Neue Mitspieler in der Logistik gesucht

Was nach einer unendlichen Geschichte aussah, hat nun doch ein Ende gefunden: Am 1. Januar wurden die 400 Filialen der angeschlagenen Handelskette Kaiser's Tengelmann von Edeka übernommen - nach jahrelangem Pokern und politischem Tauziehen. In den kommenden Monaten werden nun die gelb-roten Schilder an den betroffenen Märkten abmontiert, nach über 100 Jahren verschwindet damit eine Traditionsmarke aus dem Handel. Edeka übernimmt die Filialen von Kaiser's Tengelmann und wird ab Ende März schrittweise 60 der Geschäfte, vor allem in Berlin, an den Konkurrenten Rewe weiterreichen. So sieht es die Ende 2016 erzielte Einigung vor. Ausschreibungsprozess ist im Gange Der nötige Umbau der Logistik ist aber hinter den Kulissen offenbar schon in Gange: Edeka hat bereits große Logistikdienstleister angeschrieben und Transportkapazitäten angefragt. In einigen Regionen wurden bereits neue Verträge abgeschlossen, mindestens ein Dienstleister hat schon zusätzliche Fahrzeuge bestellt. Quelle dieser Information ist ein hochrangiger Manager aus der Branche, der namentlich nicht genannt werden will. Da der Markt für Lebensmittellogistik sehr übersichtlich ist, spricht niemand gerne über Kunden. Bislang teilt sich eine Handvoll Anbieter das Geschäft auf, darunter Dachser, Nagel Group, Pfenning Logistics und Meyer Logistik. Offiziell will Edeka sich zu seinen Logistikplänen nicht äußern. Eine entsprechende Anfrage der VerkehrsRundschau wurde abgelehnt - "aus Wettbewerbsgründen", wie es aus der Hamburger Zentrale hieß. Kaiser's Tengelmann verweist darauf, nicht mehr Eigentümer zu sein und kommentiert die Vorgänge ebenfalls nicht. Rewe dagegen zeigt sich auskunftsfreudiger: Jeweils zwei Märkte in Bayern und im Westen Deutschlands würden künftig "vom Rewe-Lkw" versorgt, so Konzernsprecher Raimund Esser. "Bei den 60 Märkten in Berlin bleibt alles gleich. Rewe übernimmt das Kaiser's-Tengelmann-Logistikzentrum in Tempelhof inklusive der 250 Mitarbeiter." Auch bei der Belieferung der Märkte nutze man die übernommenen Strukturen. Stichtag für die Logistik-Übergabe sei der 1. April. Es zeichnet sich in der Logistik also eine Zweiteilung ab: In den meisten Kaiser's-Tengelmann-Märkten, die an Rewe gehen, bleibt die alte Logistik bestehen: Überall dort, wo der neue Eigentümer Edeka heißt, ist das auf lange Sicht zumindest fraglich. Einiges deutet darauf hin, dass hier in Zukunft verstärkt externe Dienstleister zum Zug kommen. Zwei Gründe sprechen dafür, dass die hauseigene Logistik von Kaiser's Tengelmann auf lange Sicht abgestoßen wird: Zum einen verfügt diese Organisation nicht über genug Kapazitäten, um die Märkte weiter zu versorgen, denn unter Edeka dürften die Flächenumsätze und damit auch die Transportmengen ansteigen. Zum anderen würde es für den neuen Eigentümer schlichtweg keinen Sinn ergeben, zwei Logistiksysteme parallel zu betreiben. "Zweck einer solchen Übernahme ist ja gerade, Synergien mit der eigenen Logistik zu erzielen", sagt Rimbert Kelber, Inhaber von Supply Chain Engineering in Hamburg. Er verfügt über jahrelange Erfahrung im Handel und hat unter anderem für Kaufland die Beschaffungslogistik aufgebaut. Distributionszentren im Blick Der Branchenkenner vermutet, dass Edeka die Übernahme nutzen wird, um externe Dienstleister neu ins Boot zu holen und so den hohen Eigenfuhrpark-Anteil zu verringern. "Das ist ein eleganter Anlass, um das voranzutreiben." Hintergrund: Die meisten Handelskonzerne - bis auf Edeka - haben ihren Eigenfuhrpark in den vergangenen Jahrzehnten stark verkleinert, weil eigene Fahrzeuge in der Regel schlechter ausgelastet sind als die externer Transportunternehmen, da diese für mehrere Anbieter tätig sein können. Ebenfalls unsicher dürfte die Zukunft der Kaiser's-Tengelmann-Distributionszentren sein - ganz einfach, weil sie nicht benötigt werden. "Edeka hat eigentlich schon zu viele eigene Logistik-Standorte", gibt Kelber zu bedenken. Nur politische Gründe könnten dafür sprechen, die Distributionszentren von Kaiser's Tengelmann zu erhalten. Was passiert als Nächstes? Nachdem die Zentrale von Edeka ihre Anfragen rausgeschickt hat, werden die Regionallager in den kommenden Monaten neue Verträge mit den ausgewählten Speditionsdienstleistern abschließen. Haben dabei nur die bekannten Anbieter eine Chance? Branchenkenner Kelber widerspricht. "Ich glaube, dass die Händler offen dafür sind, mit anderen zusammenzuarbeiten." Denn ein Übermaß an Transportkapazität gibt es im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) nicht. In seiner Zeit bei Kaufland musste Kelber zum Teil aktiv nach neuen Anbietern suchen, um den Transportbedarf decken zu können. "Viele haben einfach Vorbehalte gegenüber dem Handel", so Kelber. Harte Servicekriterien Tatsächlich eilt den Supermärkten als Auftraggeber ein schlechter Ruf voraus: Viele Transportunternehmer stöhnen über niedrige Margen und einen harten Umgang. Einige der Vorurteile haben einen wahren Kern. So sind die Vertragswerke im Handel umfangreich und enthalten harte Servicekriterien. Verspätet sich ein Transport, drohen schnell Strafzahlungen oder gar die Kündigung. Außerdem laufen die Verträge kurz, oft nur ein Jahr, und in dieser Zeit kann ein Dienstleister die Kosten für neu angeschaffte Kühlfahrzeuge kaum amortisieren. Und nicht zuletzt ist die Beschaffung von Personal schwierig, da der Fahrer im Lebensmitteleinzelhandel eben nicht nur das Fahrzeug steuert, sondern auch als Be- und Entlader fungiert. Er trägt eine große Verantwortung, muss Alarmanlagen ausschalten, Scanner bedienen und sich mit anderen Lieferanten abstimmen. Wer hier beispielsweise ausländisches Personal einsetzen will, muss zunächst viel Geld in Sprachkurse und Coachings investieren. Schmale Margen, anspruchsvolle Kunden und schwierige Personalsuche - an diesen Hürden sind schon einige Neueinsteiger gescheitert. Nach der Finanzkrise 2008 zum Beispiel hatten einige Speditionsdienstleister aus anderen Branchen wie der Automobillogistik versucht, in der Lebensmittellogistik Fuß zu fassen. Die meisten davon sind allerdings gescheitert. "Es ist deutlich anspruchsvoller, einen Auflieger mit Kühlaggregat zu bewegen als einen Planenauflieger mit Industriegut", resümiert Branchenexperte Kelber. Doch für Edeka, Rewe und Co. zu fahren, bringt auch Vorteile mit sich. Zum Beispiel bezahlen in der Regel die meisten Handelsketten ihre Dienstleister schnell und zuverlässig. Darüber hinaus ist das Geschäft relativ immun gegen Konjunkturschwankungen und die Transportmengen bleiben 48 Wochen im Jahr gleich - lediglich um Ostern und Weihnachten herum müssen die Speditionsdienstleister mit Spitzen rechnen. Für osteuropäische Player unattraktiv Von so viel Konstanz können zum Beispiel Automobillogistiker nur träumen. Das vielleicht größte Plus der Lebensmittellogistik jedoch ist, dass diese Sparte des Transportmarkts noch nicht von ausländischen Anbietern erobert wurde. Für die osteuropäischen Platzhirsche zum Beispiel sind die relativ kurzen Fahrstrecken - in der Regel liegen diese unter 200 Kilometer - unattraktiv. Außerdem können internationale Dienstleister häufig nicht die geforderten Deutsch sprechenden Lkw-Fahrer bieten. Trotzdem: Der Einstieg in die Lebensmittellogistik will unterm Strich wohl überlegt sein. Nicht für jeden Transport- und Speditionsunternehmer lohnt sich dieses Segment (siehe Kasten Seite 20). Mehr zum Thema lesen Sie im Dossier Handelslogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers VR-Tipp "Langsam in die Branche hineinwachsen" In der Logistik werden nach der Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka und Rewe die Karten neu gemischt - möglicherweise auch mit neuen Chancen für mittelständische Speditionsbetriebe. Der Einstieg in dieses Segment lohnt aber nur für einen Dienstleister, wenn er mehrere Kunden hat und seine Fahrzeuge gut auslasten kann. So mancher fährt morgens für den normalen Supermarkt, nachmittags für den Premium-und nachts für einen Hard-Discounter. Nur auf diese Weise lassen sich die Kosten tragen. Ein einziger Kunde aus dem Lebensmittelhandel reicht aber, da sind sich Experten einig, meist nicht aus, um das Geschäft profitabel zu betreiben."Wer dagegen 50 oder 60 Fahrzeuge hat, könnte sich auf einen Deal einlassen und langsam in die Branche reinwachsen", meint Branchenexperte Rimbert Kelber, Inhaber von Supply Chain Engineering in Hamburg. cg

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