Brüssel. Neue Lastwagen und Busse sollen bis 2030 fast ein Drittel weniger klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen als heutige Modelle. Auf die Vorgaben einigten sich EU-Unterhändler in der Nacht zum Dienstag. Herstellern, die ihre Flottenziele reißen, drohen Bußgelder: Zwischen 2025 und 2029 sollen nach Angaben der Unterhändler pro Gramm Kohlendioxid und Tonnenkilometer 4250 Euro fällig werden, ab 2030 dann 6800 Euro.
Deutsche Hersteller reagierten jetzt entsetzt und erklärten die Zielwerte für zu ehrgeizig. „Diese Vorgaben schießen über das Ziel hinaus“, warnte der Verband der Automobilindustrie (VDA). Gerade diese angedrohten Strafzahlungen trafen auf scharfe Kritik. „Sie lassen jede Verhältnismäßigkeit vermissen“, erklärte VDA-Präsident Bernhard Mattes. „Dadurch könnten selbst große Nutzfahrzeughersteller in ihrer Existenz bedroht werden.“ Alternative Antriebe wie Elektromotoren ließen sich bei Lastwagen nur schwer durchsetzen, auch weil Ladestationen fehlten.
Im Übrigen seien die Fahrzeuge bereits sparsamer geworden, weil ein geringer Verbrauch für Speditionen ein entscheidendes Kaufargument sei. In den vergangenen fünf Jahren sei der CO2-Ausstoß neuer Lkw um etwa acht Prozent gesunken. Nutzfahrzeuge leisteten bereits ihren Beitrag zum Klimaschutz, erklärte der Verbandschef.
Der Verband der internationalen Fahrzeughersteller ACEA ist besorgt über die hochgesteckten CO2-Reduktionsziele, die jetzt für schwere Lkw festgelegt wurden: Denn ihre Umsetzung hänge nicht nur vor der Automobilindustrie ab. „Wir können die Mitgliedstaaten jetzt nur dazu auffordern, ihre Anstrengungen dringend zu verstärken, um die Infrastruktur aufzulegen, die zum Laden und Betanken der alternativ angetriebenen Lkw erforderlich ist, die en masse verkauft werden müssen, um diese Vorgaben zu erreichen, sagte ACEA-Generalsekretär Erik Jonnaert.
Grüne in Europa und Deutschland begrüßen Beschluss
EU-Politiker argumentieren nach dem Beschluss zu den neuen CO2-Grenzwerten für Lkw dagegen, die Verkehrsbranche müsse mehr zum Klimaschutz beitragen, sonst seien die europäischen Ziele nicht zu schaffen. „Es ist deshalb höchste Zeit, dass die EU nun auch für diesen Sektor Klimavorgaben macht“, kommentierte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms. Die vielen Lastwagen konterkarierten Klimaschutzerfolge in anderen Feldern.
Mit den Verkaufszielen von zwei Prozent im Jahr 2025 für Niedrig- und Nullemissionsfahrzeuge werde ein dringend notwendiger Anreiz gesetzt, auch bei schweren Nutzfahrzeugen in neue Technologien zu investieren. „Das hilft dem Klima, wird aber auch dafür sorgen, dass die europäische Industrie langfristig wettbewerbsfähig bleibt“, sagte Harms. Ähnlich argumentierten Stephan Kühn und Lisa Badum, beide sind für die deutsche Bundestagsfraktion der Grünen tätig. „Dem starken Engagement des grünen Berichterstatters Bas Eickhout haben wir es zu verdanken, dass die EU den klimaschädlichen CO2-Ausstoß von Lkw nicht länger tatenlos hinnimmt“, betonten sie.
„Obwohl sich Klimaschutzbremser wie die Bundesregierung wieder mit Händen und Füßen gewehrt haben, geht die Einigung über den ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission hinaus“, sagten Kühn und Badum. Es sei beschämend, „dass Verkehrsminister Scheuer nicht nur in Deutschland auf der Bremse steht, sondern auch in Europa wichtige Klimaschutzmaßnahmen torpedieren will.“
Auch Tiemo Wölken, SPD-Europaabgeordneter und Mitglied des Umweltausschusses, begrüßte die Einigung auf EU-Ebene: „Die Lkw-Emissionen sind durch den zunehmenden Warenverkehr in den vergangenen Jahren gestiegen. Wir müssen nun die Trendumkehr schaffen." Er wertete die CO2-Grenzwerte für Lkw als Startsignal. „Wir müssen auch den Lieferverkehr auf lange Sicht dekarbonisieren. Daher ist es wichtig, dass neue Technologien wie Wasserstoff, Elektrifizierung oder auch Oberleitungssysteme, die schon entwickelt werden, bald zum Einsatz kommen“, sagte Wölken.
EU-Klimaschutzziele für Lkw müssen noch gebilligt werden
Auch der zuständige EU-Kommissar Miguel Arias Cañete begrüßte die Einigung als weiteren Schritt zum Erreichen der EU-Klimaschutzziele. Sie sehen bis 2030 eine Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 vor. Die jetzt vereinbarten Ziele müssen von den EU-Institutionen noch formal gebilligt werden. Sie entsprechen in etwa dem Vorschlag der EU-Kommission und der Position der EU-Länder. Das EU-Parlament wollte jedoch eigentlich ehrgeizigere Ziele: bis 2030 eine Senkung der CO2-Werte um 35 Prozent und bis 2025 ein Zwischenziel von 20 Prozent. (dpa/ag)