Halbe Fahrt voraus

Jetzt liegt er also auf dem Tisch, der Masterplan Binnenschifffahrt. Mitte Mai hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) das Papier nun endlich vorgestellt. Durch die im Masterplan vorgesehene personelle Aufstockung der Behörden würden Infrastrukturmaßnahmen wie die Sanierung von Schleusen schneller vorangehen, nennt Boris Kluge, Geschäftsführer des Bundesverbandes Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB), einen Vorteil. "Hier werden wir in zwei bis drei Jahren echte Fortschritte sehen", erwartet Kluge. Auch dass Zukunftsthemen wie die Anbindung der Binnenschifffahrt an das schnelle Mobilfunknetz 5G oder autonome Schiffe berücksichtigt würden, hebt Kluge lobend hervor. Bei den Unternehmen kommt das Papier ebenfalls gut an, zumindest grundsätzlich. Ob es das Binnenschiff schnell wettbewerbsfähiger macht, wird jedoch von vielen bezweifelt. "Der Plan kommt im Prinzip 20 Jahre zu spät", sagt Hendrik Stöhr, Prokurist bei Deymann in Haren (Ems), eine Reederei mit 35 Tank- und Containerschiffen. Der Praktiker kritisiert die langen Zeithorizonte für die Maßnahmen: "Bis eine neue Schleuse genutzt werden kann, vergehen 15 bis 20 Jahre. Was machen wir bis dahin?" Er hat täglich mit der schlechten Infrastruktur zu kämpfen, etwa am Wesel-Datteln-Kanal. Weil die Schleusen hier marode sind, haben Schiffe, die den Chemiepark Marl versorgen, bis zu einem halben Tag Verspätung. "Das beeinträchtigt auch den Kunden." Konkrete Vorschläge wie zu diesem Kanal finden sich nicht im Masterplan. Mehr Aussagen zu Infrastrukturmaßnahmen fordern auch die Binnenhäfen. "In Sachen Abladeoptimierung hätte ich mir mehr Konkretes gewünscht", sagt Jan Sönke Eckel, Geschäftsführer der RheinCargo, einem Unternehmen der Häfen und Güterverkehr Köln und der Neuss-Düsseldorfer Häfen. Vor allem das Vertiefen der Fahrrinne zwischen Duisburg und Stürzelberg müsse schnell angegangen werden. "Wenn wir letztes Jahr schon die Fahrrinnenoptimierung gehabt hätten, wäre der wirtschaftliche Schaden durch das Niedrigwasser etwa ein Drittel geringer gewesen", gibt Eckel zu bedenken. Er bemängelt wie andere, dass im Masterplan zu viel nur angekündigt wird. Tatsächlich dominieren in dem Dokument Worte wie "prüfen" oder "Prüfung" (27-mal) und "anstreben" (fünfmal). Finanzielle Zusagen über laufende Maßnahmen hinaus: Fehlanzeige. Reeder Stöhr kritisiert die Ankündigung, neue Planstellen in der Wasserschifffahrtsverwaltung einzurichten. "Warum kann man hier nicht mit freien Ingenieurbüros zusammenarbeiten?" Dagegen wendet BÖB-Geschäftsführer Kluge ein, dass auch solche Auslagerungen ausgeschrieben werden müssten, was viel Zeit kostet, zum Beispiel wenn unterlegene Büros den Rechtsweg einschlagen. "Außerdem gibt es auch bei Planungsbüros Engpässe", so Kluge. Einigkeit herrscht in der Branche darüber, dass beim Umweltschutz mehr getan werden muss. Binnenschiffe stoßen laut Umweltbundesamt mehr Feinstaub und Stickoxide (NOx) aus als andere Verkehrsträger. Entsprechend positiv wird die Ankündigung bewertet, weiter die Erneuerung von Motoren zu fördern. Stöhr gibt jedoch zu bedenken, "dass die neuen Förderrichtlinien für Reeder und Partikuliere wirtschaftlich zu erfüllen sein müssen". Über allem schwebt natürlich eine Frage: Gelingt es, mit dem Masterplan den Verkehrsträger Binnenschiff wieder attraktiver zu machen? Der Verkehrsminister hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2030 soll das Binnenschiff einen Anteil von zwölf Prozent am transportierten Güteraufkommen haben. Aktuell liegt der Wert bei 7,8 Prozent. Bei der Frage, ob das klappen wird, zeigen viele Daumen nach unten. "Dafür dauern die Infrastrukturmaßnahmen zu lang", so Stöhr. Dabei hätte der Staat durchaus Möglichkeiten, das Binnenschiff schnell attraktiver zu machen. "Man könnte zum Beispiel eine Öffnung der 44-Tonnen-Regel testen", sagt Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB). Wenn im Vor- und Nachlauf zu den Binnenhäfen das zulässige Höchstgewicht bei Lkw von 40 auf 44 Tonnen erhöht würde, könnte der Verkehrsträger Wasser davon sofort profitieren. Zudem, sagt Schwanen, könne der Staat mehr für Innovationen in der Binnenschifffahrt tun: für alternative Kraftstoffe, flacher gehende und kleinere Schiffe zum Beispiel. "Es kann nicht sein, dass im Masterplan nur die Prüfung eines Forschungsprogramms steht", mahnt Schwanen Verbesserungen an. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Binnenschifffahrt" www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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