Datenschätze heben

Der digitale Tachograf fungiert bereits seit Jahren als wichtiger Datenlieferant für Telematik- und Flottenmanagementsysteme: per Remote Download landen Tachodaten im System - schon hat der Nutzer in Kombination mit Fahrzeugortung und Auftragsübermittlung eine solide Basis, seine Transportprozesse zu digitalisieren. Und der Datentransfer wird in absehbarer Zukunft massiv ausgebaut. Denn am 15. Juni 2019 beginnt eine neue Ära im Bereich der Fahrtenschreiber. Dann greift die Umsetzung einer EU-Verordnung, die den neuen, smarten Tachografen bei Erstzulassungen vorschreibt. Wenngleich die Nachrüstpflicht sehr großzügig bemessen ist, bietet die neue Tachografen-Generation schon bald nicht nur für Kontrolleure, die dank der DSRC-Technologie (Dedicated Short Range Communication) gezielter kontrollieren können, sondern auch für Unternehmen ganz neue Möglichkeiten (siehe auch BWVL-Kommentar auf Seite 31). So bringt der smarte Tachograf neben der Fernkommunikation für Kontrollbehörden unter anderem die automatische Positionsbestimmung durch ein globales Satellitensystem (GNSS) sowie eine standardisierte ITS-Schnittstelle (Intelligent Transportation Systems) für Telematik- und Flottenmanagement-Systeme mit. Auslieferung des DTCO 4.0 gestartet VDO als führender Hersteller digitaler Tachografen liegt mit der Auslieferung der neuen Tachogeneration, des DTCO 4.0, nach eigenen Angaben voll im Plan, alle Kunden hätten die ersten Geräte erhalten. "Wir haben dank einer enormen Kraftanstrengung als erster Anbieter im Markt die Typengenehmigung erhalten - lange vor dem Inkrafttreten der neuen DTCO-Gesetzgebung", heißt es nicht ohne Stolz aus der Continental-Zentrale. Auch softwareseitig hat sich VDO vollumfänglich auf die Markteinführung vorbereitet. Bereits seit Ende 2018 seien alle Downloadtools, die für das Einhalten der gesetzlichen Archivierungsfristen notwendig sind, auf den DTCO 4.0 angepasst worden. Wenn die neue Tachografenverordnung in Kraft tritt, würden alle Flottenmanagement-Funktionen des hauseigenen Produkts TIS-Web auch mit dem DTCO 4.0 funktionieren. Um weiterhin die Archivierungs- und Auswertungsfunktionen nutzen zu können, muss ein Update geladen werden. Gemeinsam mit der neuen Version von TIS-Web werden auch die Apps auf den neuesten Stand gebracht. Und wie stimmen sich andere Verarbeiter der Tachodaten auf die neue Generation und das größere Potenzial ein? "Die Couplink-Telematiksysteme werden auch mit dem smarten Tachografen funktionieren", betont Monika Tonne, Vorstandsmitglied und Mitinhaberin von Couplink. Die zusätzliche, kostenpflichtige Schnittstelle erlaube das Übertragen weiterer Daten wie Informationen zu Achslasten, Kühl- oder Tankinhalt. "Diese zusätzlichen Daten, die auch heute bereits über andere Schnittstellen bereitgestellt werden, können den Kunden über das Telematiksystem natürlich ebenfalls zur Verfügung gestellt werden", so Tonne. Peter Giesekus, Geschäftsführer TIS Technische Informations-Systeme, merkt in diesem Zusammenhang an, dass die bei seinen Kunden eingesetzte Truckbox ganz unabhängig vom verbauten Tacho die gewünschten FMS-Daten überträgt. "In unserem Haus gibt es derzeit keine Aktivitäten in Sachen neuer Tachograf und wir haben noch keinerlei spezifizierte Anforderungen aus Kundenprojekten erhalten", so Giesekus. Datengold für Leasing und Versicherer Tacho-Spezialist VDO, der bereits seit geraumer Zeit die Schnittstellen TIS-Web Connect und TIS-Web Extract zum Austausch der Informationen mit Drittsystemen, darunter TomTom, nutzt, nimmt mit dem neuen Datenschatz aber auch über Telematik hinaus neue Zielgruppen ins Visier. So spricht VDO nach eigenen Angaben mit Unternehmen aus verschiedenen Branchen über potenzielle Mehrwertdienste, die sich aus dem smarten Tachografen ergeben. Gefragt seien insbesondere Daten zu Geschwindigkeiten, Lenk- und Ruhezeiten und Bewegungsprofilen. Auf dieser Grundlage könnten beispielsweise Versicherungstarife oder Leasingverträge präzise berechnet werden. Anbieter von Systemen für die Gehaltsabrechnung etwa könnten auf Basis der Positions- und Zeitangaben Nachtzuschläge oder Spesensätze bei Fahrten im Ausland ermitteln. Bei Tachodaten, die unter die DSGVO fallen, muss der Fahrer freilich zustimmen. Couplink-Mitinhaberin Tonne derweil ist im Zusammenhang mit der neuen Tachografengeneration noch ein ganz anderer Aspekt sehr wichtig: Kontrolleure können künftig während der Fahrt Fahrzeug- und Kalibrierungsdaten sowie Informationen zu Fehlfunktionen und Sicherheitsverletzungen auslesen und somit viel gezielter kontrollieren. Laut Tonne werde es daher für Spediteure noch wichtiger, dass sie den Zugriff auf die echten Lenk- und Ruhezeiten-Daten haben, um Verstöße vorzeitig abzufangen. "Dies gewährleisten wir bereits mit unserem aktuellen Telematiksystem: Es werden die echten Daten in das Portal übertragen und Fahrer entsprechend markiert, die gegebenenfalls Verstöße auslösen könnten", so Tonne. Digitalisierungsschub bei den Kleinen Die sukzessive Verbreitung des smarten Tachografen könnte aus diesem Grund durchaus einen Digitalisierungsschub bei kleineren Unternehmen auslösen. Denn durch die bessere Überprüfbarkeit der Verstöße würden auch kleinere Speditionen gezwungen, für eine bessere Kontrolle und Steuerung der Fahrer durch den Disponenten zu sorgen. "Auch diese werden lieber in Digitalisierung investieren als in teure Strafen", so Tonne. Mehr zum Thema im Dossier Digitaler Tachograf www.verkehrsrundschau.de/dossiers Profi-Portal Online-Kurse jetzt in rumänischer SpracheDas Profi-Portal VerkehrsRundschau Plus bietet die Online-Unterweisung "Schulung zum Digitalen Kontrollgerät" für VDO Release 2.2 und 3.0 ab sofort in rumänischer Sprache an. Es werden alle wichtigen Einstellungen und Nachträge geschult. Nach erfolgreichem Abschluss erhalten Kursteilnehmer ein Zertifikat, in dem alle trainierten Inhalte des betreffenden Kontrollgeräts aufgeführt sind. hawww.verkehrsrundschau.de/plus/digitacho Statement Smarter Tachograf - das Allheilmittel?Von der Tachoscheibe im analogen Fahrtenschreiber bis zum elektronischen Tachografen - in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Aufzeichnung der Lenk- und Ruhezeiten für Fahrer gewandelt. Zum 15. Juni 2019 startet nun eine ganz neue Ära. Der smarte Tachograf geht an den Start.Der smarte Tachograf wird mit automatischer Erfassung der Positionsdaten die Aufzeichnung für Fahrer vereinfachen, Manipulationen verhindern und Missbrauch insbesondere geltender Kabotagebestimmungen vorbeugen. Unternehmen dürfen dabei sicher nicht die sich ergebenden Möglichkeiten des Flottenmanagements und der Routenoptimierung außer Acht lassen. Die verfügbaren Geodaten im Zusammenhang mit den Lenk- und Ruhezeiten lassen zahlreiche Rückschlüsse zu. Wichtig ist jedoch, dass die Verwendung der Daten, unter Einhaltung jeglicher datenschutzrechtlicher Bestimmungen, auch für betriebswirtschaftliche Zwecke möglich ist. Nur so lassen sich weitere Effizienzpotenziale aufdecken und in der Planung berücksichtigen. Ein weiterer Schritt hin zur Digitalisierung in der Transport- und Logistikbranche und sicher auch ein Beitrag zur Einsparung von CO2-Emissionen.Neben Ausbau und Vereinfachung der Erfassung soll der smarte Tachograf auch die gezielte und effiziente Kontrolle bei Verdachtsmomenten ermöglichen. Die schwarzen Schafe der Branche lassen sich mit der neuen Technologie durch Vorabüberprüfung während der Fahrt einfacher herausfiltern. Auch wenn dieses Szenario verlockend klingt, wird sich wohl während der Übergangsphase in den nächsten Jahren in der Kontrollpraxis nichts ändern. Der smarte Tachograf ist mit seinen zahlreichen neuen Funktionen sicher kein Allheilmittel, jedoch ein weiterer wichtiger Schritt Richtung Digitalisierung der Branche.Lea Metzler, Referentin des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik BWVL

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