Jahresausblick 2022: Zwiegespalten

Seit nunmehr rund zwei Jahren hält die Corona-Pandemie die Welt im Griff. Bislang sind wir in Deutschland, auch die deutsche Wirtschaft, recht gut durch diese Zeit gekommen. Doch die Pandemie und ihre Folgen verlangen den Unternehmen sehr viel ab. Das zeigt eine Blitzumfrage der VerkehrsRundschau vor dem Jahreswechsel unter einigen Chefs von Transport- und Speditionsunternehmen. Unisono wird zwar von den Betrieben betont, dass die Auftragslage gut sei, und sich Umsätze in 2021 gut entwickelt hätten. Gleichzeitig nehmen die außerplanmäßigen Belastungen in den Transport- und Logistikunternehmen deutlich zu. Zum einen durch die Corona-Auflagen der Regierung, zum andern durch die vielerorts steigenden Engpässe im Fahrer-, Fachkräfte-, Laderaum- und vermehrt auch im Lkw-Bereich - gar nicht zu reden von den massiv steigenden Kosten im Diesel- und LNG-Bereich. Und ab Januar 2022 kommt beim Diesel noch der neue CO2-Preis dazu. "Auf die Unternehmen im Transportgewerbe rollt eine Kostenlawine zu", warnt Nikolja Grabowski, Vorstand des Teil- und Komplettladungs-Verbundes Elvis AG in Alzenau. "Wir hatten zwar erst im Spätsommer eine Preisrunde", sagt Grabowski. "Doch wir brauchen jetzt die nächste Erhöhung. Eigentlich müssten weitere zehn bis 15 Prozent auf die Transportpreise drauf." Edvardas Liachoviciu, CEO des litauischen Großspediteurs Girteka, kann sich sogar vorstellen, dass die Transportpreise in Europa um 20 bis 35 Prozent steigen könnten. Insbesondere im Spotmarkt, sind sich auch andere Branchenkenner einig, werden im neuen Jahr die Preise wohl kräftig steigen, auch bedingt durch die neuen Auflagen im Zuge des EU-Mobilitätspakets (siehe Artikel Seite 42.) Vierte Corona-Welle dämpft Prognose Ob diese Preisrunden tatsächlich so kommen, wird sich weisen. So hat das Münchener Ifo-Institut im Dezember 2021 aufgrund der Lieferengpässe und der vierten Corona-Welle die Prognosen für 2022 für die deutsche Konjunktur gesenkt. Die Forscher gehen in diesem Jahr also nur noch von einem Plus von 3,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Immerhin prognostizieren sie, dass im kommenden Jahr 2023 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,9 Prozent steigen wird, und damit fast doppelt so stark wie noch im September 2021 erwartet. Man darf also auf das Jahr 2022 gespannt sein. Mehr zum Thema unter #Unternehmensführung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Coronapandemie und die damit einhergehenden Auflagen und Probleme wie Engpässe und gerissene Lieferketten halten die Wirtschaft in Atem. Was vor diesem Hintergrund Transport- und Speditionschefs von 2022 erwarten und planen, zeigt die folgende Blitzumfrage. Marc Philipp Bode, Geschäftsführer der Bode Spedition in Rheinfeld (Holstein) "Sorgen bereiten die lange Lkw-Lieferzeiten" Hohe Auftragsmengen, Personalknappheit, hohe Krankenstände und sehr turbulent", so beschreibt Marc-Philipp das abgelaufene Jahr. Seit 2017 führt er die Geschäfte der Spedition Bode in Reinfeld (Holstein) mit 320 Mitarbeitern und 85 eigenen Lkw (davon 37 LNG, fünf Diesel-Hybrid), die sein Urgroßvater einst gegründet hat, mit seinem Vater Kai Bode und Geschäftsführer Nils Grube.Trotzdem geht Marc-Philipp Bode "recht optimistisch" in das neue Jahr - die Nachfrage werde in 2022 wohl stabil bleiben, sagt er. "Fünf Prozent Umsatzplus streben wir schon an." Sorgen bereiten ihm indes die langen Lieferzeiten, insbesondere bei Lkw, die mittlerweile bei über einem Jahr liegen und sich immer wieder verzögern."Wie soll man da schnell und flexibel auf Kundenanforderungen reagieren, was ja die Stärke unserer Branche ist?" Und je länger sich die Fahrzeug-Auslieferzeiten hinziehen, desto mehr stelle sich für ihn die Frage, welche Antriebsart er überhaupt noch künftig ordern soll: LNG, E-Antrieb oder doch noch Diesel?"Die neue Regierungskoalition muss sich da nun schnell positionieren, etwa in der Frage, wie sie die Lkw-Maut und LNG-Förderung in den nächsten Jahren gestalten will", fordert er."Wir brauchen für unsere Investitionen Planungssicherheit." Denn ein Diesel-Lkw koste rund 100.000 Euro, ein LNG-Lkw rund 130.000 Euro, und E-Lkw und Brennstoffzellen-Lkw seien noch deutlich teurer. Diese würden ja die Spedition die nächsten sechs, acht Jahre begleiten. Auch der Bürokratieabbau müsse vorankommen."Unsere Kunden fordern von uns wegen der vielen Lieferengpässe vermehrt Einlager-Möglichkeiten. Gleichzeitig müssen wir über ein Jahr auf die Baugenehmigung einer Lagerhalle warten."Wichtigstes Projekt, das er in 2022 bei Bode weiter voranbringen will, ist die Digitalisierung:"Der E-CMR wird kommen. Darauf müssen wir uns vorbereiten." Unabhängig davon müsse auch innerhalb der Bode Spedition der Datenfluss weiter verbessert werden. Nikolja Grabowski, Vorstand des Teil- und Komplettladungs-Verbundes Elvis AG in Alzenau "Auf die Unternehmen rollt massive Kostenwelle zu" 2021 war turbulent – aus vielerlei Gründen. Trotzdem ist unser ElvisNetz stabil geblieben“, freut sich Nikolja Grabowski, Vorstand des Teil- und Komplettladungs-Verbundes Elvis AG. „Wir konnten sogar weiterwachsen – auch dank der KoLoS-Integration; und durch die Coronapandemie sind wir noch etwas enger zusammengerückt.“ 2022 wird allerdings nicht minder turbulent, ist er sich sicher. Für die kommenden zwölf Monate sei er dennoch „moderat zuversichtlich“. „Die Auftragsbücher in der Industrie sind sehr gut gefüllt, und die Lieferketten entspannen sich wieder leicht – zumindest in Teilen, sprich die Mengenvolumina werden da sein.“ Sorgen bereitet ihm allerdings die Kostenwelle, die massiv auf die Unternehmen zurollt: So schieße der Gaspreis durch die Decke, der Dieselpreis unter anderem durch den neuen CO2-Preis ebenso, zudem dürfte sich im neuen Jahr der Laderaum- und Fahrermangel insbesondere im Spotmarkt durch die Neuerungen des EU-Mobilitätspakets – Stichwort zum Beispiel neue Cooling-off-Phase – weiter verschärfen. Kurzum: „Wir hatten zwar erst im Spätsommer eine Preisrunde. Doch wir brauchen jetzt die nächste Erhöhung. Eigentlich müssten weitere zehn bis 15 Prozent auf die Transportpreise drauf.“ Wie Elvis seine Partner in 2022 dabei unterstützen will, weiß Grabowksi schon. „Wir entwickeln aktuell Argumentationshilfen, die klar aufzeigen, wie sich bestimmte Kostentreiber konkret entwickeln“, verrät er. Im neuen Jahr stünden diese den Mitgliedsunternehmen zur Verfügung. Seine Wünsche für 2022? „Durch die Pandemie hat die Volatilität extrem zugenommen. Wenn wir alle da endlich etwas mehr Planbarkeit bekommen, wäre das schön.“ Vor allem aber wäre es notwendig, fordert er im Hinblick auf die neue Bundesregierung, dass die Politik sich endlich darauf verständigt, wie sie die Transportunternehmen angesichts des steigenden CO2-Preises entlasten will. Andernfalls würde sich das Umweltproblem im Verkehr von allein lösen, weil die Betriebe verschwunden sind. Thomas Schwarz, Geschäftsführer der Spedition Schwarz in Herbrechtingen "2022 ähnlich starke Umsatzzuwächse wie in 2021" „Die Corona-Auflagen der Bundesregierung umsetzen, dafür alle Mitarbeiter mitzunehmen und dennoch den Betrieb am Laufen zu halten, damit wir die Kunden zuverlässig bedienen. Das war für mich die größte Herausforderung in 2021“, sagt Thomas Schwarz, Geschäftsführer der Spedition Schwarz in Herbrechtingen. „Auch weil diese außerplanmäßigen Mehrbelastungen Spuren in unserem Ertrag hinterlassen haben.“ Immerhin: Die Auftragslage war für die Spedition in 2021 sehr gut, zehn Prozent Umsatzplus im Vergleich zum Vorjahr sprechen eine deutliche Sprache. „2022 rechnen wir mit ähnlich starken Umsatz-Zuwächsen und einer ähnlich hohen Auslastung – auch dank interessanter Neukunden“, kündigt er an. Sorgen bereiten Schwarz die Dieselpreise „die steigen derzeit im Monat um zehn Prozent und mehr – das tut uns trotz Dieselfloater weh.“ Vor allem aber drücken ihn die Auslieferprobleme der Lkw-Hersteller. 70 Lkw habe er in 2021 geordert, wann die kommen, weiß er noch nicht. Noch wird das für ihn nicht der Wachstumskiller. Kurzzeitmiete helfe, aber die Kosten dafür trage ihm keiner. So gesehen will Schwarz auch im Jahr 2022 mit acht Millionen Euro kräftig investieren. Zudem will er personell aufstocken – von derzeit rund 700 auf voraussichtlich 750 Beschäftigte. Zudem sehe er noch etliche Prozesse, in denen er dank Digitalisierung Potenziale sehe, etwa in der Disposition und im Datenaustausch mit Unterfrachtführern. So steht bei Schwarz Anfang 2022 das neues SAP -System SAP S/4 HANA an, das bisherige SAP ECC 6.0 wird gerade ausgetauscht. „Top-Thema ist aber in 2022 der Klimaschutz. Das steht bei mir ganz oben auf der Agenda“, betont Schwarz, der seit 1,5 Jahren im Schwer-Lkw-Bereich auch auf Batterieelektrik setzt. Nun will er im Rahmen des Projektes HIFive einen Wasserstoff-Lkw testen. Start soll 2023 oder 2024 sein, denn irgendwann, spätestens wohl 2030, wird der Dieselantrieb auslaufen. Dann will er vorbereitet sein.

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