Eine ganze Branche elektrisiert sich

Achsen und Bremsen gehören am Trailer zu den Hauptverschleißteilen und fallen mittlerweile in erster Linie dadurch auf, dass sie nicht mehr auffallen. Trotzdem wird es für 2016 einige "elektrisierende" Neuheiten geben. Doch zuerst in die Praxis: Wie sehen die Fuhrunternehmen unterschiedlicher Sparten mit unterschiedlichen Fuhrparkgrößen das Thema aktuell? Eigentlich durchweg positiv. Egal, ob Systeme von Knorr, Gigant, Haldex oder Wabco, Achsen von BPW, SAF oder Jost zum Einsatz kommen - alle zeichnen sich durch höhere Standfestigkeit sowie Laufleistungen und lückenlosen Service aus. Was natürlich auch die Trailerhersteller auf den Plan rief, die wie Krone und Schmitz mittlerweile vor allem im Neun-Tonnen-Segment selbst aktiv wurden. Probleme und Reklamationen? Blieben vernachlässigbar gering. Entsprechend plant jetzt auch Kögel einen zweiten Anlauf mit eigenen Achsen, die zur IAA serienreif vorgestellt werden sollen. Ein Grund für den Rückgang der Pannen ist auch die Tatsache, dass große Unternehmen die Trailer verstärkt vorbeugend warten und bei der Gelegenheit Teile tauschen, die zwar alt, aber noch nicht kaputt sind. Das gilt im Speziellen für Güter, die terminlich heikel sind wie temperierte Fracht oder Schwertransporte. Die Praktiker tauschen prophylaktisch So hat zum Beispiel die Spedition Bode einen Wartungsplan für die Trailer entwickelt, durch den die Fahrzeuge in der Regel zweimal jährlich zur Durchsicht kommen. Neben der Erledigung von HU und SP nutzt man diese Stopps laut Geschäftsführer Kai-Jörg Bode auch zur Gesamtdurchsicht und tauscht defekte oder geschwächte Teile prophylaktisch aus. "Geplante Standzeiten sind immer billiger als Ausfall-Standzeiten", erklärt Bode dazu. Ähnlich argumentiert Ulrich Mehl, Werkstattleiter bei Wallek Schwertransporte, der Verschleissteile nach Möglichkeit tauscht, bevor es zum Ausfall kommt. Und die Full-Service-Angebote der Hersteller? Sieht er für den Schwertransport kritisch, da in der Regel nur getauscht wird, was definitv ersetzt werden muss. Gleichwohl schätzt er aber, dass die Hersteller mittlerweile auch Schmierstoffe und Serviceleitfäden zur korrekten Wartung zur Verfügung stellen, was im Endeffekt Zeit und Kosten spart: "Unsere BPW-Achsen versorgen wir nur mit den BPW-eigenen Schmiermitteln. Damit gab es noch nie Probleme und in Sachen Gewährleistung sind wir immer auf der sicheren Seite." Elektronik als Vorsorgehelfer In der vorbeugenden Wartung sieht Knorr Bremse mittlerweile auch einen weiteren Anwendungsfall für die Elektronik: "Für uns steht unabhängig vom Anwendungsfall das Thema zustandsbasierte und vorbeugende Wartung im Fokus." Dazu zieht Knorr ITAP in Kombination mit FleetRemote von Tip Trailer Services heran, denn "die Vermeidung von übermäßigem Verschleiß und Defekten macht die Wartung für die Flotte kostengünstiger und reduziert ungeplante Standzeiten", argumentiert dazu Christoph Günter, Vice President Vertrieb Trailer und Specialist OE bei Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge. Hier lernte Knorr viel vom Trailervermieter TIP. Aber auch hardwareseitig entwickelt man weiter, wie Werner Koch, Bereichsleiter Pneumatische Scheibenbremse bei Knorr, erklärt: "Natürlich steht auch bei Knorr-Bremse die Verlängerung der Standzeiten im Fokus. In den letzten Jahren konnten wir hier durch die direkt angebundene Scheibe Splined Disk und das Belagniederhaltesystem ProTecS entscheidende Verbesserungen für unsere Kunden erzielen." Außerdem optimierte Knorr dafür auch die Reibmaterialqualitäten bei Scheibe und Bremsbelag. Dabei betont Koch, dass bei den materialtechnischen Verbesserungen auch ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Die Optimierung der Standzeiten möchte man laut Koch weiter vorantreiben, obwohl man laut seiner Aussage im Fernverkehr inzwischen Belagstandzeiten von bis zu einer Million Kilometer erreicht - was der Gesamtlaufleistung eines Trailers oder der Anhängerreifen samt Runderneuerungen beim Erstnutzer entspricht! Allerdings schätzt Koch das Optimierungspotenzial bei Segmenten wie Baustellen-, Verteilerverkehr und Stadtbus noch größer ein. Knorr-Bremse arbeitet dazu immer an der kompletten Reibpaarung zwischen Bremse, Belag und Scheibe, um alle Potenziale zu heben. Außerdem sei man als Systemlieferant laut Koch auch am Zusammenspiel von Wheelend und Bremssteuerung aktiv, um die Gesamtfahrzeugabstimmung weiter zu verbessern. Apropos Baustellenverkehr: Hier sieht Koch zur Bauma 2016 die Wende: "In diesem Jahr werden auch im Baustellenbereich vermehrt Trommelbremsen durch Scheibenbremsen ersetzt." Die Trommeln bildet Knorr-Bremse über die Tochter Bendix ab. Wie wichtig das Thema Service ist, belegt auch die BPW-Übernahme des niederländischen Ersatzteilhändlers TPV (Trailer Parts Veghel BV) und dessen Reparaturwerkstatt VTTS (Veghelse Truck & Service BV). "Als Mobilitätspartner begleiten wir unsere Kunden über die gesamte Lebensdauer eines Fahrzeugs hinweg. Dazu gehört im Bedarfsfall auch die zuverlässige und schnelle Versorgung mit Verschleißund Ersatzteilen inklusive Service", so Guido Nussbaum, Geschäftsführer von BPW Benelux. Ähnlich agierte man in Großbritannien, wo BPW die EMS Truck and Trailer Parts Limited übernahm. EMS betreibt in Northampton ein Ersatzteilhandelsnetz mit sechs Standorten im Gebiet der britischen Midlands. Schulungen werden immer wichtiger Aber auch das Seminarprogramm bauten "die Blauen" aus: Neben den Praxistagen, speziell für Werkstatt-Mitarbeiter, entwickelte BPW Seminare speziell zu den Themen Sonderfahrzeuge, Kipper/Tank/Silo sowie Fahrzeugbau und Vertrieb. Dazu kommen weitere Seminare für Sonderfahrzeuge, Fahrzeugbau und Vertrieb. Neben diesen neuen Schulungen bietet BPW auch bewährte Seminare zu den Themen Telematik, Flottenmanagement, Instandsetzung Eco-Disc-Scheibenbremse oder Teilehandel an. Auch SAF-Holland optimiert die Stellschraube Service weiter und organisiert die bisherigen Geschäftsbereiche künftig regional. "Durch die neue Struktur reagieren wir effizienter auf die spezifischen regionalen Anforderungen und Wünsche unserer Kunden und gewinnen mehr Nähe zu ihnen", erklärt Vorstandsvorsitzender Detlef Borghardt dazu. Neue "Antriebsachse" von SAF-Holland Eine kleine Revolution ist dagegen die SAF-Bauma-Neuheit: Dabei koppelt man einen Hydraulikmotor an die bewährte Trailer-Achse: Die "SAF Intradisc CD" genannte Einheit soll so künftig die Zugmaschinen in schwerem Gelände unterstützen. Der Hilfsantrieb für Trailer mit 9-Tonnen- Standard-Achsen, die OnRoad und Off-Road unterwegs sind, wird einfach über Knopfdruck aktiviert. Die Achse für Kipper und Schubboden im Baustellen- oder Deponie-Bereich könnte man sogar nachrüsten, da der Einbauraum praktisch identisch ist mit der Standard-Achse. Der hydraulisch angetriebene Motor soll laut SAF langlebig und wartungsarm ausgelegt sein, sodass die neue Trailer-Achse besonders lange Laufzeiten hat. "Unsere neue, angetriebene Achse ist eine Investition, die auf lange Sicht im täglichen Einsatz Gewinn bringt: Sie wird länger genutzt werden als so manche Zugmaschine und sich so auf jeden Fall bezahlt machen", hofft Vincent Koel, Director Fleets Europe Spezielle Achsen für Off-Road-Anwendungen. Damit erweitert SAF die auf der IAA 2014 präsentierte CD-Reihe (Custom Design) durch ein weiteres Produkt. Zur Bauma zeigen die Franken außerdem die Neun-Tonnen-Luftfederaggregate SAF Intradrum CD und SAF Intradisc plus Integral CD. Beide wurden mit verstärkten Stoßdämpfern speziell für schwieriges Gelände ausgelegt. Dazu stieg man noch mal in Mettalurgie und Physik ein: Optimierte Verbindungsstellen sollen dafür sorgen, dass Funktionslenker und Achsrohr eine belastbare und wartungsfreie Einheit bilden. Außerdem stellt SAF zwei neue Varianten des individuellen Baukastensystems vor. Dabei handelt es sich mit SAF "Modul" um kostenoptimierte Achsen für Achslasten von 12 Tonnen, wahlweise trommel- oder scheibengebremst. Die einzelnen Komponenten der neuen Achsen im 22,5-Zoll-Bereich sollen ebenfalls wartungsarm und langlebig sein, um Ausfälle und Standzeiten durch Reparaturen zu verringern - Praxisergebnisse wird man aber frühestens zur nächsten Bauma berichten können. Neben BPW und SAF korrigiert auch Jost Abläufe und Fertigung. Voraussichtlich zur IAA wird man die nächste Integrationsstufe der Daimler-Achsen vorstellen, die dann, detailverbessert, als Jost-Achsen rollen könnten. Auf Nachfrage hielt sich Marketing-Leiterin Monika Smilovic allerdings noch bedeckt. Gerüchteweise wird auch Jost die Fertigung optimieren und sich den Themen Standzeit und Service widmen. Das gilt auch für auch Haldex, wo man die gewichts- und serviceoptimierte Modul-T-Scheibenbremse jetzt auch in den USA einführte. Die punktet durch schnelle Belagwechsel und das geringe Gewicht. Hinter den Kulissen tüftelt man aber bereits an neuen, veilleicht ebenfalls "elektrisierenden" oder digitalisierten Produkten. Mehr finden Sie im Dossier Achsen für Lkw und Trailer www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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