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Deutsche Wirtschaft muss sich auf extreme Wetterkapriolen einstellen

18.01.2011 14:30 Uhr
Deutsche Wirtschaft muss sich auf extreme Wetterkapriolen einstellen
Heiko Paeth ist Professur für Klimatologie am Lehrstuhl für Physische Geographie der Universität Würzburg. Dort beschäftigt er sich unter anderem mit Klimafolgenforschung sowie globaler und regionaler Klimamodellierung
© Foto: Heiko Paeth/Universität Würzburg

Der Würzburger Klimaexperte Heiko Paeth rechnet in den kommenden Jahren mit milden Wintern und trockenen Sommern: Doch die Logistikbranche sollte sich trotzdem für Wetterextreme rüsten

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War der vergangene Dezember tatsächlich der härteste seit Jahrzehnten?

Heiko Paeth: Es war zumindest der kälteste Dezember der letzten 20 Jahre. Doch gerade in den 1960er Jahren waren solche Winter durchaus normal.

Warum hat es Deutschland im Dezember so hart getroffen?

Ob ein Winter in Deutschland mild oder kalt wird, hängt mit einem Windsystem über dem Nordatlantik zusammen, der so genannten Nordatlantischen Oszillation. Typischerweise bestimmt eine Westwindlage mit milder Luft vom Atlantik das Klima in Mitteleuropa. In den letzten drei Jahren waren im Winter die Westwinde sehr schwach und so konnten sich die kalten Luftmassen aus Zentral- und Nordrussland bis nach Westeuropa ausdehnen. Eine solche Wettersituation hält sich meist länger, deshalb hatten wir etwa ab Mitte November bis Anfang Januar eisige Temperaturen in ganz Deutschland.

Lässt sich derzeit sagen, wie der Rest des Winters wird?

Das Wetter ist ein chaotisches System. Jede Vorhersage, die weiter reicht als wenige Tage, ist deshalb unseriös. Es gibt zwar seit einigen Jahren Forschungsprojekte für saisonale Wettervorhersagen, aber bislang ohne echten Erfolg. Gerade die Transportbranche, etwa die Fluggesellschaften, hätte ein hohes Interesse an solchen Ergebnissen. Meiner Meinung nach gibt es jedoch keine praxisrelevante saisonale Vorhersagbarkeit in mittleren Breiten.

Jetzt war schon der dritte Winter in Folge ungewöhnlich kalt oder schneereich. Ist dies ein Trend?

Menschen unterliegen bei Alltagsphänomenen wie dem Wetter einer Wahrnehmungsverzerrung: Wir erinnern uns immer eher an das, was erst war, und weniger daran, was schon länger zurückliegt. Im Vergleich mit den milden Wintern der letzten 20 Jahre fallen die letzten drei Jahre aus dem Rahmen, dennoch waren die Winter für unsere Breitenlage normal. Allein, dass so viel über diesen Winter gesprochen und in den Medien geschrieben wird, zeigt, dass in unseren Köpfen der Klimawandel längst stattgefunden hat. Selbst unter der Annahme einer deutlichen Temperaturzunahme in Deutschland in den nächsten 100 Jahren, wird es künftig einzelne harte Winter geben. Früher waren schneereiche Winter normal, jetzt sind sie selten und in Zukunft werden sie noch seltener. Zudem war der Kälteeinbruch in Mitteleuropa ein regionales Phänomen. In Bulgarien feierten die Menschen das wärmste Weihnachtsfest seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Global gesehen deutet viel darauf hin, dass das Jahr 2010 als das bisher wärmste aller Zeiten registriert wird.

Wie wird sich der Klimawandel auf Mitteleuropa auswirken?

Wir Klimaforscher rechnen damit, dass in Deutschland die Temperatur deutlich stärker ansteigt, als im globalen Schnitt. Während für die kommenden rund 100 Jahre global ein Zuwachs um 2,5 Grad Celsius erwartet wird, sehen wir für Deutschland ein Plus von vier Grad. Gerade in Süd- und Südwestdeutschland wird dies deutliche Auswirkungen haben.

Inwiefern?

Vor allem im Sommer müssen wir uns in Süddeutschland auf heiße, trockene Wochen einstellen. Das bedeutet etwa ernsthafte Auswirkungen für die Trinkwasserversorgung, die Kühlung von Kraftwerken und auch für die Binnenschifffahrt. Der Rekordsommer 2003 könnte deshalb ein Vorgeschmack auf einen typischen Sommer in Deutschland in 50 Jahren sein. Damals kam es zu erheblichen Einschränkungen für die Rheinschifffahrt.

Auf was muss sich die Wirtschaft einstellen?

Die Wirtschaft sollte sich auf extreme Wetterkapriolen einstellen. Aus meiner Sicht ein lohnendes Vorhaben wäre es, moderne Logistikmodelle mit den neuesten Klimamodellen zu verbinden und so zu testen, wie sich extreme Witterungsverhältnisse auf die eng vertakteten Logistikprozesse auswirken. So könnte die Logistikbranche die besten Reaktionen auf Wetterkapriolen durchspielen. Allerdings sehe ich angesichts der derzeitigen Kapazitätsengpässe auf allen Verkehrswegen, sei es Straße, Schiene oder Wasserstraße, nur wenig Spielräume für Ausweichalternativen.

Werden Wetterextreme zunehmen?

Das Jahr 2010 war geprägt von Extremereignissen. Ich bin niemand, der Panikmache betreibt, aber die Klimamodelle unterstützen die Ansicht, dass extreme Wetterphänomene zunehmen. Mehr Wärme heißt, dass mehr Energie im System ist. Die Folge können heftige Regenfälle oder starke Winde sein. Auch die Wechsel nehmen zu: So war der Juni 2010 der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung 1840. Der August war dagegen außergewöhnlich kühl, sehr regenreich und der August mit den wenigsten Sonnenstunden seit rund 100 Jahren. (sb) 

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