Ihr Lkw wurde gehackt :-P

"Ja, es gab schon erfolgreiche Lkw-Hacks!", sagt Jörg Zimmer. Er ist Vice President EMEA Sales bei BlackBerry Technology Solutions für das sicherheitszertifizierte Fahrzeug-Betriebssystem BlackBerry-QNX für Pkw und Nutzfahrzeuge. Der einstige Smartphone-Pionier Blackberry hatte QNX mit seinem Echtzeitbetriebssystem übernommen. Vom Pkw lernen Allerdings sind die erfolgreichen Hacks von Lkw weniger bekannt als die von Pkw. So gelang in den USA ein Proof of Concept, bei dem gezeigt wurde, dass es möglich ist, ein Auto während der Fahrt zu übernehmen und zu bremsen. Das war bei einem Jeep Cherokee. Ein Pkw, na und? "Das kann man eins zu eins auf Lkw übertragen, weil die Technologien, die in diesem verwendet werden, sehr ähnlich sind", erklärt Benedikt Westermann, TÜV-Experte für Cybersecurity-Testing. Der Lkw hat demnach zum Beispiel eine Telematikeinheit, die über das Internet kommuniziert und Fahrzeugdaten wie Position, Tempo oder Drehzahl an den Hersteller oder das Flottenmanagementsystem der Spedition überträgt. "Jeder Lkw, der das Internet nutzt, ist vergleichbar mit jedem normalen PC, der an das Internet angebunden ist. Über so eine Öffnung des Systems ist auch ein Fahrzeug genauso angreifbar wie ein PC", warnt der promovierte Informatiker. Dabei handelt es sich um ein vergleichbares Problem, das es bei allen neuen vernetzten Geräten wie Webcams oder Smartspeaker gibt, die sich von irgendwo auf der Welt über das Internet steuern lassen. Das macht die Geräte angreifbar, weil sie durch diese Internetverbindung keine in sich geschlossenen Systeme mehr sind. Mit dem Fahrtenschreiber fing alles an Ganz neu ist das Thema Hacken von Lkw allerdings nicht. Bislang waren die Tätergruppen jedoch andere. In früheren Jahren konnten Hacker den Fahrtenschreiber manipulieren und Chiptuning betreiben. "Im Prinzip war das Hacken", rückt Zimmer die Geschichte ins rechte Licht. Aber diese Anfänge erforderten die unmittelbare Nähe zum Lkw. Ein vergleichbarer Hacker-Ansatzpunkt ist die Diagnoseschnittstelle zur Onboard-Diagnose. Auch die setzt den physikalischen Zugriff auf den Lkw voraus. "Das ist beim Pkw leichter zu realisieren als beim Nutzfahrzeug", relativiert Zimmer diese Gefahr. "Zukünftig werden diese Systeme aber auch remote, aus der Ferne, zugänglich sein. Das ist notwendig, um Software-Updates remote, over the Air (kurz: OTA), aufspielen zu können", befürchtet Fachmann Zimmer nahende Risiken. Damit nicht genug der Probleme. Neben den Systemen, die direkt mit dem Internet verbunden und daher aus der Ferne erreichbar sind, sind offene Bluetoothschnittstellen oder Wifi-Adapter weitere Einfalls-Tore. Aber auch für sie braucht der Angreifer eine gewisse physische Nähe zum Fahrzeug. "Je vernetzter die Fahrzeuge werden, desto realistischer ist das Szenario von Cyberangriffen auf den Straßengüterverkehr", blickt TÜV-Mann Westermann voraus. Auch Softwareupdates für Lkw, die ohne Schutzmaßnahmen over the Air erfolgen, können manipuliert werden, beschreibt BlackBerry-QNX-Sicherheitsexperte Zimmer eine Angriffsmöglichkeit. Ein anderer gängiger Weg von Hackern ist es, eine bei einem Hersteller publik gewordene Schwachstelle auch bei anderen Herstellern auszuprobieren. Das erfolgt in der Hoffnung, dass sie andernorts noch nicht gefixt ist. Daher schweigt die Branche erfolgreiche Hacks gerne tot. Um über die Gefahren selber up to date zu bleiben, tauschen sich die Lkw-Bauer über das Thema Cybersicherheit in Konsortien wie dem Auto-ISAC aus (Information Sharing and Analysis Center). Bei all den Gefahren, ein moderner Truck hat laut Mercedes-Benz weit über 50 Steuergeräte an Bord, gibt es auch gute Nachrichten. Flottenbetreiber und Fahrer müssen wegen der potenziellen Bedrohung nicht in operative Hektik verfallen. "Lkw haben keine Firewall oder Antivirensoftware, wie wir sie vom PC kennen. Fahrer und Flottenbetreiber müssen diese also weder installieren noch bedienen", weiß Westermann. Diese Schutzeinrichtungen würden durch den Hersteller integriert, wenn sie benötigt werden. Zwei Dinge können Flottenbetreiber und Fahrer aber doch zur Sicherheit beitragen. Zum einen vorhandene Updates auch tatsächlich installieren, so bleiben die Systeme aktuell und erhalten Fixes für entdeckte Schwachstellen. Als Zweites den Aspekt IT-Sicherheit als Teil in ihre Anforderungen bei der Fahrzeugbeschaffung aufnehmen. "Da müssen Fahrer und Betreiber die Hersteller in die Pflicht nehmen, für Schutz vor Hackern zu sorgen, und sich erklären lassen, wie die Systeme und deren Updates gesichert sind", rät Zimmer. "Ein Plus an Sicherheit wird es nicht für umsonst geben", stellt QNX-Mann Zimmer klar. Wie sich das auf den Preis auswirkt und welche Service-Modelle die Hersteller dazu anbieten, sei noch offen. Es sei vorstellbar, dass Hersteller Updates für x Jahre in den Preis inkludieren. Danach könnte es sein, dass für weitere Jahre mit Updateversorgung eine Servicegebühr anfällt. Hilfe naht vom Gesetzgeber, der ebenfalls die Hersteller in die Pflicht nimmt. Die Zauberformel heißt UN ECE WP.29. Auch die Hersteller mühen sich um mehr Cybersicherheit. Alle OEM versichern unisono sich an die Vorgaben der WP.29 zu halten. Dann heißt es künftig nur noch: "Wir haben versucht Ihren Lkw zu hacken :-( ". In Kürze Cyberkriminalität durch Hacker trifft nicht nur Pkw, sondern wird zunehmend auch für Lkw gefährlich. Deren Schutz ist zwar schwierig, wird aber künftig besser. Ähnlich wie vor Ladungsdiebstahl wird es auch vor Hackern keine absolute Sicherheit geben. Aber es gibt Wege, ihnen ihr Handwerk schwer zu machen. Online - So wird Ihr Lkw Hacker-sicher Auf unserer Profi-Plattform VerkehrsRundschau plus haben wir gratis für Verkehrs-Rundschau-Abonnenten erklärt, was hinter der UN ECE WP.29 steckt und wie die Hersteller ihre Lkw sichern. www.verkehrsrundschau.de/plus/cybersecurity

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