Kühllogistik: "Die Lage ist ernst"

In Kürze Ob Lebensmittel, Tiefkühlkost, Medikament oder Pharmaerzeugnisse - in Kühl- und Tiefkühllagern muss viel gelagert werden. Doch die hohen Energiekosten in Deutschland zehren zunehmend die Erlöse auf. Wie brisant die Lage wirklich ist, was vielleicht helfen kann, zeigt der Artikel. Die Energiekrise setzt die Kühl- und Tiefkühlwirtschaft massiv unter Druck. So lag der Strompreis (inklusive aller Abgaben) der Unternehmen in Deutschland im vergangenen Jahr um bis 800 Prozent höher, wenn man als Basis das Jahr 2000 nimmt. Und auch im ersten Halbjahr 2023 waren die Preise noch immer auf einem vergleichsweise hohen Niveau, schlägt Jan Peilnsteiner Alarm. Er ist Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen (VDKL). Im Nachteil gegenüber Nachbarländern "Die Lage ist also mehr als ernst und ein Ende ist nicht absehbar", warnt Peilnsteiner. Zumal die Betriebe in der Kühl- und Tiefkühlwirtschaft ja nicht nur mit den gestiegenen Energiepreisen kämpfen. So kommen auf den Arbeitspreis für Strom noch zusätzlich die zahlreichen hohen staatlichen Energiesteuern und Abgaben. "Ein Kühllogistik-Unternehmen in Deutschland bezahlt heute 40-mal mehr Stromsteuer, als es die EU überhaupt verlangt. Zumal auch die Netzentgelte seit Jahren kontinuierlich ansteigen." In den Nachbarländern Niederlande, Belgien oder auch Frankreich seien die Strompreise und Energiesteuern wesentlich geringer als in Deutschland. Der VDKL sieht indes nicht tatenlos zu. So kauft der Verband über den VDKL-Strompool mit einem Volumen von über 1,2 Terawattstunden (1,2 Milliarden Kilowattstunden) für seine Mitgliedsfirmen den Strom ein, berichtet Peilnsteiner. Der Strom werde an der Energiebörse EEX gekauft. Dies gelte für Strom und auf Wunsch auch für Gas. Zudem veröffentlicht der Verband in Kürze einen neuen und aktualisierten Energie-Leitfaden zur Verbesserung der Energieeffizienz für Kühl- und Tiefkühlhäuser. Kühllogistiker Heidelmann setzt auf PV Wie ernst die Lage in der Kühllogistik ist, zeigen auch die Aussagen von Till Bischoff, Geschäftsführer des Lebensmittel- und Pharmalogistikers Heidelmann in Schwalmstadt. 100 eigene temperaturgeführte Fahrzeuge setzt der Mittelständler ein und verfügt über rund 30.000 m2 temperaturgeführte Lager- und Umschlagsfläche. So machen bei Heidelmann die Energiekosten für Strom und Gas in den Lagern mittlerweile rund 20 Prozent der Gesamtkosten aus, berichtet er. Und im Tiefkühlbereich liege der Anteil sogar deutlich darüber. Zum Vergleich: Vor dem Ukrainekrieg habe der Anteil bei 16 Prozent gelegen. Um die Energiekosten zu senken, setzt Heidelmann etliche Hebel in Bewegung. Wichtige Maßnahme hier: Mittlerweile produziert der Mittelständler 20 Prozent seines Strombedarfs über Photovoltaik-Anlagen (PV) auf den Dächern der eigenen Lagerimmobilien", berichtet Bischoff. Und Ziel sei es, unter Berücksichtigung der statischen Möglichkeiten, alle noch freien Dachflächen mittelfristig mit PV-Anlagen auszustatten. Doch auch hier gibt es Grenzen, musste Bischoff erfahren: "Selbst wenn wir auf Jahressicht 100 Prozent unseres Bedarfes über Photovoltaik produzieren könnten, müssten wir immer einen Teil über externe Anbieter zukaufen, weil sich PV-Strom nicht wirtschaftlich in der benötigten Menge zwischenspeichern lässt." Und selbst die modernste PV-Anlage von Heidelmann könne im sonnenarmen Winter kaum eigenen Strom erzeugen, gibt er zu bedenken: "Um Energiesicherheit zu haben, werden wir also weiterhin immer über externe Stromanbieter zukaufen müssen." Was Bischoff vor allem ärgert, wie lange es gedauert hat, bis er alleine für seinen ersten Bauabschnitt der neuen Logistikanlage die Photovoltaik-Anlage von insgesamt 750 Kilowatt-Peak (kWp) im Jahr 2021 in Betrieb nehmen konnte. Fast ein Jahr nach der technischen Fertigstellung der PV-Anlage war dies erst der Fall. Grund war vor allem der bürokratische Aufwand rund um das Anlagen-Zertifikat, weil das für den Betrieb der PV-Anlage erforderliche Zertifikat nur von berechtigten Firmen ausgestellt werden darf. "Technisch hat die Anlage funktioniert, nur an das Anlagen-Zertifikat kamen wir nicht ran und konnten diesen Prozess nicht beschleunigen." Langwieriges Formalitäten-Wirrwarr Und es kommt noch schlimmer: Auch im zweiten Bauabschnitt investierte Heidelmann im Jahr 2022 in eine PV-Anlage von insgesamt 290 Kilowatt-Peak - mit dem Ziel, die beiden Photovoltaik-Anlagen miteinander zu koppeln, um zwischen beiden Gebäuden selbst produzierten Strom bedarfsgerecht austauschen zu können. Problem war: Die Auflagen in puncto Fernwirktechnik hatten sich zwischenzeitlich geändert. "So sehr man notwendige Vorgaben und einen gewissen bürokratischen Aufwand nachvollziehen kann, erinnert der gesamte Ablauf rund um die geforderten Formalitäten zwischen etlichen beteiligten Parteien, vom Anlagen-Errichter bis zum Energieversorger, doch stark an Asterix und Obelix und den Passierschein A38", kommentiert dies Bischoff. Bittere Folge ist: Seit fünf Monaten ist die neueste PV-Anlage bei Heidelmann zwar technisch betriebsbereit, kann aber wegen des Formalitäten-Wirrwarrs nach wie vor nicht in Betrieb genommen werden."

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