Lkw-Maut: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur erhöhten Abgabe

Mitte April war die Katze aus dem Sack: Das Bundesverkehrsministerium legte den Verbänden den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes vor. Angesichts der derzeit hohen Dieselkosten für viele ein Vorhaben zur Unzeit. Statt eine Entlastung will Bundesverkehrsminister Volker Wissing die Lkw-Maut weiter erhöhen. Damit rollt eine neue Kostenwelle auf die Branche zu. Die neun wichtigsten Fragen zur Maut Der Entwurf sollte Ende Mai vom Bundeskabinett verabschiedet werden (nach Redaktionsschluss) - und zwar trotz der Proteste der Verbände ohne wesentliche Änderungen, wie es aus dem Verkehrsministerium hieß. Was bedeutet das für die Unternehmen? Wie hoch werden die Kosten sein? Was sind die Treiber der Maut und warum ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht? Neun Fragen zur Maut, deren Antworten Sie kennen sollten. 1. Warum wird die Lkw-Maut angehoben? Das ist der "normale" Mechanismus seit Einführung der Lkw-Maut 2005: Die Höhe der Lkw-Maut wird mittels eines Wegekostengutachtens (WKG) berechnet. Darin werden die Kosten für den Bau, den Erhalt und den Betrieb der Fernstraßen ermittelt und der Anteil, den die Lkw verursachen. Diese Berechnung bildet die Grundlage für die Höhe der Maut. Ein WKG wird immer für einen befristeten Zeitraum erstellt, in der Regel fünf Jahre. Dann ist eine neue Berechnung fällig. Das letzte Gutachten galt für den Zeitraum 2018 bis 2022. Deshalb hat das Bundesverkehrsministerium jetzt turnusgemäß ein neues WKG in Auftrag gegeben. Die Befristung hat mehrere Gründe: Die Maut wird ausgeweitet (auf andere Straßen zum Beispiel) oder es sind neue Kosten zu berücksichtigen (wie die für Luftverschmutzung oder Lärm, die sogenannten externen Kosten). Oder die EU ermöglicht für die Anlastung der externen Kosten neue Bezugswerte, wie im aktuellen WKG. 2. Könnte man die Maut nicht deutlich stärker anheben, um auf diesem Weg die Bahn zu fördern und - einige würden sagen: endlich - eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene zu bewirken? Nein - auch wenn einige Bahnlobbyisten dies immer wieder mal fordern. Die Lkw-Gebühr ist weder ein Geldbeschaffungsinstrument, mit der die Staatskasse gefüllt werden soll. Noch ist die Maut dazu da, die Wettbewerbsverhältnisse zwischen den Verkehrsträgern zu beeinflussen. Vielmehr soll die Maut der Preis für die Kosten sein, die ihre Nutzer - in diesem Fall der Straßengüterverkehr - verursachen. Soweit zumindest die Theorie. Die Berechnung der Mauthöhe erfolgt nach wissenschaftlichen Kriterien. Das heißt aber nicht, dass man darüber nicht streiten kann. Im Fokus der Kritik steht immer wieder der kalkulatorische Zinssatz für das in der Infrastruktur gebundene Kapital. Dieser Betrag hat großen Einfluss auf die Mauthöhe. Im ersten WKG von 2002 wurde ein Zinssatz von über fünf Prozent angesetzt. Mittlerweile wird nur noch mit 2,3 Prozent kalkuliert. Diese Annahme (zu hoher Zinsen) wird vom BGL (Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung) scharf kritisiert: "Es bleibt damit festzuhalten, dass aufgrund der bis Anfang 2022 stetig gefallenen Zinsen in der Wegekostenrechnung seit 2002 [ ... ] die erwarteten Markzinsen deutlich überschätzt wurden und damit die Anlastung gegenüber der tatsächlichen Marktentwicklung [ ... ] stets zu hoch war", schreibt der Verband in seiner Stellungnahme zu dem aktuellen WGK, das der VerkehrsRundschau vorliegt. Anders ausgedrückt: Aufgrund der zu hoch angesetzten Zinsen ist davon auszugehen, dass die Nutzer für diesen Posten in der Vergangenheit mehr Geld zahlen mussten, als sie an Kosten verursacht haben. 3. Wie wichtig ist die Lkw-Maut für Deutschland? Die Einnahmen aus der Lkw-Maut spielen für die Finanzierung der Infrastruktur eine tragende Rolle. Immerhin 79,4 Milliarden (Mrd.) Euro haben die Halter der Lkw seit 2005 bis 2021 an Toll Collect überwiesen. Zum Vergleich: 8,5 Mrd. Euro sind 2022 im Bundeshaushalt für die Straßen vorgesehen. Das kommt den Mauteinnahmen aus dem Jahr 2021 mit 7,1 Mrd. Euro sehr nahe. Für die Jahre 2023 bis 2027 sieht das neue WKG jährliche Einnahmen in Höhe von 8,305 Mrd. Euro vor. Insgesamt sollen 41,552 Mrd. Euro in den fünf Jahren in den Bundeshaushalt fließen. Eine beachtliche Summe. Und es könnte sogar noch mehr werden (siehe Frage 8). 4. Wie wird die Lkw-Maut berechnet? Das zu erklären, damit könnte man ein Büchlein füllen. Deshalb beschränken wir uns an dieser Stelle darauf, die Zusammensetzung der Lkw-Maut zu erklären. Es gibt derzeit drei Teile: zum einen den Mautteilsatz für die Infrastrukturkosten. Dieser soll die Kosten für den Bau und den Erhalt der Straßen durch die Lkw abdecken. Dann gibt es zwei weitere Mautteilsätze für die Luftverschmutzung und für die Lärmbelastung. Beide sind zur Abdeckung der sogenannten externen Kosten gedacht, die für die Bevölkerung entstehen, weil die Lkw Lärm und Schadstoffe verursachen. 5. Was ändert sich bei der Maut 2023 - außer, dass die Mautsätze steigen? Eine gravierende Änderung betrifft die Änderung des kalkulatorischen Zinssatzes (siehe Frage 2). Die Folge: Der Mautteilsatz für die Infrastruktur (siehe Frage 4) sinkt für die meisten Fahrzeugkategorien im Vergleich zum vorherigen Wegekostengutachten (einzige Ausnahme: Lkw unter zwölf Tonnen). Der Straßengüterverkehr verursacht in den kommenden Jahren also weniger Kosten für die Instandhaltung und den Bau des Autobahn- und Bundesstraßennetzes, weshalb die Maut dafür geringer ausfällt. Aber: Im Oktober 2021 ist die Wegekostenrichtlinie der EU geändert worden. Konnten für die externen Kosten bislang nur Höchstwerte angesetzt worden, sind an dessen Stelle Bezugswerte getreten, die deutlich höher sind. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten darüber hinaus Kosten geltend machen können, die über den Bezugswerten liegen. Diesen Spielraum hat die Politik, haben die Autoren des WGK ausgiebig genutzt (siehe Frage 6). 6. Wie hoch steigt die Maut für die externen Kosten? Exorbitant. Oder wie soll man es sonst ausdrücken, wenn der Mautteilsatz für die Luftverschmutzung je nach Fahrzeugkategorie (Emissionsklasse, Gewicht, Zahl der Achsen) zwischen 25 Prozent und 169,6 Prozent klettert? Und die Maut für die Lärmbelastung schießt sogar um 500 bis 700 Prozent (laut Berechnungen des BGL) in die Höhe. Diese beiden Anstiege sind daher auch dafür verantwortlich, dass die Lkw-Mautsätze insgesamt steigen. 7. Wer wird besonders stark zur Kasse gebeten? Das ist so pauschal schwer zu beantworten. Tendenziell steigt die Maut bei den niedrigen Emissionsklassen (Euro 0 bis Euro 4) stärker an - nachvollziehbar, weil diese Fahrzeuge nicht so umweltfreundlich sind und daher die externen Kosten stärker zu Buche schlagen. Überschaubar ist der Anstieg der Maut für Lkw der Euro-6-Klasse mit mehr als 18 Tonnen und vier Achsen: Hier müssen die Nutzer 3,8 Prozent mehr Maut zahlen. Bei dem gleichen Lkw mit Euro-5-Motor sind es aber bereits 18,0 Prozent mehr Maut. 8. Warum wird die Maut 2023 womöglich nochmals angehoben? Die Bundesregierung hat gerade ein Gesetz für eine höhere Maut ab 2023 vorgelegt. Die eine ist noch nicht mal in Kraft, da ist schon von einer weiteren Mautanhebung zu Jahresbeginn 2023 die Rede? Ja, in der Tat. Hintergrund ist das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel, 2023 einen CO2-Zuschlag bei der Maut einzuführen. Gegenüber der VerkehrsRundschau bestätigte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, dass die Einführung der CO2-Differenzierung in einem separaten Gesetzgebungsverfahren geplant ist. "Die Berechnung möglicher Mautsätze für die CO2-Differenzierung erfolgt auf Grundlage eines Ergänzungsteils zum Wegekostengutachten für den Zeitraum 2023 bis 2027 und wird anschließend durch Gesetz geregelt", so der Sprecher. Dieser Ergänzungsteil werde gerade erstellt. Auch die Einführung einer Maut für Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen ist für den 1. Januar 2023 geplant. Hier hält sich das Ministerium die Türen offen: "Die Einführung kann gemeinsam mit der Einführung der CO2-Differenzierung in einem Gesetzgebungsverfahren geregelt werden", teilte der Sprecher mit. Im Übrigen muss eine CO2-Differenzierung der Maut aber auch gemäß der neuen EU-Richtlinie verpflichtend eingeführt werden, allerdings erst bis April 2024. Nun muss eine CO2-Differenzierung nicht zwangsläufig eine Mauterhöhung nach sich ziehen. Ganz im Gegenteil, im Koalitionsvertrag heißt es nämlich, man wolle diesen Zuschlag nur unter der Bedingung einführen, dass "eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis ausgeschlossen wird." Dennoch befürchten die Speditionsverbände, dass die Bundesregierung den Aufschlag dazu nutzen wird, die klammen Haushaltskassen aufzufüllen. Gegenüber der VR sagte der Sprecher jedoch: "Eine Doppelbelastung durch den CO2-Zuschlag soll ausgeschlossen werden." Aber Ziele können bekanntlich auch mal gerissen werden. 9. Welche weitere Kritik gibt es an der neuen Maut? Der DSLV (Bundesverband Spedition und Logistik) kritisiert in seiner Stellungnahme, dass in dem Gesetzentwurf offenbleibt, in welcher Form Nutzfahrzeuge mit emissionsfreien oder -armen Antrieben über das Jahr 2025 hinaus mautbefreit oder mautbegünstigt sein werden. Außerdem enthalte das Gesetz entgegen den Zusagen aus dem Koalitionsvertrag keine Befreiungsregelung für den Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr (KV). Sowohl BGL, BVWL (Bundesverband Verkehr, Wirtschaft und Logistik) und DSLV kritisieren, dass das Gesetz vorsieht, die "Mehreinnahmen für Mobilität" einzusetzen. Damit bestehe die Gefahr, dass der Grundsatz "Straße finanziert Straße" aufgelöst werde und das Geld aus der Lkw-Maut beispielsweise auch der Bahn zufließen könne. Zudem kritisieren die Verbände, dass die Differenzierung der Maut nach externen Kosten viel zu früh komme - wie auch eine mögliche CO2-Differenzierung. Denn Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, die Schadstoffemissionen auf ein Minimum reduzieren, seien für viele Einsatzzwecke (wie für den Fernverkehr) noch nicht verfügbar. Auch die Tankinfrastruktur für Strom oder gar Wasserstoff sei in der Fläche noch nicht verfügbar. Hier sehen die Verbände ebenfalls noch einen großen Nachholbedarf. Der BGL kritisiert die sich abzeichnende etappenweise Erhöhung der Maut. Eine Planungs- und Investitionssicherheit für die Unternehmen sei damit nicht gegeben. Der Verband fordert daher die für Januar 2023 vorgesehene Mautanpassung zu verschieben. Darauf angesprochen lautet die Antwort des Ministeriumssprechers, dass die Maut für eine fünfjährige Kalkulationsperiode bestimmt werde: "Der nächste Stichtag wäre der 1. Januar 2023." Aber die Formulierung zeigt: Wenn etwas dazwischenkommt, hält sich das Ministerium offen, den Termin zur Not zu verschieben. Mehr zum Thema unter #MautinDeutschland www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Das Bundesverkehrsministerium hat ein neues Gesetz zur Änderung der Lkw-Maut vorgelegt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen dazu: Welche Faktoren vor allem zum Anstieg der Maut beitragen, warum mit einem weiteren Anstieg zu rechnen ist und was man an der Berechnung kritisieren kann. 500 Prozent und mehr: Das ist der Anstieg im aktuellen Wegekosten für den Mautteilsatz zur Abedckung der Lärmkosten.

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