Die umstrittene Zweitbesetzung

Nachrückerin, politisch unerfahren und fachfremd: Der Start von Violeta Bulc als EU-Verkehrskommissarin im Herbst 2014 war alles andere als perfekt. Eigentlich war der routinierte Diplomat Maros Sefcovic für das Amt vorgesehen. Doch nachdem das EU-Parlament die damalige Kandidatin Alenka Bratusek als Energiekommissarin abgelehnt hatte, musste Slowenien die bisherige Vize-Regierungschefin Violeta Bulc für einen Posten in der EU-Kommission nominieren und deren Präsident Jean-Claude Juncker die Ressortverteilung ändern. Sefcovic erhielt das Ressort Energie, und Bulc wurde zuständig für die Verkehrspolitik. "Die Amtszeit von Frau Bulc begann etwas holprig", sagt rückblickend Markus Ferber, CSU-Mitglied im Verkehrsausschuss des Europaparlaments. Die Slowenin habe anfangs doch sehr deutlich Schwierigkeiten gehabt, sich in die Themen einzuarbeiten. Den nötigen Schwung habe die EU-Verkehrspolitik dadurch nicht bekommen. In der zweiten Hälfte ihrer Amtszeit sei Bulc dann eine Reihe von "äußerst wichtiger Gesetzgebung" angegangen. Für den Straßengütertransport sei insbesondere das erste EU-Mobilitätspaket zu nennen, das sie erst im Mai 2017 vorlegte und "das leider nicht mehr abgeschlossen werden konnte", zählt Ferber auf. Es sieht die Neuregelung der Entsendung von Lkw-Fahrern, von deren Lenk- und Ruhezeiten sowie der Kabotage vor. In den anschließenden zwölf Monaten folgten zwei weitere EU-Mobilitätspakete - eines mit CO2-Zielen für Pkw und Vans und neuen Regeln für den Kombinierten Verkehr sowie eines mit CO2-Grenzwerten für Lkw und Rahmenbedingungen für vernetzte Verkehrssysteme. Die Eisenbahn-Liberalisierung als zweites großes Dossier sei Bulc "eher von außen aufgedrängt" worden, als dass es ein "Herzensanliegen" ihrerseits gewesen wäre. "Und im Bereich einheitlicher Luftraum gab es keine großen Fortschritte", bemängelt Ferber. Maßnahmen zu spät gestartet In der Tendenz ähnlich, nur nicht ganz so negativ fällt die Bewertung der Verbände des Straßengütertransports aus. "Frau Bulc ist ambitioniert gestartet", sagt Matthias Maedge, Brüsseler Büroleiter und Generaldelegierter der International Road Transport Union (IRU) bei der EU. Sie habe zunächst klare Botschaften ausgegeben, sei sehr umtriebig gewesen und habe viele Gesetzesvorhaben vorgelegt, ergänzt Nicolette van der Jagt, Generaldirektorin des europäischen Dachverbands der Spediteure Clecat. Allerdings bedauert auch sie, dass die früh angekündigten Vorschläge zu Reformen im Straßengüterverkehr viel zu spät vorgelegt worden seien. Die Neuerungen hätten deshalb immer noch nicht verabschiedet werden können. "Wertvolle Zeit, um die notwendige Klarheit bei wichtigen Regeln in der Sozial- und Marktzugangspolitik für den Güterverkehr zu erarbeiten", sei verstrichen, betont Maedge. Reformvorschläge eher halbherzig Bezogen auf den Inhalt der Reformpläne aus den Mobilitätspaketen bedauert van der Jagt zudem Bulcs eher halbherzige Vorschläge für einen einheitlichen Gütertransportmarkt in der Europäischen Union. Ihr Vorgänger, Siim Kallas, habe deutlich mehr Ehrgeiz entwickelt, die Ideen aus dem EU-Verkehrsweißbuch umzusetzen. Mehr Akzente hat Bulc aus Maedges Sicht bei ihren Bemühungen gesetzt, die Lkw-Parkplatzsituation zu verbessern. Auch die Priorisierung der Digitalisierung im Straßenverkehr mit dem Ziel, den E-Frachtbrief und andere elektronische Dokumente im Güterverkehr zügig einzuführen, hat sowohl IRU als auch Clecat gut gefallen. In diesem Zusammenhang lobt van der Jagt auch die "bessere Kommunikation" zwischen den Ressorts Verkehr und Zoll bei der EU-Kommission. Positiv hebt sie nicht zuletzt hervor, dass Bulc die "Platform for Change" gründete, um mehr Frauen für den Verkehrssektor zu begeistern. Ein positives Fazit zieht die verkehrspolitische Sprecherin der Liberalen im EU-Parlament: "Mir hat Kommissarin Bulc von Anfang an sehr gut gefallen durch ihre direkte Art, Dinge auch unkonventionell anzugehen nach dem Motto: Geht nicht, gibt's nicht", resümiert Gesine Meißner. Bulc habe sehr strukturiert gearbeitet. Sie habe die unterschiedlichen Transportarten Schiene, Luft, Wasser, Straße, integrierter Verkehr nach Jahren abarbeiten wollen. Das sei aber leider zeitlich "ins Rutschen" gekommen. Aber Bulc habe Leidenschaft für ihr Metier entwickelt und dabei das EU-Parlament als Partner ernst genommen, lobt Meißner, die dem neuen Europaparlament auf eigenen Wunsch nicht mehr angehört. Der neuen EU-Kommission wird voraussichtlich auch Bulc nicht mehr angehören. Ihr Heimatland hat die 55-Jährige nicht als Kandidatin vorgeschlagen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Verkehrspolitik" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Im November scheidet Violeta Bulc aus der EU-Kommission aus. In ihrer fünfjährigen Amtszeit als EU-Verkehrskommissarin konnte die Slowenin weder alle Diplomaten noch die Vertreter der europäischen Transport- und Logistikbranche gänzlich überzeugen. Viele Projekte wurden halbherzig oder zu spät initiiert. Simson mögliche Nachfolgerin von Bulc Als eine mögliche Nachfolgerin von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc ist derzeit die frühere estnische Verkehrsministerin Kadri Simson im Gespräch. Die Mitgliedstaaten haben vergangene Woche ihre jeweiligen Kandidaten für die neue EU-Kommission benannt. Die designierte EU-Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) will die zu vergebenden Ämter der Kommission je zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzen. Nun beginnen die Gespräche über die Zuteilung der Zuständigkeiten nach der Qualifikation der Kandidaten. Das EU-Parlament muss der EU-Kommission als Ganzes zustimmen, damit diese am 1. November ihre Arbeit aufnehmen kann. ag

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