Brüssel. Die EU-Mitgliedsstaaten haben unterschiedliche Vorstellungen, wie schnell der neue digitale Tachograph nach Verabschiedung neuer EU-Vorschriften in LKW eingebaut werden soll. Deutschland steht mit seiner Vorstellung allein, eine möglichst lange Umstellungsphase zu beschließen. Ein von der polnischen EU-Ratspräsidentschaft vorgelegter Kompromiss sieht die verpflichtende Ausstattung für alle Fahrzeuge vor, die 40 Monate nach der Verabschiedung der technischen Vorschriften das erste Mal zugelassen werden. Nach derzeitigen Berechnungen würde dieser Zeitpunkt in die erst Hälfte 2018 fallen.
Einige Mitgliedsstaaten, darunter Italien und Frankreich, plädieren für einen Einbau schon nach 30 Monaten. Deutschland bevorzugt 48 Monate. Dadurch wäre es einfacher zu vermeiden, dass technisch nicht ganz ausgereifte Geräte zum Einsatz kämen, begründete Bundesstaatsminister Karl-Dieter Scheurle gestern auf dem Treffen der EU-Verkehrsminister in Brüssel. Mit dem Kompromiss könne man aber leben.
Enttäuscht zeigte sich EU-Verkehrskommissar Siim Kallas von dem polnischen Kompromissvorschlag. Betrug mit Tachographen sei verbreitet. Deshalb sei es wünschenswert, die Fahrzeuge so schnell wie möglich mit den neuen Geräten auszustatten. Die Pläne der EU-Kommission sehen eine Einführung für Beginn 2017 vor.
Scheurle warb bei der gestrigen Aussprache erneut für den deutschen Vorschlag, die Ausnahmeregelung für den Einbau von Tachographen zu ändern. Unternehmen, die nicht hauptberuflich mit LKW unterwegs seien und sich nur gelegentlich bis höchstens 150 Kilometer von ihrem Firmensitz entfernten, sollten nicht zum Einbau eines Digi-Tachos verpflichtet werden. Malta unterstützte als einziges Land diese Idee. Zurzeit gilt diese Ausnahme für einen Radius von 50 Kilometern.
EU-Verkehrskommissar Siim Kallas sprach sich ausdrücklich gegen diese Ausweitung aus. Im Sinne der Straßenverkehrssicherheit könne die EU-Kommission einen solch weiten Radius nicht akzeptieren. Die 100 Kilometer, die der Vorschlag der EU-Behörde vorsieht, würden vollkommen ausreichen.
Scheurle zeigte sich nach der Aussprache jedoch zuversichtlich, dass es dennoch Chancen für die deutsche Position gebe. In einer internen Untersuchung hätte die EU-Kommission die Machbarkeit einer Ausnahmeregelung von 150 Kilometern getestet und sei zu positiven Ergebnissen gekommen. Auch die Stoiber-Gruppe, die bei der EU-Kommission den Bürokratieabbau in EU-Gesetzen vorantreiben soll, habe sich für 150 Kilometer ausgesprochen. „Das geht alles in die richtige Richtung", sagte Scheurle.
Über die neuen Regeln für den Tachographen müssen sich der EU-Ministerrat und das EU-Parlament in den kommenden Monaten einigen. (kw)