Berlin. „Katastrophal und menschenunwürdig“, sei die Lage der Berufskraftfahrer, wenn sie für ihre vorgeschriebenen regelmäßigen Wochenruhezeiten in ihren Lkw auf Parkplätzen pausieren – häufig ohne Zugang zu sanitären Anlagen. Manch ein Fahrer aus dem osteuropäischen Raum sei sogar sechs und mehr Monate unterwegs, ohne in die Heimat zu kommen. So schilderte Thomas Fiala vom Polizeipräsidium Köln seine Eindrücke von der Lage an den Rastplätzen am Montag bei einer Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu geplanten Änderungen im Güterverkehrsrecht. Aktuell berät der Bundestag über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes, des Fahrpersonalgesetzes, des Gesetzes zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern, des Straßenverkehrsgesetzes und des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamtes. Unter anderem sieht dieser Entwurf das Verbot des Verbringens der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug vor.
Die Anhörung konzentrierte sich auf die Lage des Fahrpersonals, die „tatsächlich menschenunwürdig” sei, betonte der Fernfahrer Udo Skoppeck, der sich mit der „Allianz im deutschen Transportwesen“ um seine Kollegen aus der gesamten EU kümmert. Die meisten übten ihren Job „in keinster Weise freiwillig“ aus. Skoppeck wies speziell auch auf Sprinter-Fahrzeuge hin, deren Fahrer oft quer über die Fahrersitze schliefen - und dies „bei bis zu minus 15 Grad“.
Fiala machte deutlich, dass es zu den katastrophalen Zuständen insbesondere an den Grenzen zu Nachbarländern wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande komme, weil dort gegen die Übernachtungen im Fahrzeug restriktiver vorgegangen werde. Die Erfahrungen in diesen Ländern zeigten, dass entsprechende Regulierungen kontrollierbar wären, wenn es sie auch in Deutschland gäbe, führt er an.
Eine Frage der Definition: Was bedeutet "geeignet"?
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und Dienstleistungsgewerkschaft Verdi machten sich stark für einen Vorschlag des Bundesrats, in dem die Ansprüche an den Unternehmer bezüglich der Wochenruhezeiten ebenso klar definiert seien wie die an das Fahrpersonal – nämlich in Form einer Rückkehr zum Wohnort des Fahrers, zum Ort des Unternehmenssitzes oder einer Übernachtung in einer festen Unterkunft mit Sanitäreinrichtungen und Versorgungsmöglichkeiten. Sowohl DGB als auch Verdi bemängelten den Vorstoß der Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Ausschuss für Verkehr Infrastruktur wonach im Gesetz eine „geeignete Schlafmöglichkeit“ für die Wochenruhezeit vorgegeben werden soll. Dies sei problematisch, weil niemand genau definieren könnte, was denn unter „geeignet“ zu verstehen sei.
BGL will Fahrer entscheiden lassen
Professor Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) stufte ein „grundsätzliches Verbot des Verbringens der regelmäßigen Wochenruhezeit im Fahrzeug“ zwar als einen „Ansatz zur Bekämpfung des Nomadentums auf Park- und Rastplätzen im Bundesgebiet“ ein. Dies könne einen Beitrag zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen leisten. Allerdings setzte sich der BGL dafür ein, dass es den Fahrpersonal freigestellt bleiben müsse, wo und wie es seine Freizeit verbringt. Nach Engelhardts Ansicht geht es „nicht ausschließlich darum, wo der Fahrer schläft“. Möglicherweise fühle sich ein Fahrer im eigenen, komfortabel ausgestatteten Fahrerhaus sehr viel wohler als bei einem erzwungenen Aufenthalt in einem Motel, machte er deutlich.
Erst Mitte Februar hatte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) regelmäßigen Wochenruhezeit von Lkw-Fahrern in ihren Fahrzeugen als rechtswidrig bewertet. Das EU-Recht erlaube solche Praktiken nicht, hieß es in den Schlussanträgen zu einer Klage eines belgischen Transportunternehmens gegen den belgischen Staat. Maßnahmen, die einzelne Staaten gegen das Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit in den Fahrzeugen ergriffen hätten oder ergreifen könnten, seien laut des Generalanwalts vollkommen gerechtfertigt. Die Schlussanträge der Generalanwälte am EuGh sind noch keine Urteile, gelten aber als richtungsweisend. In Frankreich und Belgien sind Verbote zur Verbringung der wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug bereits länger in Kraft.
Am kommenden Donnerstag berät der Verkehrsausschuss des Bundestages in zweiter und dritter Lesung über den deutschen Entwurf. (sno)
Karl A. Selig
Kurt Boy
Luik
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