Mehr als reine Möbelschlepper

Trotz oder gerade wegen des Wohnraummangels in Deutschland boomt der Immobilienmarkt weiter - und ein Ende ist lange nicht in Sicht. "Es gibt einen hohen Anteil an Senioren, die altersbedingt umziehen", berichtet Thomas Schnitker, Umzugsberater der Ahnefeld Möbel-Logistik in Minden, beim Vor-Ort-Termin mit der VerkehrsRundschau. "Das wirkt sich positiv auf unser Geschäft aus, obwohl im Privatkundengeschäft nur ein Auftrag auf drei Angebote folgt", so der Vertriebsexperte. Zu 60 Prozent sind die Ahnefeld-Kunden Privatleute. Der Rest verteilt sich auf Firmen und die Bundeswehr, für die das ostwestfälische Familienunternehmen als Rahmenvertragspartner Mitarbeiterumzüge durchführt. Die Bundeswehr ist laut Schnitker nach wie vor wichtig für die Umzugsspedition, auch wenn sich der Umsatz hier infolge von Sparmaßnahmen deutlich rückläufig entwickle. Insgesamt stieg das Transportvolumen bei Ahnefeld 2017 dennoch gegenüber dem Vorjahr um fünf Prozent. Den Großteil des Speditionsgeschäfts macht die Neumöbel-Logistik aus. Nur zwei Zehntel der Einnahmen kommen aus dem Bereich "Umzüge & Lagerung". In dritter Generation lenkt Martin Ahnefeld die Geschicke der Umzugs- und Neumöbelspedition, die seit Kriegsende 1945 in Minden ansässig ist. Dabei war seine Karriere so nicht von Anfang an vorgezeichnet. Nach dem Abitur studierte er BWL und promovierte an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden. Damals analysierte er Finanzprodukte für Banken und kümmerte sich um die Weiterbildung in der Finanzindustrie. "Dafür, in den elterlichen Betrieb einzusteigen, habe ich mich nicht nur aus Pflichtgefühl entschieden, sondern weil es für mich eine interessante Herausforderung war", erinnert sich der Geschäftsführer. Heute engagiert sich der 40-Jährige als zweiter Vorsitzender des NRW Landesverbandes Möbelspedition und Logistik (VVWL) sowie als Vizepräsident des Bundesverbands Möbelspedition und Logistik (AMÖ) auch für die Belange der gesamten Branche. Zusammen mit 18 regionalen Mitgliedsverbänden vertritt die AMÖ rund 900 Unternehmen, die auf den Gebieten Umzug, Handelsmöbellogistik, EDV- und Kunstspedition tätig sind. "Mindestlohn, Entsenderichtlinien, Datenschutz - bei vielen Themen ist für kleinere Betriebe ein branchenübergreifender Austausch wichtig", so der Firmenchef. Gegen die Ausweitung der Lkw-Maut auf deutsche Bundesstraßen im Juli habe er grundsätzlich nichts einzuwenden, auch wenn eine nutzungsabhängige Gebühr seiner Meinung nach dann auch für 7,5-Tonner, Sprinter und Fernreisebusse gelten müsste. Nicht nachvollziehen kann er jedoch die geplante Erhöhung ab 2019. "Bei Euro 6-Fahrzeugen, die mit Abstand den größten Anteil am Mautaufkommen haben, haben wir Kostensteigerungen zwischen 30 bis 40 Prozent. Das ist unverhältnismäßig viel im Vergleich zu anderen Mautklassen. Da kann man schon den Eindruck gewinnen, dass der Staat Kasse machen will", stellt er fest. Bei Dieselfahr-.. verboten in Innenstädte wie in Stuttgart erwartet er von der Politik Ausnahmegenehmigungen oder wenigstens weiträumige Übergangsfristen. Zwar habe der Großteil der Möbellogistiker, auch Ahnefeld selbst, auf Euro 6 umgestellt. Im regionalen Umzugsverkehr erfolge der Fahrzeugaustausch aber nicht binnen sechs bis sieben Jahren. "15 Jahre Einsatzdauer sind hier kein Problem. Die Fahrzeuge fahren jährlich nur 30.000 bis 50.000 Kilometer und da erfüllt ein geringerer Teil die Euro 6-Norm als im Fernverkehr." Für seine Kunden fährt Ahnefeld durch die gesamte Republik bis nach Österreich und in die Schweiz. Außerdem verteilt das Unternehmen für Firmen aus der Küchenhochburg Ostwestfalen, wo ein überwiegender Teil der europäischen Küchenmöbelindustrie sitzt, Möbel nach Frankreich. Küchen für das Genussland Frankreich "Deutsche Küchen sind ein Exportschlager. Und Frankreich ist mit Abstand der wichtigste Exportmarkt für die Möbelindustrie in Ostwestfalen. Wir haben uns vor 15 Jahren auf das Thema spezialisiert und sind jede Woche flächendeckend in Frankreich unterwegs", berichtet der Firmenchef. Dafür betreibt er in Minden ein kleines Umschlaglager. Ansonsten hält sich die Lagerhaltung in Grenzen. Geht es um Umzüge, lagert das Unternehmen in Wechselkoffern ein, die in Hallen stehen. Zusätzlich hat Ahnefeld ein Selfstorage-System eingeführt, bei dem die Kunden 10- oder 20-Fuß-Container anmieten und darin Möbel einlagern können. Für das regionale Umzugsgeschäft hat die Spedition noch zwei Standorte in Herford und Hameln. Zudem setzt das Unternehmen im klassischen Frachtbereich zu zehn bis 20 Prozent Subunternehmer ein. Wichtig ist für Ahnefeld der Austausch mit der Möbelindustrie und dem -handel. Für eine bessere Abwicklung an der Rampe engagiert er sich seit einem Jahr im Lenkungsausschuss "Zukunftsinitiative Möbellogistik (ZimLog)" des Daten Competence Center in Herford. Alle Parteien sitzen hier zweimal pro Jahr an einem Tisch, um gemeinsam Lösungen zu finden. Und die, so scheint es, sind bitter nötig: "Wir können uns die Wartezeiten an den Rampen nicht mehr leisten. Wir haben nicht mehr die Zeit, wir haben nicht mehr das Geld und wir haben auch nicht mehr die Fahrer dazu", echauffiert sich Ahnefeld. Im Herbst will die ZimLog-Initiative das Pilotprojekt "Entladehelfer" starten. An der Lagerrampe der Firma Porta Möbel in Vennebeck sollen geschulte Mitarbeiter eines Personaldienstleisters die Entladung beschleunigen. Das soll das zunehmend knappe Fahrpersonal entlasten, wovon dann alle Beteiligten entlang der Lieferkette profitieren - davon ist Ahnefeld überzeugt. Und auch bei ihm in Minden stehen die Themen Nachwuchs und Personal angesichts des Fahrermangels ganz oben auf der Agenda. Um seine Auszubildenden bestmöglich zu unterstützen, hat der Unternehmenslenker 2016 zusammen mit dem externen Experten Willi Hartmann ein Azubi-Coaching eingeführt. Von den ersten Gesprächen bis zur Prüfungsvorbereitung ist der "Azubi-Coach" Ansprechpartner und gibt auch Hilfestellung in persönlichen Lebenslagen. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Die Abbruchquote liegt bei Ahnefeld im kaufmännischen Bereich bei 20, im gewerblichen Bereich bei 15 Prozent - gegenüber 40 Prozent im Bundesdurchschnitt bei FMKU-Azubis (Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice). Doch die Situation bleibt angespannt. "Der Trend, den wir Mitte der 90er in Deutschland hatten, 'Alle müssen auf die Universität', der hat uns überholt: Wir haben keine Fachkräfte mehr", konstatiert der Firmenchef. Für den Manager ist das nicht nachvollziehbar angesichts der Qualität einer Ausbildung. "Unsere FMKUler kriegen den Elektro- und den Wasserschein, die können Sanitäranschlüsse machen, die werden handwerklich geschult. Das sind nicht die 'Möbelschlepper', das sind Umzugsfachkräfte", betont er. Auch die Berufskraftfahrerausbildung werde häufig unterschätzt. "Die Fahrer müssen heute deutlich mehr können als noch vor vier Jahren. Und die Berufsaussichten sind nicht schlecht", so der Geschäftsführer. Im Herbst informiert Ausbilder Ralf Böhne aus dem Bereich Service & Logistik zusammen mit dem Azubi-Coach und zwei angehenden FMKU bei der Arbeitsagentur in Herford über das Berufsbild. Denn viele Berufsberater kennen den Beruf, den es erst seit acht Jahren gibt, nicht. "Früher war das ein Helferjob. Lampen anschließen, Küchen aufbauen, Waschmaschinen und Geschirrspüler ans Wasser anschließen - bei Umzügen wurde das nebenbei gemacht", erklärt Böhne. Büromöbelmontage nach Stellplan Mittlerweile gehe es aber auch um Haftungsfragen, wenn etwa ein Wasserschaden entstehe, sagt Böhne. Zudem verlangten die Kunden zunehmend professionellere Dienstleistungen, sowohl bei Umzügen als auch bei Neumöbeln. Das gehe hin bis zur kompletten Büromöbelmontage nach Stellplan. Um den Zusammenhalt in den Teams zu stärken, tut Ahnefeld viel für seine Mitarbeiter. Ähnlich wie bei Tankgutscheinen erhalten sie Sachzuwendungen über eine Prepaid-Mastercard, gebrandet mit dem Ahnefeld-Logo. "Das ist sehr gut angekommen. Ein Kollege hat seiner Familie damit schon einen Wochenendausflug spendiert", berichtet der Firmenchef. Darüber hinaus biete das Unternehmen eine betriebliche Altersvorsorge und regelmäßige Firmenevents - vom Fahrerfrühstück bis zur Weihnachtsfeier. Selbstverständlich ist für Ahnefeld eine leistungs- und marktgerechte Vergütung. Noch wichtiger sei es, als Familienunternehmen Kontinuität und Verlässlichkeit zu demonstrieren. Derzeit plant er gleich mehrere Investitionen in sein Unternehmen. "Entgegen aller Diskussionen werden wir eine AdBlue-Tankstelle für unsere Kunden einrichten, die vierte in Minden", verrät er. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres sei der Absatz in diesem Bereich um 25 Prozent gewachsen. "Die Kunden setzen mehr Euro 6 ein, auch bei Pkw. Auch wir glauben weiter an den Diesel, beim Lkw ist er meiner Meinung nach auch nicht wegzudenken", so Ahnefeld. Und er muss es wissen, schließlich betreibt sein Unternehmen mit 20 Mitarbeitern und zwei Meistern die zweitgrößte Lkw-Werkstatt Mindens samt Waschstraße und Tankstelle. Hier werden auch Kfz-Mechatroniker und Lagerfachkräfte ausgebildet. Sie reparieren und warten nicht nur die eigene Flotte, sondern zu 80 Prozent Kundenfahrzeuge aller Marken. Die DEKRA ist einmal täglich vor Ort. "Wir machen alles außer Reifen", erklärt Ahnefeld. Seit zwei Jahren beschäftigt er sich auch mit dem Energieverbrauch seiner Anlagen. Zuletzt nahm er im vergangenen Jahr ein Blockheizkraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung in Betrieb. Noch im Sommer dieses Jahres soll eine Photovoltaikanlage folgen. "Künftig werden wir unseren Strom eigenständig produzieren und zu 100 Prozent autark sein", verrät der Geschäftsführer. Das Investment schätzt er auf bis zu 200.000 Euro. Der AMÖ-Vizepräsident wünscht sich für das gesamte Möbellogistik-Gewerbe mehr Selbstbewusstsein. Die Unternehmer sollten sich nicht unter Wert verkaufen. Das gelte auch für den Fahrerberuf. Für den jüngsten Nachwuchs ist in seinem Unternehmen bereits gesorgt: Noch während des Reportagetermins in Minden unterschrieb der 17-jährige Jerome Zygar seinen Vertrag für die Ausbildung zum Berufskraftfahrer, die im August startete. "Für uns ist das eine Investition in die Zukunft, denn wir bilden für unseren eigenen Bedarf aus und nicht, um billige Arbeitskräfte zu haben", betont Ausbilder Böhne. Allerdings sei Ahnefeld im Bereich FMKU nur einer von zwei Ausbildungsbetrieben in der Region Minden und die einzige Möbelspedition, die im Umkreis ausbildet. Auch hier sei ein Umdenken in der Branche gefragt. Mehr zum Thema im Dossier "Lkw-Landverkehr" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Zahlen und Fakten zu Ahnefeld Möbel-Logistik Von Ostpreußen nach OstwestfalenDie Geschichte der Ahnefeld Möbel-Logistik GmbH in Minden begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf der Flucht kam die Familie Ahnefeld nach Ostwestfalen, ihre Betriebe in Ostpreußen hatte sie verloren. Von Minden aus transportierte sie Umzugsgut Evakuierter in das Ruhrgebiet und neue Möbel für französische Familien in der Besatzungszone. Im Fernverkehr bewegte der Betrieb bald auch Lebensmittel, im Nah- und Regionalbereich vermehrt Baustoffe. Zeitweise betrieb Ahnefeld sogar die Personenbeförderung sowie ein Handelsgeschäft mit Kohlen, Kartoffeln und Futtermitteln. Seit den späten 1950er-Jahren konzentriert sich das Familienunternehmen ausschließlich auf Logistikdienstleistungen für die Möbelindustrie, Privathaushalte, Industrieunternehmen und Verwaltungen. In den 1970ern stellte Ahnefeld als einer der ersten deutschen Logistiker auf Wechselkoffer um. Heute betreibt das Unternehmen einen reinen Wechselbrücken-Fuhrpark mit aktuell 300 Einheiten, die bundesweit vor Ort bei den Kunden stehen. Seit 1973 bietet die Firma auch Umschlags- und Langfristlagerung für Möbel und Container. Heute beschäftigt Ahnefeld 110 Mitarbeiter, unterhält 40 Fernverkehrszüge, vor allem von Daimler, eine freie Service-Lkw-Werkstatt mit DEKRA-Prüfstand sowie eine Waschstraße und eine Tankstelle. Der Umsatz lag zuletzt im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. akw Video Was macht eine Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice (FMKU)?Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit hat die Firma Ahnefeld vor Kurzem ein Video über den Beruf FMKU gedreht. Ein Kamerateam hat Ahnefeld-Auszubildende dazu in ihrem Berufsalltag begleitet. Abrufbar ist der Spot im Internet auf www.berufe. tv, dem Filmportal der Bundesagentur für Arbeit. akw

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