Übernahme von Schenker: Ein Wendepunkt im Speditionsmarkt

Beben im Speditions- und Logistikmarkt: DSV setzt sich im Bieter-Wettstreit um DB Schenker durch. Für 14,3 Milliarden Euro wird der dänische Logistiker die Deutsche-Bahn-Tochter übernehmen. Vorausgesetzt, der Aufsichtsrat der DB und die Kartellbehörden stimmen dem Verkauf zu. (Redaktionsschluss 23.09.2024) Mehr als 20 Mit-Interessenten hatten seit Dezember 2023 um den Kauf gerungen. Darunter namhafte Branchengrößen wie etwa Deutsche Post DHL, Maersk und MSC, Finanzinvestoren wie Carlyle, aber auch arabische Akteure wie Bahri Logistics und die Investitions- und Holdinggesellschaft ADQ, um einige Namen zu nennen. Am Ende war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen DSV und Finanzinvestor CVC. Noch gibt sich der unterlegene Bieter indes nicht geschlagen und forderte letzten Medienberichten zufolge eine Nachprüfung. Sprich: Der Verkauf Schenkers an DSV könnte noch gestoppt werden. Neue Machtverhältnisse Fest steht aber jetzt schon: "Der DSV-Schenker-Mega-Deal wird nicht nur Schenker gravierend verändern, sondern auch den Speditions- und Logistikmarkt insgesamt - sowohl in Deutschland als auch weltweit", sagt Cornelius Geber, Geschäftsführender Gesellschafter der CG Beteiligungs- und Management GmbH. DSV sei ein sehr erfolgreiches, global schnell wachsendes Unternehmen, straff organisiert mit einem hervorragenden IT-Netzwerk. Und dank Schenker verstärke sich der Konzern weltweit in der See- und Luftfracht, aber auch im europäischen Landverkehr. "Die Karten in der Top-Liga der Speditions- und Logistik-Player werden durch den Mega-Deal DSV-Schenker also neu gemischt", sagt auch Professor Martin Schwemmer von der Hochschule Heilbronn. So zählte DB Schenker laut der "Top 100 der Logistik" vom Fraunhofer IIS im Jahr 2022 (aktuellere Zahlen werden im Oktober veröffentlicht) zu den Top 10 der größten Logistikdienstleister in Europa. "Und DSV A/S war im Jahr 2022, gemessen an dem europäischen Logistikumsatz, der viertgrößte Logistikdienstleister in Europa", erklärt Raphael Leicht vom Fraunhofer IIS. "Mit einem gemeinsamen Umsatz, angenommen die Umsätze bleiben stabil, würde DSV laut dem Fraunhofer IIS durch die Übernahme von DB Schenker von Rang 4 auf Rang 2 hinter DHL vorrücken und sich zum zweitgrößten Logistikdienstleister in Europa entwickeln." Auch weltweit würde DSV die Umsätze von etwas über 20 Milliarden Euro auf knapp 40 Milliarden Euro fast verdoppeln. "Mit diesem Umsatzvolumen, vorausgesetzt, dieses bleibt nach dem Merger stabil, katapultiert sich DSV vermutlich sogar in die Top-5-Liga weltweit - neben UPS, FedEx, DHL und Maersk", ergänzt Schwemmer. "Und im deutschen Stückgutgeschäft könnte es DSV mit Schenker zusammen - neben Dachser - sogar an die Umsatz-Spitze im deutschen Stückgutmarkt schaffen. Ebenso im Komplettladungs-Geschäft in Deutschland." Alles aber nur unter der Prämisse, dass DSV seinen Umsatz halten könne, was stets auch davon abhänge, wie Kunden auf den Deal reagieren, und wie gut der Integrationsprozess vonstattengehe. "Der Landverkehr von Schenker ist ein echtes, flächendeckendes Asset", sagt Geber, vormals Top-Manager von Kühne + Nagel. Allerdings gäbe es an etlichen Standorten mit Schenker wohl Doppelbesetzungen oder Überlappungen in den Netzen. "Das wird sicherlich den einen oder anderen treffen, wenn Büros zusammengelegt oder geschlossen werden sollten." Als Käufer werde DSV die potenziellen Skalen-Effekte schnellstmöglich heben wollen, erwartet er. So habe DSV einen sehr erfolgreichen Track-Record bei der Übernahme von Firmen, auch durch schnelles, konsequentes Zusammenlegen von Strukturen. Das hätten die Übernahmen von ABX Logistics, UTI Worldwide und Panalpina durch DSV in den letzten Jahren gezeigt. "Die Namen dieser Unternehmen sind konsequenterweise schnell vom Markt verschwunden." Eigenes DSV-Stückgutnetz? Dass aber dadurch bei Schenker 30 Prozent der Stellen gekappt werden, wie nach der Übernahme von Panalpina vor zwei Jahren geschehen, bezweifelt Geber: "Das ist reine Spekulation." Denn mit dem Verkauf seien sicherlich gewisse Bestandsgarantien mit der DB und Arbeitnehmervertretern vereinbart worden. Zudem sei Schenker als Marke weltweit mit langer Tradition sehr etabliert und verfüge über ein interessantes Kundenpotenzial und gut ausgebildete Mitarbeiter, die auch für Wettbewerber von Interesse sein könnten. DSV habe daher vor der Akquisition sicher überlegt, führt er aus, wie man den Unternehmenswert erhalten oder aber noch steigern könne. Die für viele kleinere und mittelständische Transport- und Speditionsbetriebe in Deutschland noch viel spannendere Frage ist: Zieht DSV nun im Zusammenspiel mit den Schenker-Standorten hierzulande sein eigenes Stückgutnetz auf? Und wenn ja, wie wirkt sich das auf die Stückgutkooperation IDS Logistik aus und in der Folge auch auf andere Speditionsverbünde wie CargoLine (siehe Interview S. 14), VTL & Co.? Hintergrund dafür ist: Noch ist DSV in Deutschland nicht mit eigenem Stückgutnetz vertreten, sondern wickelt als IDS-Logistik-Gesellschafter seine Sendungen über das Netz der IDS-Kooperation ab, an der unter anderem auch Kühne + Nagel (K+N) beteiligt ist. Insgesamt sieben DSV-Niederlassungen sind Teil des IDS-Stückgutnetzes", erklärt es Jochen Eschborn, Vorstand des Ladungsverbundes Elvis AG. "Das sind alles große Häuser, die DSV in den vergangenen 20 Jahren durch Zukäufe von Mittelstands-Speditionen wie VTL, Konz oder Steinle & Co. erworben hat." Eschborn muss es wissen, er war lange Geschäftsführer von DFDS Transport, dem Vorgängerunternehmen von DSV. "Wenn DSV als Gesellschafter bei IDS Logistik aussteigt, brechen der Stückgutkooperation also sieben Standorte in Deutschland weg." Gleichwohl wisse derzeit noch keiner, sagt er, ob und wann das Szenario eines eigenen DSV-Stückgutnetzes eintritt. "Kühne + Nagel ist jetzt natürlich im Zugzwang" Kühne + Nagel (K+N) ist bislang, wie DSV auch, Gesellschafter der Stückgutkooperation IDS. Was bedeutet die Schenker-Übernahme durch DSV nun für K+N? Kühne + Nagel ist jetzt natürlich im Zugzwang, seine Marktposition weiter auszubauen, insbesondere hier im deutschen Markt. Denn K+N ist ja, wie bislang DSV auch, Gesellschafter der Stückgutkooperation IDS Logistik. DSV hätte ja nun dank Schenker sein eigenes Stückgutnetz in Deutschland. Die spannende Frage ist: Wie lange bleibt DSV Gesellschafter von IDS? Und K+N wird sich überlegen müssen, ob es den gleichen Weg des eigenen Netzwerkes gehen will wie DSV. Das Ganze hängt natürlich von den Gesellschafter-Verträgen mit IDS ab. Wird es jetzt also zum Schulterschluss IDS Logistik und Cargoline kommen? Die Gesellschafter-Struktur unserer Kooperationen ist da zu unterschiedlich. Wie gesagt: Sehr viel realistischer ist es, dass die verbleibenden IDS-Gesellschafter wie etwa Kühne + Nagel, Geis Group oder Noerpel darüber nachdenken, ob sie weiter zukaufen bzw. investieren, um die Lücken im Netz zu schließen, die durch den etwaigen DSV-Ausstieg aus der IDS entstehen könnten. Noch ist das alles pure Spekulation. Es ist ja noch nicht einmal klar, wie DSV nun verfährt. Wird der DSV-Deal die Konsolidierungswelle im Stückgutmarkt weiter verschärfen? Ja, auf jeden Fall. Kühne + Nagel muss jetzt in Deutschland reagieren. Die Gelegenheit ist ja derzeit recht günstig, weil die Erlöse und damit die Attraktivität im Stückgutgeschäft wieder niedriger sind. Unruhe und Veränderungen So gesehen ist der DSV-Deal auch für Kühne + Nagel eine Herausforderung. Denn nach wie vor verfüge der Schweizer Speditions- und Logistikkonzern in Deutschland über kein eigenes Stückgutnetz, sondern wickele als Gesellschafter der IDS seine Sendungen über das Netz der IDS Logistik ab, erklärt Eschborn. "Die Nervosität im Markt ist deshalb groß. Alle Szenarien sind denkbar, sofern DSV als Gesellschafter aus IDS ausscheiden sollte." Möglich sei auch, dass dann einzelne Gesellschafter aus Speditionsverbünden ausscheiden und in andere wechseln. Noch sei das alles allerdings reine Spekulation, betont er. Sicher ist für ihn aber: "In der Speditionslandschaft wird es Unruhe und Veränderungen geben." Was Elvis-Vorstand Eschborn darüber hinaus für problematisch hält, ist die Tatsache, dass es nach den großen Speditionsnetzen wie der IDS Logistik, CargoLine und NG. Network nur noch kleinere Speditionsverbünde gebe. "Möglicherweise sind diese zu klein, um die Masse an Sendungsmengen in Deutschland verteilen zu können, die es zum Beispiel im Herbstgeschäft und im anstehenden Weihnachtsgeschäft gibt", befürchtet er. Sein Rat deshalb: "Um die Netze stabil zu halten, müssten die Stückgutverbünde jetzt also dringend miteinander sprechen", appelliert er. Was macht Kühne + Nagel? Hilfe könnte hier allerdings aus einer ganz anderen Ecke kommen. Das erwartet Cornelius Geber. "Für Kühne + Nagel ist das möglicherweise eine willkommene Chance, noch weiter zu expandieren und sich im Stückgutmarkt, auch durch Zukäufe, zu verstärken, um so die eventuell entstehenden Lücken im IDS-Netz zu schließen." Die Möglichkeiten seien zweifellos vorhanden, sagt der Branchenkenner. Und vielleicht übernimmt der Speditions- und Logistikkonzern ja sogar in Deutschland ein ganzes Stückgutnetz, wie derzeit ebenfalls gerade im Markt spekuliert wird.

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