Erfolg

In weltweit rund 110 Länder exportiert Wincor Nixdorf, Hersteller von Geldautomaten und Transaktionsterminals, seine Produkte. Als das Paderborner Unternehmen seine Ersatzteillogistik modernisierte, musste es also für viele Märkte besondere Lösungen konzipieren. Schnelligkeit zahlt sich aus "Wir steuern diesen Teilbereich mit standardisierten IT-Prozessen auf Basis von weltweiten Netzen", führt Logistikchef Rainer Vogel aus. "Allerdings müssen wir für jedes Land mit regionalen Fachkräften individuelle Konzepte für die Beschaffung und Supply Chain Planung sowie das Reparaturmanagement entwickeln", erklärt er die Anforderungen. Im Einzelfall könne sich dies also über Monate oder sogar ein ganzes Jahr hinziehen. Rund 18 Monate benötigte Wincor Nixdorf zum Beispiel 2012/13 für den Aufbau eines Russlandnetzes. Vom globalen Logistikzentrum in Düren werden dafür nun Ersatzteile zum Landeslager in Moskau und weitere regionale Stützpunkte umgeschlagen. Anschließend müssen KEP-Dienstleister die Komponenten in "Pick-up- & Drop-off-Stationen" (Pudo) hinterlegen. Das können Tankstellen, Postboxen und andere Standorte sein, die möglichst rund um die Uhr für den Servicetechniker zugänglich sind. Ist dieser via E-Mail über den Wareneingang informiert, steht einer schnellen Abholung und Montage nichts mehr im Wege. Das Beispiel zeigt die Chancen, die die Nische Ersatzteillogistik auch für kleinere und mittlere Zustelldienstleister eröffnet. Vor allem die Hersteller von hochwertigen Investitionsgütern sind auf solche Zustellservices angewiesen. Wenn deren Kunden Ersatzteile ordern, ist immer besondere Eile geboten. Egal ob Hersteller mit kaputten Maschinen, Telekommunikationskonzerne mit defekten Netzanlagen oder Landwirte mit liegen gebliebenem Gerät zu kämpfen haben: Je länger sich die Reparatur hinzieht, desto größere Umsatzverluste drohen. Umsatzbringer extra-eilige Aufträge "Wenigstens für Deutschland und das europäische Ausland müssen Komponenten am selben Tag zugestellt werden oder zumindest overnight, sofern erst am Nachmittag bestellt werden kann", weiß Björn Schweiger, Ersatzteillogistik-Experte vom Fraunhofer Institut für Materialfluss & Logistik (IML) in Dortmund. Aber auch Kunden, die in abgelegeneren Regionen sitzen, benötigen möglichst schnelle Zustellungen. Genau das birgt Erfolgschancen, auch für kleinere KEP-Betriebe. Denn stimmt das Kosten-Nutzen-Verhältnis, lassen sich Zielorte in Deutschland und im grenznahen Ausland mit Direktfahrten erreichen - ein Geschäft, das seit Jahren zulegt. Fast täglich vergeben Hersteller solche extra-eiligen Aufträge an KEP-Firmen wie EF Express, Intime und Marway Europe, die einen großen Teil ihres Umsatzes mit Ersatzteil-Direktzustellung machen. Große Netze häufig zu unflexibel Für die Auslieferung in entferntere europäische oder auch außereuropäische Destinationen setzen Hersteller hingegen schwerpunktmäßig auf die Netzwerke der internationalen Express-Größen. Deren Hub-and-Spoke-Lösungen garantieren allerdings nicht immer den schnellsten Transport. Manche Auftraggeber sind deshalb an spezifischen Lösungen interessiert, die den weiten Entfernungen, der schwierigen Geografie, schlechten Infrastruktur und regionalen Besonderheiten Rechnung tragen. Gerade für kleine mittelständische KEP-Unternehmen tut sich hier ein interessanter Markt auf. "Die großen Express- und Paketdienste reagieren auf die wachsenden Kundenansprüche bei Ersatzteillieferungen häufig zu langsam und unflexibel", sagt Reinhard Klausner, Geschäftsführer des oberbayerischen Dienstleisters Logistik Service Individuell (LSI) in Kirchheim. Ein Beispiel dafür sind die bestehenden Polen-Netze. Die meisten internationalen KEP-Unternehmen haben in Warschau ein Hub aufgebaut. Allerdings kann über das weit im Osten gelegene Warschau der Westen und Süden des Landes von Deutschland aus nur mit großen Zeitverzögerungen erreicht werden. Für das Netz, das Klausner mithilfe von rund 30 Subunternehmen aufgebaut hat, gilt dies nicht. Jeden Abend um 19 Uhr starten von den deutschen LSI -Stützpunkten Frankfurt/ Main und München aus Verkehre zum polnischen Hub in Wroclaw (Breslau). Von dort aus brechen frühmorgens Anschlussverkehre nach Stettin, Danzig, Warschau und Krakau auf. Auch weit entfernte Städte in Ostpolen oder an der Ostsee kann Klausner mit seinem Unternehmen damit trotz schwieriger Verkehrsinfrastruktur bis 14 Uhr erreichen. Mit noch schnelleren Zustellungen punktet der Logistikdienstleister BDA. Das im Jahr 2007 gegründete Unternehmen hat sich auf Ersatzteillieferungen nach Großbritannien und Irland spezialisiert (siehe Kasten unten). Jeden Abend starten in Frankfurt/ Main und Maastricht BDA-Flugzeuge zum firmen-eigenen Hub in Coventry. Ab 22.30 Uhr übernehmen dort Innight-Dienstleister die weitere Beförderung auf Straßen beziehungsweise Irland-Fähren zu 86 Destinationen, die die örtlichen Verteilerverkehre organisieren. "Spätestens um 8.30 Uhr ist also die flächendeckende Zustellung abgeschlossen", erzählt BDA-Development Director Germany Matthias Wellbrock. Volle Auftragsbücher Auch Wellbrock profitiert mit seiner Geschäftsidee letztlich von den Schwächen der großen Netze. Denn über die zentralen Hubs der großen Expressnetze in London oder den Midlands können periphere Regionen nicht annähernd gleich schnell erreicht werden. Entsprechend volle Auftragsbücher vermelden BDA und LSI. "Unsere Overnight-Transporter sind fast jeden Werktag ausgebucht", freut sich Klausner. Seit Kurzem nutzt auch ein bekannter Nachtexpressdienstleister das LSI-Angebot für Polen. Und Klausner baut weitere Verkehre auf: Seit Frühjahr 2014 beispielsweise nach Kroatien. Interessante Wachstumspotenziale Im Geschäft mit Ersatzteilen melden auch KEP-Dienste ohne eigene Netze steigende Umsätze. Denn die florierende Konjunktur der letzten Jahre hat vielen Herstellern von Konsum- und Investitionsgütern kräftige Umsatzsteigerungen beschert. Vor allem der Export boomte: Und je mehr Konsum- und Investitionsgüter verkauft werden, desto mehr Wartungen und Instandhaltungen fallen naturgemäß an. Fast jeder Hersteller muss steigende Lagervolumina für Ersatzteile einplanen. Allenfalls in ferner Zukunft könnte der 3D-Druck das Ersatzteillogistik-Geschäft überflüssig machen. "Wenn der Kunde Ersatzteile selbst produzieren kann, wird dies die Lieferketten entlasten und Kosten reduzieren", prognostizierte zum Beispiel Andreas Baader, Partner der Unternehmensberatung Barkawi Management Consultants, unlängst auf einem Kongress der Bundesvereinigung Logistik (BVL). Voraussichtlich ab 2020 werden solche Szenarien flächendeckend Realität sein, schätzt Logistikexperte Baader. Bis dahin aber werden klassische Transport- und Lagerdienstleistungen für Ersatzteile weiterhin florieren. Denn viele Hersteller müssen weiterhin ihre Ersatzteillogistik optimieren, indem sie Services verbessern, Abläufe beschleunigen und Kosten reduzieren. Selbst Logistikdienstleister, die erst jetzt in diesen Markt einsteigen, dürfen sich Chancen ausrechnen (siehe Interview). Allerdings sollte ihr Equipment neuesten technologischen Anforderungen entsprechen. So müssen Fahrer mit Scannern ausgerüstet sein, die in Echtzeit Track-&-Trace-Daten übermitteln. Vor allem für Ersatzteile werden diese erfahrungsgemäß häufig aufgerufen. Zudem ist bei der Zustellung Flexibilität wichtig. So fordern viele Hersteller Innight-Services, die die Komponenten direkt am Einsatzort deponieren. Und natürlich ist Schnelligkeit Trumpf. So mancher KEP-Dienstleister ist in den letzten Jahren in die Luftfracht als "Reglementierter Beauftragter" eingestiegen und ist in dem Segment "Air Charter" und "Onboard-Kurier" (OBC) tätig. "Vor allem OBC werden für Ersatzteillieferungen immer stärker nachgefragt", bestätigt Holger Zulauf, Geschäftsführer der Same-Day-Logistics in Kelsterbach bei Frankfurt. "Manche Kunden wünschen Door-to-Door-Lieferungen auch für einzelne Schrauben, wenn diese für das Funktionieren einer Produktionsanlage unverzichtbar sind." Von einer optimalen Ersatzteillogistik sind viele Hersteller allen Anstrengungen der letzten Jahre zum Trotz aber nach wie vor weit entfernt. Vor allem kleinere und mittlere Maschinen- und Anlagenbauer haben laut Experten Nachholbedarf. Denn die meisten der über 6200 Branchenbetriebe beschäftigen unter 250 Mitarbeiter und fertigen Kleinserien und Einzellösungen an. "Viele bieten bislang nur standardisierte Instandhaltungsservices, die den Kundenbedürfnissen nicht wirklich Rechnung tragen", sagt Fraunhofer-Experte Schweiger. Er rät Dienstleistern, diesen Kunden ihr gesamtes Leistungsportfolio zu offerieren: von Overnight-Transporten über Lagerservices inklusive Verpackung bis hin zu Kommissionierungsaufgaben. Praxislösung bei Lemken Was Verlader Lemken fordert An Ersatzteillogistiker stellt Landtechnik-Hersteller Lemken in Alpen hohe Anforderungen. "Jeder Anbieter sollte dem verantwortlichen Monteur das benötigte Teil am frühen Morgen zustellen", sagt Boris Bröcheler, Lemken-Vertriebsleiter für Ersatzteile. "Dann kann dieser den Termin für den Einbau genau planen."Grundsätzlich favorisiert das Unternehmen Innight-Dienstleister, die vor acht Uhr zustellen und im Idealfall direkten Zugang zum Arbeitsbereich des Monteurs haben. Viel hängt auch vom jeweiligen Markt ab. Lemken exportiert in fast jedes europäische Land sowie in Überseemärkte wie Kanada, Südafrika und USA. "Für die meisten Märkte müssen landesspezifische Lösungen entwickelt werden", betont Bröcheler. Rund ein halbes Dutzend Innight-Dienstleister schlagen daher Lemken-Ersatzteile ab dem Zentrallager in Herten und internationalen Regionallagern um. Für Großbritannien und Irland hat der Hersteller den Ersatzteillogistiker BDA als Partner gewählt. "Wir holen die Ersatzteile um 18 Uhr im zentralen europäischen Ersatzteillager von Lemken in Herten ab und fahren diese zu unserem Air Hub in Maastricht", erläutert BDA-Development Director Germany Matthias Wellbrock."Das Flugzeug landet um 22.30 Uhr Lokalzeit in unserem britischen Hub Coventry. Anschließend werden die Ersatzteile über das BDA-eigene Innight-Netz oder aber Partnernetze bis sieben oder acht Uhr morgens landesweit zugestellt."Weniger aufwendig ist die Zustellung in Frankreich. "Hier verzichten viele Kunden aus Kostengründen auf Innight-Services", sagt Bröcheler. Die meisten Komponenten werden daher über die Hub-and-Spoke-Systeme von konventionellen Expressdienstleistern verschickt. bot

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