossen sind, ist fraglich, ob neue nachkommen." Selbst wenn es nicht unmittelbar etwas mit der Schwerlastbranche zu tun hat, kritisiert der Unternehmer die Vergabepraxis der Corona-Hilfen: "Man hätte besser die Zahlen der ersten Quartale 2019 und 2020 verglichen und die Hilfen auf Basis der Abweichung festgelegt. Das aus meiner Sicht falsche Verfahren hat dazu geführt, dass oft die völlig Falschen Zahlungen bekommen haben ..." Mehr zum Thema finden Sie unter #Schwertransporte www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze In Krisenzeiten sehen sich viele Transportdienstleister nach lukrativen Nischen um. Der Beitrag hinterfragt, ob der Bereich Schwer- und Sondertransporte ein neues Betätigungsfeld sein kann.

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