Die gewaltigen Verwerfungen in den globalen Lieferketten machen Hapag-Lloyd zu einem Gewinner der Corona-Pandemie, wie VerkehrsRundschau berichtete. Die Hamburger Containerreederei wird 2022 als eines der profitabelsten Unternehmen unter den börsennotierten Gesellschaften in Deutschland über die Ziellinie gehen. Allein in den ersten neun Monaten summiert sich der Konzerngewinn auf fast 13,8 Milliarden Euro, wie die Hapag-Lloyd AG am Donnerstag mitteilte. Das ist bereits jetzt deutlich mehr, als die 9,1 Milliarden Euro, die das Unternehmen im ganzen Ausnahmejahr 2021 als Reingewinn verbucht hatte. Damit spielt das Unternehmen in puncto Profit in diesem Jahr in einer Liga zum Beispiel mit Volkswagen und Mercedes-Benz.
Wie es im kommenden Jahr weitergeht, will Vorstandschef Rolf Habben Jansen erst bei der Vorlage der Jahreszahlen im März prognostizieren. Dafür sei es derzeit angesichts der aktuellen Entwicklungen noch zu früh. Auf der Kostenseite belasten etwa steigende Treibstoffkosten zusehends. Außerdem ist der Höhepunkt der Preisaufschläge in der Containerschifffahrt wegen der konjunkturellen Abkühlung nach allgemeiner Branchenmeinung überschritten.
Hohe Frachtraten, niedrige Steuern
Bereits in der vorigen Woche hatte der dänische Konkurrent Maersk Gewinne in Rekordhöhe bekannt gegeben, aber auch die Einschätzung vertreten, „dass die Frachtraten ihren Höchststand gesehen haben und dass im Laufe des Quartals eine Normalisierung eingesetzt hat“. Knappe Kapazitäten hatten sie nach vielen Krisenjahren mit Preiskämpfen, Überkapazitäten und roten Zahlen vom ersten Pandemiejahr 2020 an immer weiter steigen lassen. „
Zum hohen Gewinn von Hapag-Lloyd tragen auch extrem niedrige Steuern bei. In den ersten neun Monaten 2022 wurden laut Finanzbericht nur 77 Millionen Euro Ertragssteuern fällig. Möglich ist das wegen der Tonnagesteuer - einer Methode zur Gewinnermittlung, die vor mehr als20 Jahren zur Unterstützung des Schifffahrtsstandortes Deutschland eingeführte wurde. Dabei wird anstelle des tatsächlichen Gewinns ein fiktiver Gewinn pauschal nach der Größe der Schiffe ermittelt. Der ist in der Regel deutlich geringer als der tatsächliche Gewinn.
Sollte dieser Effekt auf lange Sicht so bleiben, wäre das auch aus Sicht des Hapag-Lloyd-Chefs nicht in Ordnung, und man müsste „sicherlich etwas tun, das wäre nur fair“. Habben Jansen erinnerte aber auch daran, „dass die Tonnagesteuerregelung, die wir in der Schifffahrt haben, in den letzten 20 Jahren eigentlich ganz gut funktioniert hat“ - mit Steuerlasten von etwa 30 bis 40 Prozent.
Kritik aus der Politik
Angesichts der historisch hohen Gewinne werfen Kritiker wie der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse den Reedereien nicht nur vor, an der Krise blendend zu verdienen, sondern mit ihren globalen Allianzen auch den Wettbewerb künstlich einzuschränken und so die Frachtraten in die Höhe zu treiben. Erst im Oktober hatte auch der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) an die EU-Kommission appelliert, sie müsse „Oligopole in der Linienschifffahrt begrenzen.“ Reedereien sprächen untereinander ab, welche Schiffe wie häufig welche Häfen und Umschlagbetriebe anlaufen.
Hintergrund ist eine so genannte Gruppenfreistellungsverordnung, die es Reedereien im Interesse der Versorgungssicherheit erlaubt, beispielsweise gemeinsam Umschlag- und Hafendienstleistungen einzukaufen und gemeinsame Fahrpläne anzubieten. Die Verordnung läuft 2024 aus und wird derzeit von der EU-Kommission überprüft. Knapp zwei Monate hatte die EU-Kommission Meinungen - etwa der Schifffahrtsbranche oder von Wettbewerbsbehörden wie dem Bundeskartellamt - eingeholt, ob und wenn ja wie die Rechtslage überarbeitet werden sollte. Wann die Kommission entscheidet, ob die Verordnung auslaufen oder verlängert und unter Umständen angepasst werden soll, ließ die Behörde auf dpa-Anfrage offen.
Allianzen dominieren den Markt
Wie im Luftverkehr dominieren auch in der Containerschifffahrt drei große Allianzen das Geschäft. Hapag-Lloyd beispielsweise ist gemeinsam mit der südkoreanischen Hyundai Merchant Marine (HMM), den zu Ocean Network Express (ONE) vereinigten japanischen Reedereien und Yang Ming aus Taiwan in „The Alliance“ verbündet. Zusammen kommen sie Daten des Branchendienstes Alphaliner zufolge auf knapp ein Fünftel der weltweiten Kapazität.
In der Branche selbst, wie auch bei Hapag-Lloyd, werden die Vorwürfe strikt zurückgewiesen. „Wenn man sich die Daten wirklich ansieht, dann hat die Gruppenfreistellungsregel in Wirklichkeit dazu beigetragen, den Wettbewerb zu erleichtern, weil sie auch kleineren Akteuren erlaubt, auf diesem Markt wettbewerbsfähig zu sein“, sagte Habben Jansen. Auch die Reedereien seien mit enormen Preiserhöhungen seitens der Terminalbetreiber in den Häfen konfrontiert. „Also, um ehrlich zu sein, ist das, was mit den Raten an der Terminalfront passiert, auch eine Frage von Angebot und Nachfrage, wie es auf vielen Märkten der Fall ist, und es hat viel weniger mit etwas wie der Gruppenfreistellung zu tun.“ (dpa/sn)