London Gateway

London Gateway Tiefseehafen an der Themse London erhält einen neuen Tiefseehafen für die ganz großen Containerschiffe – ausgerechnet in Zeiten von riesigem Kapazitätsüberschuss. Doch auf Dauer könnte London Gateway Bewegung in die europäische Hafenlandschaft bringen. Einst starteten von hier aus Schiffe in die ganze Welt – und machten London zu der Macht des internationalen Seehandels schlechthin. Bald könnte die Hauptstadt Großbritanniens wieder in altem Glanz erstrahlen – zumindest was die Containerschifffahrt angeht. Denn im letzten Quartal 2013 soll an der Themse, nur 40 Kilometer östlich der Londoner Innenstadt, der „London Gateway“ seinen Betrieb aufnehmen – Großbritanniens modernster Tiefseehafen. Zum Hafen wird auch ein über 880.000 Quadratmeter großer Logistikpark gehören – Europas größter nach Angaben der Betreibergesellschaft „DP World“. Und mit dem Thema Größe kennt man sich aus bei DP (Dubai Ports) World: Das Unternehmen, Tochter einer staatlichen Investmentgruppe der Vereinigten Arabischen Emirate, gilt als einer der weltweit führenden Hafenbetreiber und schlug 2011 fast 55 Millionen TEU (Twenty Foot Equivalent Unit) in seinen auf der ganzen Welt verteilten Containerhäfen um. Reedereien halten sich zurück DP World setzt ganz auf Wachstum. 2020 soll die Kapazität der DP-Containerterminals nach Plänen des Unternehmens bei 103 Millionen TEU liegen – und London Gateway ist ein Mosaikstein in dieser Strategie. Doch die Jubelschreie über das neue Gewicht des britischen Königreichs auf dem Containermarkt bleiben noch aus. Kein Wunder: London Gateway soll zwar noch vor Ende dieses Jahres in Betrieb gehen, doch welche Schiffe hier mit wie viel Fracht anlanden, weiß noch niemand so richtig. Denn bisher hat noch keine der großen Containerlinien erklärt, DP World London Gateway in ihren Linienverkehr aufnehmen zu wollen. Mancher will in diesem Zusammenhang nicht einmal zitiert werden – und wer sich äußert, bleibt vage. So meint Tommy Nilsson, Head of Terminals and Ports beim Maersk Line, „der britische Markt hat bisher nicht so viele Alternativen geboten. Insofern freuen wir uns über mehr Wettbewerb.“ In diesem Zusammenhang würden alle Optionen auch ständig abgewogen. Doch angesichts der angekündigten Kooperation von Maersk, Mediterranean Shipping und CMA CGM im P3-Netzwerk bleibt abzuwarten, welche Rolle DP World London Gateway in dem Netzwerk von Maersk Line spielen wird: „Der allergrößte Teil unserer in Großbritannien gelöschten Ladung läuft über Felixstowe. Darüber hinaus haben wir vor Kurzem das P3-Netzwerk angekündigt und müssen überlegen, wie dies die Auswahl der Terminals beeinflusst, die wir anlaufen“, so der Maersk-Manager. Immerhin, für den Logistikpark wurde mittlerweile der erste Großkunde gewonnen: Am 10. Juni verkündete die britische Einzelhandels-Kette Marks & Spencer, ein 85.000 Quadratmeter großes Logistikzentrum auf dem Gelände von London Gateway errichten zu wollen. Weitere Abschlüsse könnten bald folgen. Derzeit gibt sich der Pressesprecher von London Gateway allerdings noch zugeknöpft: „Es sind weitere Dinge in der Pipeline, über die ich aber noch nicht sprechen kann.“ Immerhin so viel: In Kürze werde verkündet, dass DP World London Gateway selbst ein Logistikzentrum für kleinere Kunden einrichten will. DB Schenker Rail UK fährt zum Hafen Dass der erste große Vertrag ausgerechnet für den Logistikpark des London Gateway abgeschlossen werden konnte, scheint kein Zufall zu sein. Während auch andere Häfen in Großbritannien wie Felixstowe oder Southampton Platz für die größten Containerschiffe der Welt bieten, kann keiner mit einer so großen Nähe zum Zentrum Londons aufwarten wie London Gateway. Ganze 40 Kilometer liegt der neue Hafen von der Tower Brigde entfernt – und ist zudem nicht nur ans Eisenbahnnetz angebunden (worauf DB Schenker Rail UK ab dem ersten Tag vier Abfahrten täglich anbieten will), sondern auch fast ideal an das nationale Fernstraßennetz: Der M 25, der große Autobahnring um London, von dem aus die meisten Fernstraßenverbindungen in die anderen Teile des Landes führen, ist nur 15 Kilometer entfernt. Marks & Spencer erhofft sich von dieser Lage, jedes Jahr Millionen von LKW-Kilometern einsparen zu können. Insgesamt könnte der neue Hafen nach Berechnungen seiner Betreiber die Anzahl der auf britischen Straßen gefahrenen LKW-Kilometer um 100 Millionen reduzieren. Ein Grund für den schleppenden Start von London Gateway ist die derzeitige Kapazitätssituation auf dem britischen Markt und in ganz Nordeuropa. Experten sprechen von einer Überkapazität von 50 bis 60 Prozent (siehe Interview) bei den nordeuropäischen Häfen. Und auch in Großbritannien steht mancher Containerkran derzeit länger still, als seinen Betreibern lieb sein kann. Mittelfristig hat der Hafen mit ansteigender Konjunktur voraussichtlich gute Chancen auf dem Markt – unter anderem dank seines Standortvorteils: „Wenn es zu einer Besserung der Lage auf den Schifffahrtsmärkten kommt“, erläutert Professor Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft in Bremen, „haben Reedereien auch freie Ressourcen, einen Hafenwechsel anzugehen.“ Unter solchen Wechseln zu leiden hätten nach Ansicht von Insidern vor allem andere Häfen der britischen Inseln: Während der Hauptkonkurrent „Port of Felixstowe“ sich vornehm eines Kommentars enthält, meint Tommy Nilsson von Maersk: „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass London Gateway die Situation jenseits der britischen Inseln verändert. Wenn man ausreichend Volumen hat, wird man immer direkt fahren“. Lemper könnte sich allerdings auch vorstellen, „dass man vom London Gateway genauso nach Skandinavien und in die Ostsee fahren kann wie von Rotterdam. Insbesondere wenn es Probleme im Nord-Oostsee-Kanal gibt, könnte das auch die deutschen Häfen betreffen.“ Und bei DB Schenker gibt es Überlegungen, an einer Frachtzugverbindung von London Gateway durch den Kanaltunnel auf den Kontinent zu arbeiten. ❙❚■ Florian Beck, freier Journalist Der neue Hafen in Zahlen Einweihung noch dieses Jahr Noch 2013 soll der erste Bauabschnitt des London Gateway in Betrieb gehen – als reiner Containerhafen. Eine Planungsgenehmigung für einen RoRo-Terminal liegt zwar vor, derzeit wird aber nicht in dieser Richtung gedacht. Bis zum Endausbau wird es noch eine Weile dauern. Dann kann der neue Tiefseehafen allerdings mit beeindruckenden Zahlen aufwarten. Kapazität Containerterminal im Endausbau: 3,5 Mio TEU Länge der Kaimauer: 2700 Meter Anzahl der Liegeplätze: 6 Anzahl der Kai-Kräne: 24 Größe Logistikpark: 880.000 Quadratmeter Interview „Die Landschaft der europäischen Seehäfen wird sich ändern“ Berater Jan Ninnemann von der Hanseatic Transport Consultancy in Hamburg erwartet durch den neuen Containerhafen London Gateway eine Verschärfung des Wettbewerbs unter den Häfen. Was erwarten Sie vom London Gateway? Jan Ninnemann: Wir haben im Moment in den nordeuropäischen Häfen eine Auslastung von 50 bis 60 Prozent. Jede zusätzliche Kapazität, die auf den Markt kommt, verschärft die Wettbewerbssituation. Allerdings ist der britische Markt ein Sonderfall. Bleibt DP World London Gateway ohne Einfluss auf die Häfen der Northern Range? Sicherlich wird DP World London Gateway vor allem die Marktsituation innerhalb der britischen Hafenlandschaft verändern. Da muss man sich anschauen, wo die wesentlichen Märkte in Großbritannien sind und wie sie an Häfen angebunden sind. Aber man darf nicht vergessen, dass Großbritannien viel vom Feederverkehr aus Rotterdam lebt – und da spielt ein neuer Tiefseehafen natürlich schon eine Rolle. Aber eigentlich dürfte den Häfen der Nordrange keine größere Ladung verloren gehen. Wie schätzen Sie die Chancen von DP World London Gateway ein? Der Jade-Weser-Port macht ja gerade vor, wie schwierig es sein kann, als Neuling erfolgreich zu sein. Das Beispiel Wilhelmshaven zeigt, wie schwierig es ist, einen Hafen zu etablieren. Aber hier ist die Entfernung zu den großen Hinterlandmärkten weit – und das sieht in London ein bisschen anders aus. Auch wenn man sich anschaut, wer die handelnden Akteure sind, haben wir beim DP World London Gateway einen relativ starken Umschlagbetrieb, der über andere Häfen quersubventionieren kann. Ist das Teil einer umfassenderen Entwicklung? Man sieht schon, dass sich globale Player immer breiter machen – und die haben die Möglichkeit, auch mal Ladungsvolumina von einem Hafen zum anderen hin und her zu schieben. Auf wessen Kosten gehen solche Mengenverlagerungen? Auf Kosten aller Betriebe, die auf einen Hafen fixiert sind, zumal man, wenn man von einem Standort abhängig ist, stark von externen Faktoren beeinflusst wird. Aktuelles Beispiel ist in Hamburg die Diskussion um die Fahrrinnenvertiefung der Elbe. Was hat das für Folgen für die Seehäfen in Europa? Ich würde schon davon ausgehen, dass die Landschaft der europäischen Seehäfen, wie wir sie heute haben, in zehn bis fünfzehn Jahren anders aussieht. fb Terminalbetreiber Dubai Ports (DP) World verfolgt ehrgeizige Wachstumspläne