Mit mehr Daten mehr Geld machen

Dinge sind nicht besser, nur weil sie digital sind. Das macht Alexander Németh vom Club of International Partners bei den IT-Anwendertagen der VerkehrsRundschau deutlich (siehe Kasten Seite 38). "Wir haben heute wesentlich mehr Manipulationsversuche am digitalen Fahrtenschreiber, als das beim analogen jemals der Fall war", sagt der Digi-Tacho-Experte. Dennoch, die Digitalisierung des Tachos bringt auch Vorteile. Die Auswertungsmöglichkeiten und Archivierung der digitalen Daten geht einfacher und besser als im Analogzeitalter. So stellen die Tachos heute ihre Daten nachgeordneten Telematiksystemen zur Verfügung. Tacho zur Telematik ausbauen Sowohl Marktführer VDO als auch Stoneridge bieten für ihre Tachografen mittlerweile Anbindungen an das Smartphone, über die der Fahrer nicht nur den aktuellen Stand seiner Lenk- und Ruhezeiten einsehen, sondern auch Eingaben, zum Beispiel Nachträge, im Tacho vornehmen kann. "Stoneridge bietet die App allerdings nur für Android-Geräte an", schränkt Németh ein. Bei beiden Herstellern funktioniert das System nur über zusätzlich zu kaufende Hardware, die am Tacho eingesteckt werden muss. Der Tacho-Experte warnt Fuhrparkverantwortliche vor der Anordnung, den Tacho während der Fahrt vom Smartphone aus zu bedienen, das könnte haftungsrechtliche Folgen haben. VDO bietet zudem ein optionales GPS-Modul für seinen Tacho. Das eignet sich in Verbindung mit den hauseigenen Archivierungs- und Telematiksystem zum Erfassen von Geodaten direkt aus dem Tachografen. Die Kombination biete sich als kleine Lösung anstelle eines großen Telematiksystems für Unternehmen an, die nur Tracking und Tracing sowie ein paar Basisdaten aus dem Can-Bus brauchen, so Németh. Die Umrüstung von einem alten Gerät auf die neue Tacho-Generation kostet laut dem Tacho-Experten rund 1000 Euro pro Fahrzeug. Das könne sich lohnen, wenn die zusätzlich gewonnenen Funktionen zu einer entsprechenden Zeitersparnis oder zu besseren Abläufen im Unternehmen führen. Mit Blick in die Zukunft vermutet Németh, dass künftige Gerätegenerationen leichter bedienbar und manipulationssicherer werden. Mögliche Manipulationsversuche sollen durch Kontrollbehörden dann in der Vorbeifahrt erkannt werden. Das Einhalten der Sozialvorschriften soll nach aktueller Verordnungslage so nicht kontrolliert werden können. "Das wird in späteren Verordnungen aber sicher kommen, wenn die Manipulationsprüfung in der Praxis funktioniert". Neue Tacho-Generation nicht vor 2018 Gleichzeitig werde der administrative Aufwand sinken. Beispielsweise soll die neue Gerätegeneration helfen, die nötigen Nachweise im Rahmen des Mindestlohngesetzes zu liefern. Zudem werden die Tachos im Standard über GPS verfügen. Gegenwärtig sei nur geplant, die Positionsdaten zu Schichtanfang und -ende zu speichern. "Es ist aber ein Einfaches, zu sagen, wir schalten diese Funktion grundsätzlich frei", erklärt Németh. Der Tachograf entwickle sich immer mehr dahin, dass er hardwareseitig externe Boxen ersetzt und direkt als Datenlieferant angegangen werden kann, bilanziert der Berater. Mit den neuen, leistungsstärkeren Geräten sei aber nicht vor 2018 zu rechnen. Mit der künftigen Rolle des Digi-Tacho als Datenlieferant steigt die in Speditionen aus den verschiedenen IT-Systemen verfügbare Datenmenge weiter. Vor diesem Hintergrund mahnt Sven Fessler vom Beratungsunternehmen Pricewaterhouse- Coopers (PwC): "Bei der Nutzung von Big Data darf es nicht um die Technologie als Selbstzweck gehen." Es gehe vielmehr darum, Technologie als Werkzeug zu nutzen, um alltägliche Probleme zu lösen. Daher sollten Big-Data-Projekte nicht aus der IT-Abteilung initiiert und getrieben werden, sondern aus den operativen Geschäftsbereichen mit einem konkreten Anwendungsfall. Telematik sei ein solcher Anwendungsfall. Solle daraus eine Big-Data-Anwendung werden, müssten die Daten noch um externe Informationen, zum Beispiel Wetteroder Kundendaten, ergänzt werden. PwC-Experte Fessler nennt ein Beispiel aus der Beratungspraxis. Eine Getränkespedition, die wie eine Spinne im Netz zwischen Brauereien und Getränkegroßhändlern saß, suchte nach neuen Angeboten für ihre Kunden. Über ihre Transporte hatte sie über Jahre Daten darüber gesammelt, wann welche Getränke wo gebraucht werden. Sprich: wie sich die Nachfrage entwickelt hat. Angereichert mit Wetterdaten lassen sich so Absatzprognosen erstellen und als Dienstleistung anbieten. Mutig ein Pilotprojekt wagen Wie weit Logistikdienstleister derzeit in Sachen Digitalisierung und damit auf dem Weg zur Transportlogistik 4.0 sind, hat Christine Gundelfinger von der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) untersucht. "Vor allem Lkw, Anhänger, Container und Wechselbrücken haben das Potenzial, kurzfristig mit digitalen Features ausgestattet zu werden", sagt Gundelfinger. Ein moderner Truck habe etwa 400 Sensoren verbaut und besitze 2000 mal mehr Zeilen mit Softwarecode als eine App für das I-Phone. Auch die neue Telematikplattform aus dem Volkswagen-Konzern, RIO, fokussiere primär die Nutzung von Daten aus ziehender und gezogener Einheit. Vor diesem Hintergrund werde das Thema Big Data in den nächsten fünf Jahren bei Logistikdienstleistern deutlich an Bedeutung gewinnen, so ein Ergebnis ihrer Forschungen. Mehr noch als in der Gesamtwirtschaft. Logistik sei prädestiniert, als Datenlieferant zu dienen, nirgends sonst liefen so viele Datenquellen zusammen und griffen ineinander. Auch Fraunhofer-Expertin Gundelfinger ist der Auffassung, dass die sinnvolle Nutzung dieser Daten bestehende Geschäftsmodelle revolutionieren könne. "Es erfordert Mut, in erste Piloten zu investieren, die ein konkretes Ziel verfolgen, zum Beispiel die Optimierung der Transportflotte." So viele Daten ziehen auch Kriminelle an. "51 Prozent aller Unternehmen sind in den vergangenen zwei Jahren Opfer von digitaler Wirtschaftsspionage, Sabotage oder Datendiebstahl geworden", berichtet Alexander Hoppe von A'PARI Consulting. Lager und Logistik sei dabei nach der IT-Abteilung der am zweithäufigsten angegriffene Unternehmensbereich. Der Bereich sei attraktiv, weil er den Zugriff auf schlecht oder wenig gesicherte Güterketten ermögliche (siehe Kasten Seite 37). Daher rät der IT-Sicherheitsexperte Speditionen und Transportunternehmen zu einem Informationssicherheits-Managementsystem, kurz: ISMS. Das umfasst nicht nur technische Maßnahmen wie Firewalls und Virenscanner, sondern auch personelle und organisatorische Vorkehrungen. Eine Möglichkeit, so etwas umzusetzen, sei die IT-Sicherheitsnorm ISO 27001. Eine Alternative dazu ist das ISIS12 (Informationssicherheits-Managementsystem in zwölf Schritten), entwickelt vom Bayerischen IT-Sicherheitscluster. "Das ist ein etwas abgespeckter Weg," erklärt A'PARI-Berater Hoppe. IT-Projekte auf den Kopf stellen Soll nun neue Software her, zum Beispiel für mehr IT-Sicherheit, dann wird im dazugehörigen Projekt traditionell ein Lastenheft geschrieben. "Das ist plangetrieben und legt fest, bis wann ein Käufer welche Leistungen zu welchem Preis bekommt", sagt Holger Grieb von Ksi Consult. Nachteil: Ändern sich während des Projektes die im Lastenheft fixierten Anforderungen, dann steigen die Kosten und der geplante Termin kann nicht gehalten werden. "Agile Methoden stellen das traditionelle Projektmanagement auf den Kopf. Zu Beginn werden Zeit und Budget fixiert und gemeinsam mit dem Kunden geschaut, welche Anforderungen sich innerhalb dieses Rahmens umsetzen lassen", animiert Ksi-Berater Grieb zum Umdenken. Mehr zum Thema im Dossier digitaler Tachograf www.verkehrsrundschau.de/dossiers Cyber-Crime Oft ist der Mensch und nicht die Technik die Schwachstelle Ein gewöhnlicher USB-Stick kann schnell zu einer Bedrohung für das Unternehmen werden. Und das kann in etwa so ablaufen:- Der Angreifer hinterlässt einen USB-Stick mit Schadsoftware im Unternehmensflur- Ein Mitarbeiter findet den Stick und ist neugierig, was darauf ist- Der Stick wird an einen Unternehmensrechner angeschlossen und die Schadsoftware installiert sich automatisch- Durch die Schadsoftware bekommt der Angreifer die erforderlichen Berechtigungen für den Zugriff auf die Unternehmens-IT- Der Angreifer ist unbemerkt im Firmen-Netz und hat Zugang zu allen Systemen- Der Eindringling erlangt beispielsweise Zugriff auf die GPS-Daten des Trailer-Trackings und kann diese manipulieren. Während Komplizen den Trailer klauen, gaukelt die IT vor: Alles in Ordnung!- Aber der Cyberkriminelle entscheidet sich dafür, die Temperaturdaten der Ladung zu manipulieren. Die Ware wird unbrauchbar- Verlader und Versender werden so sauer wie der Joghurt im Laderaum und suchen sich einen neuen Dienstleister. Den Auftraggeber des Angreifers?sv Vorträge von ausgewiesenen Experten Die Referenten auf den zweiten von der VerkehrsRundschau organisierten IT-Anwendertagen sprachen über IT-Sicherheit, Transportlogistik 4.0, das Management von IT-Projekten, den digitalen Tachografen und Big Data in der Logistik. svAlexander Hoppe, A'PARI ConsultingChristine Gundelfinger, Fraunhofer SCSHolger Grieb, Ksi ConsultAlexander Németh, Club of International PartnersSven Fessler, Pricewaterhouse-Coopers (PwC)