Frischelogistik - ein cooles Thema

Neue Trends in der Frucht- und Lebensmittellogistik spürt das Speditionsunternehmen Heuer Logistics früher als andere Branchenbetriebe. In den Seehäfen Bremerhaven und Hamburg bietet der Dienstleister fast alle Logistikservices mit Temperaturführung für Importeure und Exporteure an. Osteuropa bietet Wachstumspotenzial 2016 stellte Jan Zobel, Speditions- und Vertriebsleiter bei Heuer Logistics, stark wachsende Importe aus Ländern außerhalb der EU fest. Vor allem die Türkei und Marokko, aber auch Israel, Kolumbien und Südafrika haben, resümiert der Marktkenner, über die Nordseehäfen deutlich mehr Frischeprodukte als im Vorjahr eingeführt. "Im Gegenzug wächst das Interesse vor allem im Nahen und Fernen Osten an europäischem Obst und Gemüse", beobachtet Zobel. Und der schwache Euro kann diesem Trend möglicherweise auch in diesem und im kommenden Jahr weiter Auftrieb geben. "Während die westeuropäischen Märkte gesättigt sind und allenfalls für Nischenprodukte Wachstum bieten, dürften die osteuropäischen Märkte infolge des steigenden Wohlstands der Bevölkerung weiter expandieren", erwartet der Vertriebschef von Heuer Logistics. Das könnte manche kleinere und mittlere Branchenbetriebe motivieren, gerade jetzt in die Frische- und Lebensmittellogistik einzusteigen. Die Hürden sind freilich hoch: Viele Produkte müssen mit durchgängiger Kühlung vor dem Verderben geschützt werden. Für Obst, Gemüse, Molkereiartikel und andere Frischeprodukte sollten die Transport- und Lagertemperaturen zwischen zwei und acht Grad Celsius betragen. Für Tiefkühlprodukte sind mindestens minus 18 Grad Celsius vorgeschrieben. Mit Ausgaben für Mehrkammerfahrzeuge und Temperaturaufzeichnungsgeräte ist es freilich nicht getan. Jedes Unternehmen, das Lebensmittel transportiert, muss sich in "seinem" Bundesland registrieren lassen und außerdem den zahlreichen Zertifizierungswünschen der Auftraggeber Rechnung tragen. "Am meisten wird derzeit das Regelwerk des International Food Standard (IFS) Logistics nachgefragt", erzählt Roger Schwarz, Geschäftsführer von Transfrigoroute Deutschland. Hygiene und Rückfolgbarkeit Mit diesem Standard lässt die Lebensmittelindustrie sämtliche Dienstleistungen entlang einer Supply Chain in allen Temperaturklassen auditieren. Für viele Hersteller und Händler ist außerdem selbstverständlich, dass ein Logistikdienstleister nach den Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen DIN ISO 9001 und DIN ISO 14001 zertifiziert ist. Wenn er Obst und Gemüse transportiert beziehungsweise lagert, muss er ein besonderes QS-Prüfzeichen tragen. Damit können Hygieneanforderungen und Rückverfolgbarkeit kontrolliert werden. Neue Chancen dank E-Commerce Wer diesen Aufwand nicht scheut, kann in einem weiteren vielversprechenden Markt Fuß fassen. Die vielen E-Commerce-Projekte, die Einzelhandelsketten und Logistikkonzerne für Lebensmittel inklusive Kühl- und Frischeprodukten planen, eröffnen mittelständischen Dienstleistern vielfältige Chancen. Der Vorstoß von Amazon, mit KEP-Diensten wie Interkep und System Logistik München den hauseigenen Lebensmitteldienst auf Touren zu bringen, hat hellhörig gemacht. Mancher Rivale ist schon gestartet. Die DHL-Tochter Allyouneed zum Beispiel. Sie bietet auch Lebensmittel an, in Nürnberg läuft derzeit ein Pilotprojekt für Same-Day-Lieferungen. Für Frische- und Tiefkühlprodukte setzt DHL Multiboxen ein, die die Innentemperaturen mit Kühlakkus oder Isolierwänden bis zu 48 Stunden stabil halten. Wenn die Waren ausgeliefert worden sind, DHL spricht von einer Erfolgsquote "nahe 100 Prozent" beim ersten Versuch, nimmt der Zusteller die Box einfach wieder mit. Mit vergleichbaren Lösungen dürften auch die Wettbewerber in den Markt gehen. In den Startlöchern steckt offenbar Lidl Express. Der Discounter will mit Zustelllösungen allerdings noch warten. Geplant ist laut "Lebensmittelzeitung" die Eröffnung eines Web-Shops auf Click & Collect-Basis. Das heißt, der Kunde bestellt Lebensmittel online und holt diese dann in einem stationären Markt seiner Wahl ab. Die Logistikumsätze im Online-Lebensmittelmarkt sind noch kaum messbar. Branchenkenner gehen jedoch von einem schnellen Wachstum aus. "Wie die Pizzalieferdienste werden sich auch Online-Lebensmittelhändler zuerst in den Städten durchsetzen, weil hier die Nachfrage gebündelt auftritt, die Distanzen zwischen den Zustell-Stopps niedrig sind und somit die Produktivität der Touren stimmt", sagt Martin Schwemmer von der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS). Den Nürnberger Logistikwissenschaftlern zufolge werden jährlich rund 17,8 Milliarden Euro (2016) in der Lebensmittelkontraktlogistik umgeschlagen. Rund 40 Prozent davon steuern Lösungen für Frische- und Tiefkühlprodukte bei. In diesen Zahlen sind allerdings Ladungsverkehre nicht berücksichtigt. Der Verband Deutscher Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen (VDKL) meldet ebenfalls ein Wachstum für temperaturgeführte Logistik. Die über 70.000 Mitarbeiter der Mitgliedsunternehmen fuhren 2015 einen Umsatz von 14,9 Milliarden (2014: 14,8 Milliarden) Euro ein. In diesen Zahlen sind allerdings auch Lösungen für Pharma-, Chemie und andere temperaturgeführte Produkte enthalten. Das Gesamtlageraufkommen der Branche betrug 2015 knapp 3,22 Millionen (2014: 3,15 Millionen) Europaletten, die Fuhrparks mit über 100.000 ziehenden und gezogenen temperaturgeführten Einheiten bieten insgesamt 1,2 Millionen Tonnen Ladekapazität. Für die kommenden Jahre rechnen Experten mit zusätzlichen Lagern und Lkw. "Das Angebot an Frischeartikeln steigt", stellt Christian Kille, Professor für Handelslogistik an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, fest. "Viele Märkte bieten neuerdings auch Obstsalate, Sushi und andere Produkte für den kurzfristigen Verzehr an, die wegen ihrer geringen Haltbarkeit mehrfach am Tag geliefert werden müssen." Bedarf an Dienstleistern steigt Dementsprechend steigt auch die Nachfrage nach stadtnahen Lieferdepots. So hat Metro 2016 in Berlin und drei anderen Städten 4000 bis 5000 Quadratmeter große Standorte mit Lagerräumen für Tiefkühl-, Frische- und "Ultrafrische"-Produkte eröffnet, die mit Online-Bestellsystemen und anderen Digitallösungen stationäre Märkte sehr kurzfristig mit Kühl- und Frischeprodukten versorgen können. Für die Transporte will Metro auch externe Unternehmen einsetzen, die auf Lebensmittel spezialisiert sind und "hohen Qualitätsanforderungen" genügen müssen. So fordert der Konzern Gefahrenanalysen auf Basis des HACCP-Regelwerks beziehungsweise der Lebensmittelhygiene-Verordnung. Da mit den Depots gebündelte Zustellungen seltener werden, sehen sich große Logistikkonzerne herausgefordert. "Der Verlust von Synergien führt zwangsläufig zu Kostensteigerungen", warnt Alfred Miller, Geschäftsführer von Dachser Food Logistics. Mit Konzepten, wie sie Metro umsetzt, steigt auch der Bedarf an kontinuierlich überwachten Supply Chains. Wenn möglich, sollen Früchte und Gemüse bereits ab der Ernte in den Erzeugerstandorten durchgehend kontrolliert werden. Solche Services können Branchengrößen wie Nagel Group, DB Schenker, DHL, Dachser und Hellmann garantieren. Da sie außerdem alle Services von Frachtraumbuchungen über Warenkonfektionierungen bis hin zu Verteilerverkehren anbieten, melden sie seit Jahren Zuwächse in der temperaturgeführten Logistik. Newcomern bleibt der Weg in die Nische Newcomern dürften deshalb wohl nur Nischenmärkte übrig bleiben, die noch nicht von Spezialisten wie dem Systemgastronomielogistiker Meyer oder Tiefkühllogistiker Nordfrost besetzt worden sind oder die die Verlader noch mit eigenen Verkehren bedienen. "Solche Kunden trauen den großen Netzen nicht die notwendigen Value Added Services für ihre empfindlichen Waren zu", sagt Kille. Viel mehr Spielräume dürfte der E-Commerce-Markt eröffnen. "Hier können über KEP-Dienste hinaus auch klassische Logistikdienstleister als regionale Partner von nationalen oder internationalen Handelsfirmen Fuß fassen", urteilt er. Manche Betriebe haben das schon aufgegriffen. So bietet Schober Logistik, Weinstadt, E-Commerce-Lösungen mit Webshop-Konzeptionen, Fulfillment und Retourenmanagement. Über ein Partnernetz werden Pakete verschickt. "Wir sind für diesen Markt gut gerüstet", sagt Geschäftsführer Steffen-Kai Schober. Für ihn ist es der zweite Anlauf in der Lebensmittellogistik. Einmal hat es nicht geklappt. Heute fährt er unter anderem Ladungsverkehre für Dachser. Die Herausforderung sei groß, sagt Schober. "Der Logistiker muss mit dem Kunden auch über das normale Maß hinaus wachsen", sagt Miller. "Ein Flop bei einer Umstellung kann existenzielle Folgen für diesen haben." Mehr zum Thema im Dossier Handelslogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Branchenporträts In unserer Serie analysieren wir verschiedene Branchen, deren Stärken und Schwächen und die Trends. Die Serie im Überblick:- VR 50: Chemielogistik- VR 51/52: Handelslogistik- VR1/2 Möbellogistik- VR 3/4: Automobillogistik- VR 5: Lebensmittellogistik- VR 6: Bau- und Entsorgungslogistik- VR 7: Stahllogistik- VR 8: Pharmalogistik- VR 9: Maschinen- und Anlagenbau Tipp Was in der Lebensmittellogistik wichtig ist -> Handelsanlieferungen: Kurzfristige Promotionaktionen haben großen Mengenschwankungen zur Folge. Halten Sie immer Transportressouren bereit.-> Rampenwartezeiten: Trotz Zeitfensterlösungen müssen für Handelslager lange Wartezeiten kalkuliert werden. Holen Sie vor Neuaufträgen genaue Erkundigungen im Markt. Vor allem Sammelgutverkehre können schnell unrentabel werden.-> E-Commerce: Viele Endkunden legen Wert auf Wunschzeitfenster in den Abendstunden: Engagieren Sie Fahrer, die flexibel sind.-> Internationale Märkte: Politische Einschnitte in den Zielländern wirken sich erst mit Zeitverzögerung aus. So kann derzeit niemand die Folge des Brexit einschätzen.bot

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