Elektrolaster im Praxiseinsatz

Ende 2018 startete MAN die Produktion der Elektroversionen von TGM und TGS im Truck Modification Center am Standort Steyr. Die ersten Fahrzeuge für den Praxistest gingen an österreichische Unternehmen, die sich im CNL zusammengeschlossen haben. Das "Council für nachhaltige Logistik" besteht aus fünfzehn österreichischen Großunternehmen aus den Bereichen Handel, Logistikdienstleistung und Produktion. Ziel sind gemeinsame Schritte hin zu einer nachhaltigen Logistik. Der Praxistest wird mit MAN TGM 6x2-Fahrgestellen mit Kühlkoffern, Getränkeaufbauten beziehungsweise BDF-Konfiguration gefahren, ergänzt durch eine TGS 4x2-Sattelzugmaschine. Neben der technischen Einsatzerprobung spielen Erkenntnisse der für die E-Trucks nötigen Serviceangebote eine große Rolle. Laut MAN stehen die elektrisch angetriebenen TGM und TGS konventionellen Lkw mit Verbrennungsmotor in Sachen Nutzlast in nichts nach. Für den Vortrieb sorgt ein 250 kW (Äquivalent: 340 PS) starker E-Motor. Die Reichweite liegt mit maximal sechs großen Lithium-Ionen-Batterien (SZM nur vier) unter dem Fahrerhaus und längs des Rahmens je nach Einsatz bei bis zu 200 km. Ein Besuch bei den am Praxistest beteiligten Unternehmen zeigt, welche ersten Erfahrungen diese mit der Elektro-Mobilität im Verteilerverkehr bereits gemacht haben. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Elektro-Lkw" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Praxiseinsätze zeigen: Es funktioniert weitgehend problemlos Magna Steyr: E-Lkw gut für Stop-and-go Die Lkw auf und um das Werksgelände der Magna Steyr Fahrzeugtechnik in Graz versorgen Karosseriebau, Lackieranlagen und Montagebänder mit Materialnachschub. Einer davon ist ein weißer MAN TGM 18.360 E. Er transportiert kommissionierte Pkw-Bauteile "just-in-sequence" von einem externen Logistikzentrum direkt an die richtige Stelle in der Fertigung. Dazu pendelt er etwa alle 1,5 Stunden die knapp drei Kilometer lange Strecke zwischen Werk und Lager hin und her. Alfons Dachs-Wiesinger, Director Logistics Services, erläutert: "Die sogenannte letzte Meile im urbanen Gebiet ist unserer Meinung nach der ideale Einsatzzweck für einen vollelektrischen Lkw." Der E-TGM läuft bei Magna an fünf Tagen in der Woche, meistens im Zweischichtbetrieb, mit mehrmaliger Be- und Entladung und sehr kurzen Fahrzeiten. Seit Beginn des Feldversuches hat der E-Truck bis jetzt knapp 10.000 Kilometer zurückgelegt. Das erscheint zunächst wegen der hohen Anschaffungskosten unrentabel. Dennoch zeigt sich genau hier der Vorteil des alternativen Antriebs: Ein herkömmlicher Diesel-Lkw lässt sich auf extremen Kurzstrecken mit geringer Geschwindigkeit und häufigem Stop-and-go nicht so effizient einsetzen wie sein elektrisches Pendant. "Das Feedback aus dem Projektteam sagt mir, dass im Schnitt circa 1,5 Kilowattstunden Verbrauch pro Kilometer anfallen", erklärt Alfons Dachs-Wiesinger, "es ist also eine reine Rechenaufgabe, ab wann sich das rentiert." Hinzu kommt, dass Investitionen in die Ladeinfrastruktur bei Magna gering ausfallen. Die normalen Starkstromanschlüsse an den jeweiligen Schleusen im Werk und eine mobile Ladeeinheit reichen aus, High-Power-Charging ist nicht nötig. Metro: Geladen wird nachts Metro betreibt seit rund 15 Jahren an allen zwölf Standorten in Österreich einen Zustellgroßhandel und beliefert Gastronomie und Hotellerie mit circa 48.000 verschiedenen Artikeln. "Der MAN E-Truck beliefert täglich von Montag bis Freitag zwischen zehn und 15 Großkunden", erläutert Robert Steinbeiss, Senior Department Manager Delivery, Metro. Seit 2017 gibt es in Wien den Metro Express, ein Konzept, bei dem der Großhändler mit kleineren Elektrofahrzeugen Expresszustellung anbietet. Das kam bei den Gastro-Kunden so gut an, dass jetzt der E-Truck die Flotte ergänzt und nach Kalkulation von Metro rund 40 Tonnen CO2 pro Jahr spart. Der MAN E-Truck ist bis Mitte Juni rund 12.000 Kilometer ohne größere Probleme gelaufen. Pro Tag ist er etwa 80 Kilometer unterwegs und geladen wird nachts an einer eigenen 43-kW-Ladestation. An Standzeiten fielen bislang nur die im Vor-.. aus geplanten Servicetermine an. Die Fahrer loben das scheinbar mühelose Anfahren, die deutliche Beschleunigung und das geschmeidige Bremsen. Alles, was man hört, ist die laufende Transportkühlung, kaum lauter als ein Staubsauger. Quehenberger: Zukunft der Citylogistik 600 eigene Fahrzeuge, durchgehend in Euro 6 und in der Heimat ausschließlich mit Biodiesel unterwegs - so präsentiert sich Quehenberger Logistics, österreichischer Marktführer in der Retail Logistik. Die Zukunft der Citylogistik sieht Quehenberger-CEO Christian Fürstaller in der Elektromobilität. Der MAN TGM 26.360 E, den Quehenberger seit Mitte September 2018 testet, ist ein Fahrgestell mit untergefalteter Hebebühne für die Aufnahme von Wechselbrücken und steuert aktuell hauptsächlich Filialen des österreichischen dm Drogeriemarkts im Stadtgebiet von Salzburg an. Bei Fahrer Bernd Stangl ist der MAN E-Truck in erfahrenen Händen. Er ist seit über 20 Jahren Berufskraftfahrer. "Ich finde es spannend, mit meinem durchaus auch mal kritischen Feedback zur Weiterentwicklung des Fahrzeugs beitragen zu können", erklärt der 50-Jährige. Vor dem E-TGM fuhr Stangl einen herkömmlichen MAN. Positiv empfindet er den enormen Vortrieb des E-Lkw. Für die täglichen Touren ist der 26-Tonner E-TGM zwar in der Regel voll ausgeladen, erreicht aber nicht sein zulässiges Gesamtgewicht. "Da kommt man schon sehr ordentlich vom Fleck." Mit der Reichweite von 180 Kilometern hat er keine Probleme, obwohl er einige Ladestellen anfährt und an fast jeder die elektrisch betriebene Hebebühne benutzen muss. Anfang 2019 übernahm Quehenberger Logistics übrigens drei weitere MAN E-TGM. Rewe: Reichweite ist kein Problem Obst, Gemüse, Joghurt - fast alles, was Kunden bei Billa, Penny, Merkur und ADEG in und um Wien täglich einkaufen, kommt aus dem Frischdienstlager von Rewe International in Wien Inzersdorf. Rund 90 Millionen Bestelleinheiten verlassen pro Jahr die riesigen Kühlhallen - seit September 2018 geräuscharm und lokal emissionsfrei mit einem MAN TGM 26.360 E. In der Spätschicht zwischen 15 und 24 Uhr ist Istvan Nemeth mit dem E-TGM unterwegs und liefert in zwei bis drei Touren Waren aus. Der 53-Jährige arbeitet bereits 23 Jahre als Lkw-Fahrer bei der Rewe Group Österreich. "Der E-Lkw reagiert sofort auf jede kleinste Bewegung am Pedal", beschreibt er. Zwischenzeitlich hatte der gelernte Automechaniker allerdings auch die Gelegenheit, Erfahrungen mit den nicht ganz kalkulierbaren Macken eines Prototyps zu machen... "Natürlich ist ein Lkw, der nicht läuft, nicht toll, aber ich denke, es ist gut, wenn etwaige technische Schwachstellen sich jetzt zeigen. Deshalb gibt es doch den Feldversuch." Das Einsatzgebiet des E-TGM umfasst Wien Stadt sowie einen Radius von etwa 50 Kilometern. "Probleme mit der Reichweite hatte noch keiner von uns", beschreibt er. "Gestern zum Beispiel hatte ich knapp 100 Kilometer, immer Hebebühneneinsatz, viel Kühlleistung und trotzdem noch gute 40 Prozent des Akkus übrig." Mit dem E-Lkw möglichst wirtschaftlich zu fahren, ist ein Ansporn für den Fahrer. Wenn er den Truck zum Schichtende an die 150-kW-Hochleistungsladesäule anhängt, trägt der Testfahrer Verbrauch, Reichweite, gefahrene Kilometer und Anmerkungen zu technischen Dingen penibel in eine Übersicht ein. Mit zwei Fahrern hat der E-TGM inzwischen über 20.000 Testkilometer gesammelt. In der Disposition läuft er mit wie jeder andere Lkw. Der E-Truck ist in etwa 45 Minuten vollständig aufgeladen. Spar fährt mit Kühlkofferaufbau Seit Mitte September testet Spar in Graz den TGM 26.360 E im täglichen Verteilerverkehr. Dazu sagt Christoph Holzer, Geschäftsführer der Spar-Zentrale Graz: "Was ich von meinem Team höre, funktioniert der E-Truck bei einer guten Auslastung bislang absolut problemlos, was Reichweite und Zuverlässigkeit betrifft. Wir sind bisher noch nie an die Reichweitengrenzen gestoßen." Beliefert werden 40 Spar- und InterSpar-Märkte mit einer Fahrstrecke von bis zu 180 Kilometern. Der E-TGM ist mit Kühlkofferaufbau, elektrischer Kühlung und Ladebordwand für die Lebensmittellogistik ausgelegt und wird im Zweischichtbetrieb disponiert - ziemlich genau der gleiche Einsatz wie jener der Standardfahrzeuge. In der Frühschicht werden drei bis vier Kunden angefahren, was sich auf etwa 70 Kilometer addiert. Der Einsatz am Nachmittag ist adäquat. Aktuell könnten beide Schichten gefahren werden, ohne in der Mittagspause zu laden. Geladen wird über einen 44-kW-Lader. High-Power-Charging sieht Spar kritisch wegen der deutlich höheren Kosten. Stiegl Brauerei liefert in der Innenstadt Der Name Stiegl steht in Salzburg für bestes Bier und Nachhaltigkeit. Alle Bereiche des Unternehmens arbeiten nach einem ganzheitlichen Ansatz: Die Verwendung von immer mehr Rohstoffen aus biozertifiziertem Anbau, das Kultivieren alter Urgetreidesorten auf dem Stiegl-Gut Wildshut zum Erhalt der Biodiversität und für exklusive Biere oder die Fertigung der Stiegl-Mehrwegbierkisten aus 60 Prozent rezyklierten Kunststoffen sind nur einige Beispiele. Im Bereich Distribution stehen Emissionseinsparungen besonders im Fokus. Die "Zero-Emission-Variante" besteht aus zwei Pferdegespannen! Mit einem, wie er es beschreibt, "mulmigen Bauchgefühl" absolvierte E-Truck-Fahrer Dominik seine spezielle MAN E-Truck-Fahrerschulung im Werk Steyr. "Der Truck geht ab wie eine Rakete. Da die zwölf Lithium-Ionen-Batteriepacks beim Ladevorgang automatisch gekühlt beziehungsweise beheizt werden, sind sie immer optimal temperiert. Man steigt also quasi in ein 'warmes' Auto ein", meint Dominik. Strom tankt der E-Truck über Nacht an einer 44-kW-Ladestelle beim Getränkelager der Brauerei. Dominiks Touren führen ihn vom Lager der Brauerei in den innerstädtischen Bereich und den Umkreis von rund 50 Kilometer rund um Salzburg. Dabei ist er bis zu acht Stunden unterwegs und benutzt oft mehr als 30 Mal am Tag die elektrische Hebebühne. "Die Großkundenbelieferung ist völlig problemlos zu meistern. Ich bin noch nicht einmal an die Grenzen der Akkus gekommen", sagt der Fahrer. Gebrüder Weiss: Kunden wollen E-TGM Ein Kurierdienst über die Alpen vom Bodensee nach Mailand, die "Mailänder Boten" sind der Ursprung von Österreichs ältestem familiengeführten Transport- und Logistikunternehmen, der Gebrüder Weiss GmbH. Trotz oder vielleicht auch wegen der Vergangenheit ist man der Zukunft zugewandt. Die gigantischen Dachflächen der Logistikhallen vieler Niederlassungen sind bereits mit Photovoltaik- beziehungsweise Solaranlagen bestückt. Außerdem gehört seit 2011 ein eigener Windpark in Norddeutschland zum Konzern, der 2018 rund 32 Gigawatt grünen Strom produzierte. Seit Mitte September 2018 ist ein MAN TGM 26.360 E in Wechselbrückenkonfiguration nahe Wien im Praxiseinsatz. Zuerst fuhr der 26-Tonner Stück- und Sammelgutverkehr. "Das ging etwa zweieinhalb Monate und war die ursprüngliche Idee, wie wir das Fahrzeug nutzen wollten", erinnert sich Fuhrparkleiter Kurt Eckl. Doch diesen Plan hatte er ohne seine Kunden gemacht. Mehrere wurden auf den Elektro-Lkw aufmerksam und wollten ihn exklusiv buchen. "Die erste der Anfragen kam von Vöslauer und deshalb transportiert der E-TGM nun seit Jahresbeginn Mineralwasser und andere Getränke", so Eckl mit einem Augenzwinkern. Zum Schichtbeginn macht sich Fahrer Milenko Stankovic nach dem Abhängen der Ladekabel auf die rund 30 Kilometer lange Anfahrt nach Bad Vöslau. In der Regel hat er Leergut oder Paletten vom Vortag dabei. Regelmäßig dokumentiert Milenko Reichweitenbestleistung, Kilometerstand, Displayanzeigen - alles, was sein "Elektro-Baby" so angeht, und teilt es mit der zuständigen MAN Service Crew. Laut Eckl spart der E-TGM bis zu 25 Tonnen CO2 jährlich. Anfangs stand immer ein weiterer Lkw als Reserve parat, falls der E-Truck ausfällt. Das tat er aber nicht. "Wenn sich solche Fahrzeuge weiterentwickeln, in Serie gefertigt werden, mit etwas mehr Reichweite, dann sind sie für die Belieferung im urbanen Raum genau richtig", so das Fazit von Eckl. gg In Kürze Seit Ende 2018 haben MAN und das CNL acht vollelektrische Fahrzeuge in der Flottenerprobung. Getestet wird der Einsatz im Distributionsverkehr, und wie man die Bedürfnisse in die künftige Infrastruktur - Stichwort Ladestationen - ausrichten muss.

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