Berlin. Die Speditionen in Deutschland haben die Corona-Krise bislang gut überstanden. „Die Branche ist derzeit von Zuversicht geprägt. Die durchschnittliche Insolvenzrate in der Logistikbranche ist während der Pandemie nicht merklich gestiegen“, sagte Axel Plaß, Präsident des Bundesverbandes Spedition und Logistik (DSLV), in einem Pressegespräch im Vorfeld der Mitgliederversammlung seines Verbandes.
Speditionen sind gestärkt aus der Krise hervorgegangen
Viele Speditionshäuser hätten laut Plaß als Reaktion auf die Krise ihre digitale Kompetenz ausgebaut, so ihre Prozesse gestärkt und ihr Forderungsmanagement optimiert. „Sie sind damit sogar gestärkt aus der Krise hervorgegangen“, sagte der DSLV-Präsident. Die im Verband organisierten Unternehmen würden überwiegend von einem wirtschaftlich noch zufriedenstellenden Ergebnis im Jahr 2020 berichten. Es werde mit einem Umsatzminus von knapp fünf Prozent bezogen auf das Rekordumsatzjahr 2019 (113 Mrd. Euro) gerechnet.
DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster bestätigte die Aussage von Plaß. Zuletzt habe die Zahl Insolvenzen unter den 2600 Mitgliedsunternehmen des DSLV nur um weniger als zehn Unternehmen über dem Durchschnitt der letzten Jahre gelegen. Das sei eine ganz normale Entwicklung wie in den Jahren zuvor. „Wir erwarten aufgrund der vorliegenden Zahlen auch keinen Anstieg der Insolvenzen, auch wenn die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zum 1. Mai ausgelaufen ist“, sagte Huster. Denn Umfragen unter den Mitgliedern hätten ergeben, dass es keine größeren Forderungsausfälle bei den Kunden der Speditionen gegeben hätte.
Im Sammelgut ist mit neuen Rekordzahlen zu rechnen
Plaß konnte von einer positiven Entwicklung im Sammelgut berichten. Die Systemnetze der Spediteure würden dort im ersten Quartal 2021 Rekordzahlen verzeichnen mit einem Umsatzplus von bis zu 20 Prozent im Vergleich zum gleichen Berichtszeitraum der Vorkrisenzeit (2019). „Damit ist ein Anstieg des jährlichen Aufkommens von 119 auf 130 Millionen Stückgutsendungen nicht unwahrscheinlich“, sagte Plaß, der auch Geschäftsführer der Spedition Zippel in Hamburg ist.
Eine angespannte Lage beklagte Plaß bei den maritimen Lieferketten, vor allem aus Asien. Deshalb würden in ganz Europa Container fehlen und bliebe Schiffraum knapp und sehr teuer. Die Folgen seien Lieferengpässe bei Möbel, Textilien und Computer-Chips und „punktuell gestiegene Frachtraten um den Faktor acht im Vergleich zum Vorkrisenniveau“. Er geht davon aus, dass die Engpässe bei den Leercontainern noch bis 2022 anhalten.
Die Erfüllung der Klimaschutzanforderungen ist eine "Herkulesaufgabe"
Als „Herkulesaufgabe“ für den Güterverkehr bezeichnete Plaß neben der Bewältigung der Mengenzuwächse die Erfüllung der Klimaschutzanforderungen. „Mit Spannung blicken wir auf den 14. Juli 2021, dem Tag, an dem die Europäische Kommission ihr „Fit-for-55-Programm“ mit einem nie dagewesenen Legislativpaket konkretisieren will“, sagte Plaß.
Gesetzliche Zielvorgaben und eine Erhöhung des CO2-Preises allein würden die Verkehrswende nicht beschleunigen. „Selbst wenn es gelingen sollte, den Modal Split-Anteil der Straße wie politisch angestrebt auf 60 Prozent zu senken, braucht es zeitnah serienreife alternative Lkw-Antriebstechnologien und vor allem stabile Auflade- und Betankungsinfrastruktur in ganz Europa“, lautet seine Forderung an Nutzfahrzeugindustrie und die Energieversorger.
Keine spürbaren Emissionsminderungen in den nächsten zwei, drei Jahren
Auf die Frage der VerkehrsRundschau, ob denn der Güterverkehr in den nächsten Jahren überhaupt einen Beitrag zum Klimaschutz leisten werde, zeigte Huster das Dilemma der Branche auf: „Jegliche Erfolge, die die Branche bei der Einsparung von Emissionen erzielt hat, wurden durch das Güterverkehrsmengenwachstum überholt.“ Doch es läge nicht an der Bereitschaft der Speditionen, emissionsarme Technik einzusetzen, sondern am fehlenden Angebot der Industrie, solche Antriebe zu liefern und der Energiewirtschaft, für eine entsprechende Tankinfrastruktur zu sorgen. Mit einem solchen Angebot sei auch nicht von heute auf morgen zu rechnen. „Wahrscheinlich ist es nicht so, dass wir in den nächsten zwei, drei Jahren zu einer spürbaren Reduktion kommt“, machte Huster keine große Hoffnungen auf spürbare Emissionsminderungen im Güterverkehr in naher Zukunft. (cd)