Frankfurt/Staufenberg. An Deutschlands Autobahnen machen jede Nacht Zehntausende Lkw-Fahrer Rast. Viele von ihnen suchen vergeblich einen Platz, an dem sie ihr Fahrzeug abstellen können, oder parken illegal. „Bundesweit fehlen 30.000 Stellplätze, in fünf Jahren werden es voraussichtlich 40.000 sein“, sagt Thorsten Hölser vom Speditions- und Logistikverband Hessen/Rheinland-Pfalz. Allein für Hessen hat das Bundesverkehrsministerium bei einer Zählung 2018 fast 3000 fehlende Lkw-Abstellmöglichkeiten ermittelt. In Rheinland-Pfalz mangelt es demnach an mehr als 1800 Stellplätzen, in Niedersachsen an rund 2400.
Die Politik versuche zwar immer, diesem Mangelbedarf hinterherzukommen, es gebe aber keinen wirklichen Plan zum Abbau der Unterdeckung, sagt Hölser. „Das liegt aber nicht allein an der Bundes- oder Landespolitik“, betont er. Wenn Parkplätze entstehen sollen, würde das oft am Widerstand der Kommunen und Anrainer scheitern. „Jeder will beim Onlineversandhändler bestellen und die Lieferung am nächsten Tag bekommen, aber keiner will Lkw sehen.“
Kabinenschlafverbot verstärkt das Problem
Verstärkt werde das Problem noch durch das sogenannte Kabinenschlafverbot. Im Zuge einer EU-Reform wurde verboten, dass Lkw-Fahrer ihre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden in ihrer Fahrerkabine verbringen. Sofern sie nicht Zuhause sein können, müssen sie diese in einem Hotel oder einer Pension verbringen. Die Regelung verschärfe die ohnehin schon eklatante Situation auf den Rasthöfen. „Aus voll wird noch voller“, sagt Hölser.
Gleiches gilt auch für Übernachtungsmöglichkeiten an den Autobahnen. „Es gibt sicherlich einen Mangel, auch wenn wir keine konkreten Zahlen dazu haben“, sagt Alexander Quabach, Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Autohöfe (Veda). „Uns erreichen immer wieder Anfragen von Unternehmen, die Unterkünfte für ihre Mitarbeiter suchen.“ Werde das Kabinenschlafverbot konsequent umgesetzt, verstärke das die Unterversorgung noch. Die Autohofbetreiber würden daher immer öfter selbst Hotels bauen, seien aber auch mit alternativen Anbietern in Gesprächen.
An Schlafmöglichkeiten wird getüftelt
Ein solcher Anbieter ist das Düsseldorfer Startup Roatel - der Name setzt sich aus Road (deutsch: Straße) und Hotel zusammen. Das Unternehmen - 2019 von Ralf Peter Kals, Christian Theisen und Martin Swart gegründet - baut Übersee-Container zu Mini-Hotels um, die an Autohöfen, Raststätten und Tankstellen aufgestellt werden können.
Vier dieser Unterkünfte sind bislang in Betrieb - am Güterverkehrszentrum Bremen, in Schopsdorf (Sachsen-Anhalt) sowie im niedersächsischen Löningen und seit Kurzem auch in Staufenberg-Lutterberg. In wenigen Wochen folgen Geschäftsführer Kals zufolge Standorte im nordhessischen Homberg (Efze) sowie in Wörrstadt in Rheinland-Pfalz. „Bis Mitte 2022 sollen zehn, bis Ende des Jahres 30 Roatels bundesweit aufgestellt werden.“ Das Angebot werde an den ersten Standorten gut angenommen, nicht nur von Truckern, berichtet Kals. „Wir sprechen auch Monteure, Handwerker und Geschäftsreisende an.“
Ein Unternehmen aus Löningen nahe Osnabrück rüstet die Container Kals zufolge für je rund 100 000 Euro um. In einem Container finden vier Zimmer mit einer Größe von jeweils siebeneinhalb Quadratmetern Platz. Sie sind ausgestattet mit einer Sitzbank, Garderobe, Dusche, WC, Klimaanlage und Heizung, Satelliten-TV, WLAN, USB und elektrischen Rolläden. „Die Container sind wärme- und schallisoliert“, erklärt Kals. Eine Rezeption gibt es nicht. „Check-in und Check-out erfolgen kontaktlos per App.“ Kosten: 49 Euro pro Nacht.
Deutsche Fahrer nur bedingt betroffen
Die tragen die Logistikunternehmen. Für deutsche Unternehmen sei das aber nur bedingt ein Thema, erklärt Hölser. Da das Kabinenschlafverbot ausschließlich für die Wochenruhezeiten gilt, seien vor allem Fahrer betroffen, die europaweit unterwegs seien. Der grenzüberschreitende Fernverkehr werde sehr stark von osteuropäischen Unternehmen umgesetzt. „Der Großteil der deutschen Fahrer ist abends beziehungsweise spätestens am Wochenende wieder Zuhause.“ (dpa/sn)