Generation Alpha: Was die Azubis von morgen wirklich wollen

Immer online, stets im Mittelpunkt, mit wenig Frustpotenzial konfrontiert und in der Regel behütet aufgewachsen: Das prägt die Generation Alpha, die nach dem Jahr 2010 geboren ist. Die Alphas sind die Kinder der Millennials und die ersten echten Digital Natives. Im Berufsleben kann das zur Folge haben, dass Jüngere versuchen werden, immer zuerst im Digitalen die Lösung zu finden. Dabei wäre in der analogen Welt die Lösung sehr viel näher, zum Beispiel die Nutzung eines Telefons. Dies wiederum kann dann zu Unverständnis bei ihren Vorgesetzten führen, die einfach schnell zum Telefonhörer greifen, statt den ganzen Tag Google zu befragen. Das zeigt die Studie "Generation Alpha" des Instituts für Generationenforschung, für die Pädagogen über ihre Wahrnehmung und Einschätzung ihrer zu betreuenden Kinder im Alter von null bis zehn Jahren befragt worden waren. Außerdem wurden Eltern über ihre Erziehung und Einschätzung ihrer Kinder befragt. Auf Führungskräfte und Entscheider kommen also in Zukunft große Herausforderungen zu. Denn viele von ihnen sind die letzte Generation, die eine rein "analoge" Kindheit hatte und deshalb intuitiv auf analoge Lösungsansätze zurückgreift oder eben auf das entsprechende Erfahrungswissen. Smartphone als ständiger Begleiter Worin konkret dieser Unterschied zwischen den "analogen" und "digitalen" Generationen besteht und wohin dies führen kann, verdeutlicht folgendes Beispiel aus einem ganz anderen Bereich: Kinder und Jugendliche lassen sich zum Beispiel inzwischen ausschließlich von Google Maps oder der Bahn-App leiten. Fällt ein Zug aus oder die Fahrtroute wird geändert, ist es für sie kein Problem, denn die Bahn-App auf dem Smartphone gibt die nötigen Informationen. Fatal ist nur, wenn sie am Bahnsteig keinen Netzzugang haben. Und da das Smartphone ständiger Begleiter ist, wird die nahe Umwelt in der Folge kaum berücksichtigt, etwa bei Wartesituationen. Inzwischen kann man von weitestgehend konditionierten "Ich schaue auf mein Smartphone, sobald mir langweilig ist"-Handlungen sprechen. Die Wartesituation wird mit dem sofortigen Blick auf das Smartphone gelöst, mit der unbewussten Aufforderung: Entertaine mich, liebe Cybercommunity. Es ist also kaum verwunderlich, dass die wenigsten Kinder und Jugendlichen wissen, dass es an jedem Bahnsteig einen physischen Abfahrts- und Ankunftsplan gibt, und zwar aller Züge mit einem Halt am entsprechenden Bahnhof. Ja, man bräuchte die App nicht. Nur war die App für viele Jugendliche und Kinder eben schon da (aus ihrer Welt und Sicht), also weit vor der Erkenntnis, dass es dort auch einen Abfahrts- und Ankunftsplan gibt. Eine für viele ältere Menschen nicht nachvollziehbare Denkweise, die aber mittlerweile Realität geworden ist. Andere Welt - andere Menschen Das obige Beispiel zeigt, wie in Zukunft zwei unterschiedliche Lösungskonzepte, auch in der Arbeit, aufeinanderprallen werden. Und zwar bedingt durch die unterschiedliche Art, wie die jeweiligen Generationen aufgewachsen sind: die Jüngeren digital-intuitiv mit entlehntem Erfahrungswissen aus der Cybercommunity (etwa über Bewertungsportale) und die Älteren analog und durch die eigenen Erfahrungen geprägt. Viele Ausbilder verstehen schon heute nicht mehr, warum es jungen Nachwuchskräften so schwerfällt, unbekannte Menschen anzusprechen oder anzurufen. Denn das mussten sie nie - alles ist ja digital lösbar. Ein Jugendlicher verbringt heute im Schnitt täglich mindestens vier Stunden auf sozialen Medien; bei einigen sind es sogar über zehn Stunden. Bei Kindergartenkindern sind es bereits täglich mindestens 30 Minuten im Schnitt - etwa auf YouTube; bei einigen sogar vier bis sechs Stunden. Genau in dieser Zeit findet die digitale Prägung statt und die analoge Welt wird um diese Zeit weniger stark trainiert. Außerdem nimmt das Parallel-Bearbeiten von Dingen stetig zu. Gleichzeitig einen Film streamen, WhatsApp-Nachrichten verschicken, Social Media aktualisieren und das alles während des Essens. Das ist heute keine Seltenheit mehr. Da Menschen aber nicht wirklich multitaskingfähig sind, findet bei den Betroffenen täglich eine enorme Aufmerksamkeits-Diffusion statt, die sich dauerhaft auf die Konzentration und das Kurzzeit-Gedächtnis auswirken wird. Was die Generation Alpha prägt Ein Beispiel aus unserer Gesellschaft macht das Ganze deutlicher: Die dreijährige Emma bewegt Daumen und Zeigefinger auseinander, um den Fisch größer zu zoomen. Bedächtig versucht sie es noch einmal, weil ihr erster Versuch nicht erfolgreich war. Das Problem ist, Emma steht vor einem Aquarium und nicht vor einem Tablet. Es ist heute keine Seltenheit, dass Kleinkinder versuchen, die Fische im Aquarium größer zu zoomen. Und auch ein Fotoalbum oder Bilderbuch anzusehen, kann zur Herausforderung werden, wenn die Kleinen die vielen Bilder "weiterwischen" wollen, anstatt die Seite umzublättern. Die ab 2010 geborenen Kinder werden noch größere Schwierigkeiten haben, die digitale Welt von der analogen Welt zu unterscheiden. Zusätzlich wird der zwischenmenschliche Kontakt für die Generation Alpha dadurch erschwert, dass sie weniger gut ausgeprägte analoge Kommunikationsfähigkeiten aufweist als ihre Vorgänger-Generationen. Die "Generation Alpha"-Studie zeigt, dass 17 Prozent der Alphas altersuntypische Auffälligkeiten in der Sprachverständigung und 22 Prozent altersuntypische Schwierigkeiten bei der Aussprache und Lautbildung haben. Zwar ist in jungen Lebensjahren noch nichts in Stein gemeißelt, vieles kann aufgeholt werden. Es ist aber wahrscheinlich, dass es den Alphas schwerer als anderen Generationen fallen wird, mit ihrem Gegenüber in Kontakt zu treten. Vorgesetzte müssen die ersten Kommunikationsversuche ihrer Berufsanfänger im und außerhalb des Unternehmens begleiten und ihnen Hilfestellungen oder Leitfäden an die Hand geben, wie die Kommunikation gelingen kann. Anspruch an Führungskräfte steigt Die Studie zeigte zudem, dass 15 Prozent der Kinder überbehütet werden. Unter den 8- bis 9-jährigen Jungen sind es gar 27 Prozent. Das wird später zu einem Problem werden, wenn es darum geht, eigene verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen oder den beruflichen Alltag zu strukturieren. Im Vorteil sind die, die gelernt haben, sich selbst zu strukturieren, die es gewohnt sind, Probleme eigenverantwortlich zu lösen. Alphas brauchen nach einer Einfindungsphase die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu sammeln, und auch das Feedback dazu. Das hilft den Neuankömmlingen, sich selbst und die eigenen Organisationsfähigkeiten einzuschätzen. Ist das alles bedenklich? Oder wird das die Zukunft sein, weil ohnehin immer mehr Handlungsräume digital werden? Zumindest wird die Arbeit dadurch komplexer und der Anspruch an die Führungskräfte höher. So muss neben den wachsenden Arbeitsanforderungen auch die Generationendiversität berücksichtigt werden. Zukünftig sollten deshalb einer Leitungsstelle weniger Mitarbeiter unmittelbar unterstellt sein. Mehr als sechs Mitarbeiter aus verschiedenen Generationen wird nicht machbar sein. Denn die heutigen Nachwuchskräfte und Folge-Generationen wachsen, wie eingangs gesagt, mit einer völlig anderen Umgebungskomponente (die digitale Welt) heran. Und Menschen formen sich nun einmal in der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt. Überspitzt formuliert bedeutet das: andere Welt - andere Menschen. Für Führungskräfte heißt das: Sie müssen am Zahn der Zeit bleiben, um die nachkommenden Generationen verstehen zu können. Allerdings dürfen sie die älteren Generationen in ihrem Team nicht vernachlässigen, weil ansonsten Sozialneid innerhalb einer Gruppe aufkommen kann. Das Wichtigste ist, Verständnis für alle Generationen zu zeigen, die Andersartigkeit zu akzeptieren, auch wenn man bestimmte Vorstellungen nicht nachvollziehen kann. Schließlich ist jeder Mensch letztlich Kind seiner - einer anderen - Zeit. Wichtig ist dennoch die Kommunikation darüber. Denn Verständnis ist keine Einbahnstraße. Man muss den zukünftigen Generationen auch erklären, wenn man an seine Verständnisgrenzen kommt. Denn nur so können alle Generationen voneinander lernen. Insbesondere der Zeitaufwand für die eigentliche Führungstätigkeit wird in Zukunft also zunehmen. So müssen Vorgesetzte Strukturen und Feedback noch klarer kommunizieren als heute. Denn junge Berufsanfänger werden dank Social Media viel mehr gewohnt sein, direkt Feedback auf ausgeführte Handlungen zu erhalten, und zwar ein positives Feedback. Ein zu kritisches Feedback kann - in der bis jetzt erlebten Welt der Herzchen und Daumen hoch - zum Gegenteil führen. Die Zukunftsstudien am Institut für Generationenforschung zeigen, dass sich die Rolle von Fachkräften von der fachlich-kreativen Tätigkeit zunehmend zum Projektmanagement, verstärkte Kommunikation und mehr Dokumentation verschiebt. Recruiting der Fachkräfte von morgen Eine der Grenzen zwischen der "analogen" und "digitalen" Generation wird aber wohl die unterschiedliche Herangehensweise an die Problemstellungen bleiben. So ziehen viele Ältere innerhalb ihrer Logik Schlüsse und können so am Ziel vorbeischießen, wie das Beispiel Mitarbeiter-Recruiting zeigt. Junge Menschen sind zwar digital und nutzen Social Media. Die Frage ist aber, ob ein Unternehmen deshalb auch über die sozialen Medien Mitarbeiter suchen sollte. Junge Talente einbinden Leider ist es nicht so einfach. Denn junge Menschen wachsen zwar mit den sozialen Medien auf, was in der Folge bedeutet, dass Social Media per se Teil des privaten Lebens ist. Hier nun den Arbeitgeber zu sehen, kann als Affront gegen die eigene Privatsphäre gedeutet werden. So zeigte die Generation-Thinking-Studie aus den Jahren 2018 und 2023 des Instituts Generationenforschung ganz klar, dass zwei Drittel der Jüngeren ihr Berufs- vom Privatleben getrennt haben wollen. Und Social Media ist eben etwas, was diese Generation vor dem Eintritt in die Arbeit hauptsächlich aus ihrem Privatleben kennt. Ältere sind nicht mit Social Media aufgewachsen. Einige haben im frühen Erwachsenenalter Facebook entdeckt, hier hatte man aber in der Regel nur Freunde, die man auch im realen Leben kannte. Social Media läuft heute aber anders. Wie macht man es dann? Am besten mit und durch junge Menschen selbst. Junge kennen die Sprache der Jüngeren, wissen, was diese wollen, und wirken dadurch authentischer, nahbarer und am Ende förderlicher für das Ergebnis. Also keine teuren Werbeagenturen fragen, sondern die eigenen Azubis und jungen Mitarbeiter, was sie toll am Unternehmen finden und ob sie nicht mitwirken wollen bei diversen Werbe- und Recruiting-Maßnahmen. Und wenn es sich ein junger Mitarbeiter zutraut, kann unter Umständen letztlich auch Social Media ein lohnender Bewerberkanal sein. Rüdiger Maas und Hartwin Maas, beide Gründer und Vorstände des Instituts für Generationenforschung

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