Lkw-Miete: Die hohe Kunst der Anpassung

In Kürze Die einen brauchen in Zeiten anhaltender Lieferschwierigkeiten dringend Fahrzeuge, andere Flotten sind vor dem Hintergrund der abkühlenden Konjunktur womöglich nicht ausgelastet. Das sorgt bei den Vermietern für hohe Auslastung - und bietet auch Speditionen die Gelegenheit, im Mietmarkt mitzumischen. Viele Flottenverantwortliche dürften ein nervenaufreibendes Jahr hinter sich haben: Lieferengpässe sorgten für elendig lange Wartezeiten - und das ausgerechnet in Zeiten hohen Transportaufkommens. Kein Wunder, dass die Nutzfahrzeugmiete regen Zulauf hatte. Bei 93 Prozent der Vermieter, die sich im Herbst 2022 an einer Marktumfrage der VerkehrsRundschau beteiligt hatten, lag die Auslastung bei 90 Prozent und mehr. Auch zum Jahresstart gibt die Beschaffungsform Miete ihren Trumpf sofortige Verfügbarkeit in Kombination mit individuell gewünschter Laufzeit nicht aus der Hand. TIP etwa berichtet nach wie vor von einer Auslastung auf stabil hohem Niveau. Die langen Lieferzeiten für Neufahrzeuge hätten demnach die Kundenanfragen verändert. "Die Mietlaufzeiten haben sich insgesamt signifikant verlängert, was unter anderem daran liegt, dass die Verfügbarkeit, gerade bei Motorfahrzeugen, noch immer angespannt ist und zunehmend Kunden die Miete als alternative, langfristige Beschaffungsform für sich nutzen", sagt Udo Brestel, Director Sales DACH bei TIP. Auch bei KLVrent aus dem bayerischen Nußdorf hat sich der Trend zur hohen Auslastung fortgesetzt. Diese ist laut Vertriebsleiter Thomas Kirsch zu Jahresbeginn um acht Prozent gestiegen. Je flexibler, desto besser Der Start ins neue Jahr ist in der Transportbranche allerdings auch von großer Unsicherheit geprägt. Sei es der VerkehrsRundschau-Index, nach dem zuletzt sowohl für das erste Quartal als auch für das gesamte Jahr 2023 mit einem Rückgang der Auftragslage gerechnet wurde (siehe S. 16), oder der jüngst erfolgte Einbruch am Spotmarkt, den etwa die Frachtenbörse Timocom feststellt - wohl dem, der über eine flexible Flotte verfügt. Grundsätzlich sei zwar eher ein Trend in Richtung langfristige Miete zu verzeichnen, bekräftigt auch KLVrent-Vertriebsleiter Kirsch. Bei Trailern hingegen würden vom Kunden Mietmodelle gesucht, wo eine Option zum vorzeitigen Ausstieg möglich ist. "Dieses Mietmodell wurde von KLVrent ins Portfolio mit aufgenommen. Als Nutzfahrzeugvermieter muss man sich grundsätzlich den Gegebenheiten am Transportmarkt anpassen können", so Kirsch. Individuelle Vertragslaufzeiten sind auch bei TIP Teil des täglichen Geschäfts. Zwischen der Anmietung ab einem Tag bis zu langfristigen Partnerschaften seien viele Lösungen möglich. Spediteure werden Vermieter Ein volatiler Markt kann aber eben auch heißen: Lkw oder Trailer sind nicht ausgelastet. Solche Flotten nimmt die neue Sharing-Plattform für Nutzfahrzeuge Colonia Technologies ins Visier. Das 2021 gegründete Start-up arbeitet zwar in erster Linie mit etablierten Vermietern zusammen, die auf der Plattform Angebote listen. Der Grundgedanke bei Colonia Technologies ist aber das Lkw-Sharing - auch und gerade Spediteure können selbst als Vermieter auftreten. Vor dem Hintergrund des wieder rückläufigen Transportaufkommens werde dies auch verstärkt genutzt, wie Gründer und Managing Director Jakob Sadoun berichtet: "Wir sehen immer mehr aktiven Bedarf, Fahrzeuge einzustellen, insbesondere von Speditionen. Diese kommen gezielt dafür auf uns zu." Eine davon ist Kluth Transporte aus Neuss. Die Spedition hat sich auf Lebensmitteltransporte spezialisiert und fährt hauptsächlich ungekühlte palettierte Ware. Der Fuhrpark besteht aus 50 Sattelzugmaschinen, einem Zwölftonner sowie 15 Planenaufliegern, 80 Koffern, 18 Chassis und einem Kühlauflieger. "Die Hälfte unserer Fahrzeuge ist finanziert, die andere Hälfte geleast. In Spitzenzeiten mieten wir auch Auflieger an", beschreibt Geschäftsführer Niklas Kluth seinen Finanzierungsmix. Seit November 2022 nutzt der Spediteur die Colonia-Plattform, um selbst Fahrzeuge zu vermieten, und zeigt sich sehr zufrieden (siehe Interview). Preisniveau bleibt hoch Ob Lang- oder Kurzzeitmiete oder Lkw-Sharing über Onlineplattformen - die Möglichkeiten für Flottenbetreiber, sich auch in unsicheren Zeiten den Markt-anforderungen anzupassen, sind vielfältig. An eines müssen sich Transportunternehmen aber wohl oder übel gewöhnen: Die Nutzfahrzeugmiete bleibt vermutlich auch künftig ein teures Vergnügen. "Aufgrund der steigenden Kaufpreise und der Zinsentwicklung sowie Steigerung der Unterhaltskosten werden die Mietraten in 2023 nicht sinken", prognostiziert Kirsch. Bei TIP werden die Mietraten unter anderem vom Anschaffungswert, von der Mietlaufzeit, den Serviceaufwendungen und der aktuellen Inflationsrate bestimmt. "Aktuell erwarten wir auf Grundlage dieser Parameter keine Preisreduktion", sagt auch Brestel. "Wenn sich die Faktoren entspannen, wird sich auch das Mietpreisniveau wieder anpassen", gibt sich der TIP-Vertriebschef dennoch optimistisch. Mehr zum Thema unter #LkwMieteKaufLeasing www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag "So gewinnen beide Seiten": Niklas Kluth, Geschäftsführer Kluth Transporte Sie vermieten über die Plattform Colonia Technologies Fahrzeuge - wie kam es dazu? Wir hatten zehn Auflieger übrig. Warum sollen die rumstehen und weiter Geld kosten, wenn man sie auch weitervermarkten kann? Andere Unternehmen brauchen wiederum dringend Fahrzeuge, damit gewinnen beide Seiten. Den Kontakt zu Colonia Technologies hatte dabei ein ehemaliger Mitarbeiter hergestellt, der nun für das Start-up arbeitet. Wie funktioniert die Plattform? Es handelt sich zwar um eine reine Vermittlungsplattform, man wird aber bei den administrativen Aufgaben nicht allein-gelassen. Wir wurden beim Aufsetzen der Verträge unterstützt. Alles in allem war es erstaunlich unkompliziert, als Spediteur auch Vermieter zu werden. Nach Vertragsabschluss haben wir die Auflieger ausgeliefert und seitdem sind die in der Vermietung. Zu welchen Konditionen vermieten Sie? Die Laufzeit bei uns beträgt aktuell zwei Monate, kann aber mehrfach verlängert werden. Die Mietkonditionen bestimme ich nach dem Prinzip Angebot und Nachfrage. Wir kennen ja die gängigen Mietpreise der großen Vermieter und können so die aktuell angemessenen Raten bestimmen. Was passiert im Schadenfall? Wir haben zwar eine eigene Werkstatt, aber die Fahrzeuge sind teilweise in ganz Deutschland vermietet. Falls etwas mit den Aufliegern sein sollte, fährt der Kunde in die Werkstatt seines Vertrauens, lässt den Schaden richten und schickt uns anschließend die Rechnung. Der Mietkunde ist über unser Unternehmen mitversichert. Dabei vereinbaren wir wie Profivermieter natürlich auch eine gewisse Selbstbeteiligung im Schadenfall. Bislang ist aber auch noch nichts passiert. Ihre bisherige Zwischenbilanz? Wir sind superzufrieden. Wenn wir mal Fahrzeugengpässe haben sollten, habe ich jedenfalls keine Probleme damit, auch selbst von anderen Unternehmen Fahrzeuge zu mieten.

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