Unruhige Tage bei der Deutschen Bahn: Erst stimmt der Aufsichtsrat des Konzerns am Donnerstag dem Umbau des Vorstands zu, dann verkündet Chefkontrolleur Michael Odenwald überraschend seinen Abschied. „Nach zehnjähriger Arbeit im Aufsichtsrat ist es Zeit für einen Wechsel“, teilte er am Donnerstagabend, 23. Juni, mit. Ende Juli will er gehen. Sein Vertrag läuft eigentlich noch bis März 2025.
Zuvor hatten die Kontrolleure auf ihrer Sitzung am Donnerstag Neubesetzungen in der Bahn-Chefetage beschlossen. Nach den Beschlüssen des Gremiums wird der bisherige Personenverkehrsvorstand Berthold Huber ab dem 1. Juli auf das Infrastrukturressort wechseln, wie die Bahn am Donnerstag mitteilte. Für seinen freiwerdenden Posten rücken gleich zwei neue Mitglieder in den Vorstand nach: Hubers bisheriger Bereich Personenverkehr wird aufgeteilt in ein Regional- und ein Fernverkehrsressort. Um das Regionale kümmert sich künftig die bisherige Finanzchefin der Bahn-Tochter DB Fernverkehr, Evelyn Palla. Der bisherige DB-Fernverkehrschef Michael Peterson soll sich im Vorstand dann um den Fernverkehr kümmern.
„Das Team DB steht – jünger und weiblicher als je zuvor“, teilte Bahnchef Richard Lutz am Nachmittag mit. „Ich freue mich sehr, dass der Vorstand sofort an die Arbeit gehen kann.“ Über den angekündigten Abgang Odenwalds äußerte er sich bedauernd. „Er hat sich in all den Jahren um die Deutsche Bahn verdient gemacht. Dafür gebührt ihm ausdrücklicher Dank und große Anerkennung“, teilte Lutz mit.
Überraschender Rücktritt von Odenwald
Der ehemalige Staatssekretär Odenwald ist seit 2018 Chefkontrolleur beim Bahnkonzern. Der Jurist war seit 1992 im Verkehrsministerium tätig – von 1998 an als Referatsleiter, ab 2010 als Leiter der Zentralabteilung, seit 2012 dann als beamteter Staatssekretär. In dieser Funktion rückte er 2012 in den Bahn-Aufsichtsrat.
„Die Deutsche Bahn ist – ungeachtet aller aktuellen Herausforderungen – ein tolles Unternehmen, für das ich mich immer sehr gerne engagiert habe. Ich wünsche dem Vorstand, allen Führungskräften und insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern alles erdenklich Gute“, teilte Odenwald mit.
Sein Rücktritt kommt einen Tag, nachdem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Generalsanierung wichtiger Strecken und einen besseren Service für die Fahrgäste des bundeseigenen Konzerns zur Chefsache erklärt hat. Die Bahn ist so unzuverlässig unterwegs wie seit Jahren nicht mehr. Ein wesentlicher Grund dafür sind überlastete und sanierungsbedürftige Korridore. Am Mittwoch erläuterte Wissing gemeinsam mit Konzernchef Lutz das künftige Baukonzept für solche Strecken.
Wissing: Bahn steht vor großen Herausforderungen
Wissing akzeptiere und respektiere die Entscheidung Odenwalds, hieß es von einer Sprecherin des Ministeriums. Odenwalds Leistung im Aufsichtsrat in den vergangenen „turbulenten Jahren“ verdiene nach Einschätzung des Ministers „hohe Wertschätzung“. Die Bahn stehe vor großen Herausforderungen, die Wissing mit einem neuen Konzept gemeinsam mit dem Vorstand entschlossen angehen werde.
Von 2024 an sollen die wichtigsten Korridore generalsaniert werden, jedes Jahr zwei bis drei dieser Abschnitte. Dabei sollen gleich sämtliche anstehende Bauarbeiten und potenzielle Erweiterungen in einem Rutsch erledigt werden, so dass nicht über Jahre hinweg immer wieder entlang derselben Strecken gebaut werden muss. Noch sind viele Fragen offen, die der neue Infrastrukturvorstand Huber bald beantworten muss.
Huber steht für integrierten Gesamtkonzern
Für Huber als Nachfolger von Ronald Pofalla, der die Bahn im April verlassen hatte, hat sich unter anderem die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ausgesprochen. Sie sieht in ihm einen ausgemachten Bahnkenner und einen Garanten für einen integrierten Gesamtkonzern. Huber dürfte auch zuständig sein für das geplante gemeinwohlorientierte Unternehmen, zu dem die bisherigen Infrastrukturtöchter der Bahn ab 2024 zusammengefasst werden sollen.
Kritiker wie die im Verband Mofair organisierten Bahnwettbewerber hingegen hatten sich angesichts der geplanten neuen Gesellschaft dafür stark gemacht, das Vorstandsressort Infrastruktur nicht neu zu besetzen. (tb/dpa)