Den Richtigen mitnehmen

Wohl jeder Logistikunternehmer strebt für seinen Betrieb ein Alleinstellungsmerkmal an, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Rolf Benzinger in Friolzheim hat dieses Ziel mit 55 Mitnahmestaplern realisiert. Mit diesen Geräten will er eine "absolute Kundenorientierung" in der Steuerung des Warenflusses garantieren. "Alle Stapler sind Sonderentwicklungen, die auf die spezifischen Anforderungen der Auftraggeber abgestimmt sind", betont der nordbadische Spediteur. Alle Geräte können bis zu 2,5 Tonnen heben und sind mit Vier-Wege-Antrieb sowie Triple-Masten ausgerüstet. Sie können also in nur zwei Meter hohen Tiefgaragen in allen Himmelsrichtungen manövrieren. Außerdem haben sie verstärkte Bremsen und stemmen Steigungen bis 22 Prozent problemlos. "Vor allem auf Baustellen haben sich diese Stapler bewährt", sagt Benzinger. Da die Kunden kein oder nicht ausreichend Equipment für Be- und Entladungen haben, übernehmen das die Fahrer von Benzinger. Am meisten gibt es vor dem Innenbau zu tun. "Wenn Kräne für den Außenbau abgebaut worden sind, können Türen, Fenster oder Zwischenwände nur noch mit Mitnahmestaplern in den Neubau transportiert werden", betont Benzinger. Abläufe beschleunigen Der nordbadische Spediteur steht mit dieser Erfahrung nicht alleine da. Gerade Verlader aus der Bauwirtschaft engagieren gerne Speditionen mit Staplerfuhrparks. Auch Getränkehändler, Kühlhäuser oder Messeveranstalter greifen auf die flexiblen und robusten Geräte zurück. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wenn die Fahrer des Logistikpartners be- und entladen, werden eigene Mitarbeiter entlastet, Abläufe beschleunigt und Kosten reduziert. Die Speditionen profitieren ebenfalls von diesen Fahrzeugen. Ihre Fahrer müssen nicht warten, bis Mitarbeiter und Equipment des Geschäftspartners frei werden. Da die Fahrer außerdem geschult sind, können sie professionelle Ladevorgänge ohne Produktschäden garantieren, was auch die Lieferanten ihrer Kunden zu schätzen wissen. Außerdem winken Aufträge in Nischenmärkten, die aus Kostengründen auf eigene Stapler verzichten. So liefert die Spedition Ritter, Feilitzsch-Zedtwitz, Sand an Tennisanlagen aus. Das Schüttgut wird in Säcke verpackt und auf Paletten verladen, die der Fahrer am Zielort entlädt. Solche kleinen Einsätze kann nahezu jeder Stapler im Markt stemmen. Für viele Arbeiten sind jedoch Geräte nötig, die sich durch besondere Eigenschaften oder Ausrüstungen auszeichnen. Manitou, Moffett, Palfinger und Terberg KingLifter, die vier großen Marken in diesem Nischenmarkt, haben deswegen viele Sondermodelle entwickelt. So wirbt Manitou mit Teleskopauslegern, deren Tragfähigkeit in den letzten Jahren auf 2,7 Tonnen verstärkt worden ist. Außerdem sind sie als Vier-Wege-Maschinen lieferbar und können mit einer "automobilkonformen Bedienung" besonders bequem in alle Richtungen bewegt werden, wie Produktmanager Harald Breitenstein ausführt. Trotzdem besetzen diese Stapler nur eine Nische in der Nische: Von circa 600 Maschinen in Deutschland und 4500 weltweit spricht Breitenstein. E-Stapler vergleichsweise teuer Andere Sondermodelle müssen diese Zahlen erst noch erreichen. So ist die E-Serie von Moffett wegen ihres geräuscharmen Betriebs vor allem für Standorte geeignet, die mitten in der Stadt liegen oder ausschließlich in der Nacht beliefert werden. "Vor allem in Märkten, Lagern und anderen geschlossenen Räumen zahlt sich die E-Serie wegen ihrer völligen Abgasfreiheit aus", betont Head of Sales Stephan Hoppe. Mancher Anwender will mit Elektrostaplern auch sein Umweltengagement dokumentieren und neue Geschäftspartner gewinnen. So gab der Baustoff- und Holzgroßhändler Behrens Woelk, ein langjähriger Stammkunde Moffetts mit heute 110 Mitnahmestaplern, Ende Januar den Kauf von 15 Elektrogeräten bekannt. Stolz spricht Moffett-Hersteller Hiab vom "weltweit ersten mit Lithium-Ionen betriebenen Elektrostapler zum Mitnehmen". Allerdings haben vor den Schweden bereits zwei kleinere Hersteller ihr Glück mit Elektrofahrzeugen versucht und sind gescheitert. Da viele Kunden an ihren Be- und Entladestandorten keine Auflademöglichkeiten anbieten, konnten sich nur wenige Speditionen für eine solche Investition entscheiden. Außerdem sind Elektrogeräte zwischen 8000 und 10.000 Euro teurer als Dieselmaschinen. Da konventionelle Stapler wenigstens 20.000 bis 25.000 Euro und solche mit Allradantrieb, Vier-Wege-Motor, Teleskopausleger und anderem Zubehör 30.000 bis 40.000 Euro kosten, müssen für einen Elektrostapler im Extremfall bis zu 50.000 Euro veranschlagt werden. Wohl vor allem deshalb verzichtet der Wettbewerb weiterhin auf die Entwicklung von Geräten mit Elektroantrieb. Aber mit den Hochleistungsstaplern der Serie M8 hält Moffett noch einen weiteren Trumpf. Als einzige Mitnahmegeräte können diese Geräte bis zu 3500 Kilogramm heben und praktisch alle schweren Lasten transportieren. Flexible Leichtgewichte Auch die übrigen Konkurrenten haben interessante Marktlücken geschlossen. Palfingers Spezialität sind klappbare Modelle, die in einer Box unterm Fahrzeugboden transportiert werden. Konkurrent Terberg-KingLifter wirbt mit hydraulisch einziehbaren, feuerverzinkten Radarmen für alle Allrad- und Vier-Wege-Maschinen sowie Fußraumheizungen über dem Kühlraum für die Motoren. Außerdem fallen einige Modelle durch geringe Eigengewichte auf. Gerade mal 1280 Kilogramm wiegt das Modell TKL-S bei allerdings nur 1500 Kilogramm Hubkapazität. Für viele Anwender reicht dies jedoch völlig aus. "Mitnahmestapler müssen in erster Linie leicht sein", betont Breitenstein. "Bei Standard- wie Sondermodellen verzichten deshalb die meisten Anwender auf Zusatzausstattungen." Allenfalls Seitenschub mit variablen Gabellängen hat sich bislang durchgesetzt. Wenn beispielsweise Lkw nur auf einer Seite be- und entladen werden können, haben die Stapler so größere Reichweiten und können leichter bedient werden. Genau an solchen Verbesserungen arbeitet jeder Hersteller. Neue Modelle sollen vor allem durch bessere Leistung, einfache Wartung und verringerte Betriebskosten überzeugen. Mit diesem Anspruch treten die neue NX-Serie des Moffett-Klassikers MV oder die kürzlich überarbeitete BM-Serie von Palfinger an. Die Hersteller versprechen mehr Sicherheit, geringeren Dieselverbrauch oder eine bequemere Bedienung durch kleine Verbesserungen wie geliftete Motorhauben und Hintertüren oder eine Update der Elektronik. Serviceausbau statt Neuprodukte Branchenkenner rechnen für die nächste Zeit nicht mit aufsehenerregenden Innovationen. "Wie andere Maschinenbauer fahren auch die Hersteller von Mitnahmestaplern als Folge des verschärften Kostendrucks mit Neuprodukten heute deutlich weniger Gewinn als noch vor wenigen Jahren ein, was auch an den stagnierenden Preisen sichtbar wird", sagt Alex Tasbach, Inhaber des gleichnamigen Staplerservices in Elchingen bei Ulm. Vielmehr haben die Hersteller in flächendeckende Netzwerke von Servicetechnikern investiert, die die Stapler regelmäßig warten und an möglichst jedem Einsatzort in kurzer Zeit instand setzen. Qualifizierte Kräfte sind allerdings schwer zu finden. Am liebsten arbeiten Moffett & Co. mit Händlern zusammen, die auch konventionelle Stapler sowie Bau- und Landmaschinen vertreiben. Häufig beschäftigen diese geschulte Servicetechniker, die auch Mitnahmestapler warten und instandsetzen können. Die Netze der Hersteller sind bereits sehr dicht geworden. Manitou kooperiert allein in Deutschland mit 43 Händlern und schult jährlich rund 230 Techniker. Die Ansprüche sind hoch. Da viele Ausfälle während laufender Touren passieren, sollen die Techniker die Geräte möglichst ohne Ersatzteile reparieren. So bleibt der Zeitverlust für den Kunden vergleichsweise klein. "Wenn Ersatzteile overnight oder innight geliefert werden, muss der Fahrer fast immer zusätzliche Wartezeiten einkalkulieren", gibt Tasbach zu bedenken. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Mitnahmestapler www.verkehrsrundschau.de/dossiers Mitnahmestapler in der Praxis Hersteller haben nachgebessert Mit Mitnahmestaplern hatte Rolf Benzinger lange schwer zu kämpfen. Rund 100.000 Euro steckte der Spediteur in sein Equipment, damit die Geräte wetterfest und die Lkw-Züge stabiler werden."Ich muss manchen Anhänger vorzeitig ausmustern", so Benzinger.Die Hersteller haben ihre Produkte aber offenbar erfolgreich verbessert. Heute sind Mitnahmestapler absolut wetterfest. Das bestätigt Sebastian Albrecht, Speditionsleiter bei der Spedition Hermann Ritter in Feilitzsch-Zedtwitz: "Auch nach Nächten mit zweistelligen Minusgraden hat kein Fahrer über die Einsatzfähigkeit der Geräte geklagt", sagt der oberfränkische Logistiker. Albrecht ist für einen Fuhrpark aus 23 Lkw-Zügen und 18 Staplern verantwortlich. Nahezu jede Einheit ist mit Halterungen ausgestattet, was die Spedition sehr flexibel macht. Von Nordbayern aus fährt sie täglich Ziele in Deutschland und angrenzenden Ländern an. Den ersten Stapler kaufte sie vor rund 25 Jahren für den Transport und die Entladung von Kühlzellen ein. Heute nutzen auch Baustoff-, Elektrobauteile- und Getränkehersteller das Kombiangebot der Oberfranken."Unsere Geräte sind geländegängig und haben übergroße Reifen sowie Triplexmasten", erklärt Albrecht.Ansonsten legt die Firma Wert auf eine florierende Ersatzteilversorgung."Hier haben die Hersteller ihre Angebote stark nachgebessert", freut sich Albrecht. Vor wenigen Jahren war das noch anders. Als an einem Freitagnachmittag in Berlin ein Stapler wegen eines defekten Elektronikteils ausfiel, musste der Fahrer bis Montagmittag mit der Weiterfahrt warten."Wenn wir die Zustellung der Ersatzkomponente aus Cottbus nicht selbst organisiert hätten, wäre der Lkw noch später gestartet", erinnert sich der Speditionsleiter. bot