EU-Streitfrage: Wie klimafreundlich sind Lang-Lkw?

Dieselbe Frachtmenge mit weniger Fahrten befördern und die Anschaffung von E-Lkw ankurbeln - das sind zwei Vorhaben, die sich mit den Plänen der EU-Kommission für eine Neufassung der Vorschriften für Maße und Gewichte von Lkw im Rahmen ihres Maßnahmen-Pakets für einen umweltverträglicheren Güterverkehr ("Greening Freight Package") verbinden. Eine aktuelle Entscheidung des Verkehrsausschusses des Europäischen Parlaments hat dem anhaltenden Streit über diese Themen neue Nahrung gegeben. Dieser sprach sich Mitte Februar unter Auflagen für sogenannte Gigaliner oder Megatrucks aus - bis zu 25 Meter lang und 60 Tonnen schwer, was die jetzigen Grenzwerte um etwa neun Meter und 20 Tonnen übertrifft. Zugleich hieß der Ausschuss die Absicht der EU-Kommission gut, E-Lkw vier Tonnen Gewicht mehr zu gönnen - wegen der Schwere ihrer Batterie. Der mit beträchtlicher Mehrheit gefasste Beschluss soll den grenzüberschreitenden Einsatz von Gigalinern erleichtern - unter Beachtung der jeweiligen nationalen Bestimmungen. Der Ausschuss sprach sich für Prüfungen der Belastung von Straßen, Umwelt und Verkehrs-sicherheit aus sowie für eine neue Kennzeichnungspflicht für überlange Transporte, die es anderen Verkehrsteilnehmern möglich macht, Überholmanöver besser einzuschätzen. Ärger vorprogrammiert Ein sofortiger Aufschrei folgte. Die grüne Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg entsetzte sich darüber, "dass die Monsterdinger in der ganzen EU über die Straßen kriechen sollen". Es handle sich um eine "Antiklima-Investition". Armin Riedl, Geschäftsführer der Frankfurter Kombiverkehr KG, Schienenoperateur für intermodale Verkehre in Europa, gab im Gespräch mit der VerkehrsRundschau zu bedenken: "Die Grundidee der Kommission beim Greening Freight Package war, dass Klimaschutz im Verkehrssektor nur gemeinsam und verkehrsträgerübergreifend funktionieren kann." Deshalb sei es "sehr schade, dass jetzt nur bei Maßen und Gewichten vorangegangen wird". Zu befürchten sei, dass dadurch das Ungleichgewicht zwischen Straße und Schiene verstärkt, vielleicht sogar einer Rückverlagerung Vorschub geleistet werde - "mit negativem Effekt für das Klima". Die EU-Kommission argumentiert genau umgekehrt: "Um den intermodalen Verkehr zu fördern, bei dem Güter mit zwei oder mehr Verkehrsträgern, aber mit einer standardisierten Ladeeinheit (wie zum Beispiel einem Containeranhänger oder anderen) befördert werden, dürfen Lkw, Anhänger und Sattelauflieger ein zusätzliches Gewicht befördern." Gegner von Gigalinern machen seit Längerem geltend, dass diese Geschäft von der Schiene abziehen würden und damit keinesfalls klimaschonend seien - eher das Gegenteil. Doch bei einer Fachtagung der Europäischen Kommission in Brüssel meldete sich Alan McKinnon, Professor an der Kühne Logistik Universität in Hamburg, mit der Einschätzung zu Wort, es gebe durchaus Anhaltspunkte dafür, dass längere Anhänger in der Gesamtsicht Kohlendioxid-Einsparungen möglich machten. Die Belege dafür nähmen rund um die Welt zu, sagte er der VerkehrsRundschau auf Nachfrage. Er empfiehlt daher, einschüchternd klingende Begriffe wie Megatruck oder Gigaliner gegen die Bezeichnung "Öko-Kombi" auszutauschen. Leidet die Infrastruktur? Die Bedenken gegen Gigaliner gehen freilich über den Streit um ihre Kohlen-dioxid-Bilanz hinaus. Der EU-Ausschuss der Regionen (AdR) hält "substanzielle Herausforderungen und Kosten für Regionen und Städte" für möglich. Sie müssten ihre Straßeninfrastruktur deutlich an die längeren Fahrzeuge anpassen. Auch dass die österreichische Regierung wenig von Gigalinern hält, ist ebenso wie Warnungen aus der Schweiz bekannt: Autobahn-Brücken, Tunnels und Kurven seien in den beiden Alpen- und Transitländern nicht auf die Maße solcher Lastwagen ausgerichtet. In Schweden, Finnland und den Niederlanden rollen die längeren und schwereren Gefährte indes schon seit einiger Zeit; in Deutschland sind sie auf Teilen des Streckennetzes zugelassen, etliche weitere EU-Länder sind für die Erprobung aufgeschlossen. Das EU-Parlament wird voraussichtlich im März über Maße und Gewichte im Güterverkehr abstimmen. Die Verkehrsminister der EU sind sich bei dem Thema bisher uneinig. Mehr Gewicht für "Stromer" Sofern die Neudefinition von Gewichtsgrenzen für Lkw der Elektrifizierung des Güterverkehrs auf der Straße dienen soll, hat der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments nun auch diese Vorstellungen der EU-Kommission gutgeheißen: vier Tonnen mehr, damit das beträchtliche Gewicht der Batterie nicht auf Kosten der Ladung geht. Der Kollaps ganzer Brücken ist dadurch wohl nicht gleich zu befürchten. Doch wird in der Kommission schon zugegeben, dass ihr E-Konzept für den Schwerverkehr noch Schwachstellen aufweist. So werde der Ausbau einer europaweiten Ladestruktur für Lkw keine Kleinigkeit. Professor McKinnon jedenfalls ist durchaus dafür, Busse und Lkw zu elektrifizieren. Er findet, die anspruchsvolle Technik und die für sie benutzten knappen Rohstoffe würden in ihnen wegen der hohen Fahrleistung besser ausgenutzt als in Pkw. Dazu merkte er an: Sein eigenes E-Auto, vor drei Jahren angeschafft, stehe eigentlich ja überwiegend nur herum.

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