Frankfurt/Main. „Niemand fliegt freiwillig Fracht!“ Der Chef der Lufthansa Cargo, Peter Gerber, weiß, dass er ein schwieriges Geschäft betreibt. Luftfracht ist pro Kilo 50 mal so teuer wie der Transport per Seeschiff, da braucht es schon ganz besondere Gründe, um Güter im Flugzeug um die ganze Welt zu transportieren. Das wichtigste Argument ist die Schnelligkeit, weil Just-in-Time-Fabriken und anspruchsvolle Konsumenten keine langen Wartezeiten mehr akzeptieren.
Doch in einem eigentlich positiven Umfeld sind die Lufthansa Cargo und mit ihr das Frachtdrehkreuz Frankfurt ins Stottern geraten. Die Cargo-Tochter des Kranichs leidet unter der Konkurrenz: Während das Frachtaufkommen von und nach Zentraleuropa in etwa gleich bleibt, bieten konkurrierende Fluggesellschaften immer mehr Frachtraum an. In der Folge sind die Nettoerlöse für Cargo innerhalb eines Jahres um bis zu 20 Prozent gesunken, deutlich schneller als im Passagiergeschäft.
Der Zuwachs stammt allein von zusätzlichen Passagiermaschinen, die als willkommenes Nebengeschäft Zuladungen an Bord nehmen können. Das macht die Lufthansa zwar auch, bietet aber darüber hinaus zusätzliche reine Frachtmaschinen an, die immer schwerer voll zu kriegen sind.
Die Frachterflotte ganz abzuschaffen, steht im Konzern aber nicht zur Debatte, weil es dafür beispielsweise in den großen chinesischen Industriezentren immer noch einen großen Bedarf gibt. Eher parkt die Lufthansa einzelne ihrer älteren, längst abgeschriebenen Fracht-Jets in der trockenen Wüste von Nevada.
Als zweitgrößtes europäisches Frachtdrehkreuz lag Frankfurt 2015 weltweit auf Platz zehn und damit unmittelbar hinter dem Konkurrenten Charles de Gaulle in Paris. „Von hier aus wird 'Made in Germany' in wenigen Stunden in die ganze Welt geflogen“, sagt die Flughafen-Managerin Anke Giesen. Die Exportnation Deutschland brauche den Flughafen, um seine Pharma- und Chemieprodukte oder Auto- und Maschinenteile ans Ziel zu bringen.
In der Gegenrichtung gelangen unter anderem in China montierte Handys, afrikanische Blumen und Frischwaren aus aller Welt via Frankfurt nach Europa. Der größte deutsche Fischmarkt ist ein wichtiger Bestandteil des „Perishable Centers“ für verderbliche Waren am Flughafen. Am weltweiten Luftfrachtwachstum von plus 2,4 Prozent konnte der größte deutsche Flughafen im vergangenen Jahr aber nicht teilhaben, sondern verzeichnete als einer der wenigen großen Anbieter einen Mengenrückgang, und zwar um 2,6 Prozent.
Lufthansa Cargo will sparen
Nach einem durchwachsenen Jahr 2015 mit rückgängigen Umsätzen und einem Ebit-Gewinn nahe der Nulllinie hat sich Lufthansa Cargo ein hartes Sparprogramm auferlegt. Das geplante neue Frachtzentrum wurde auf Eis gelegt, inzwischen wird über kleinere Varianten nachgedacht.
Bis zu 800 der insgesamt 4600 Arbeitsplätze sollen wegfallen, davon 500 in Deutschland. Mit bis zu 400 gestrichenen Jobs wird der größte Standort Frankfurt natürlich am härtesten getroffen. Die jährlichen Kosten sollen mittelfristig um 80 Millionen Euro sinken.
Fraport-Vorstandsfrau Giesen verlangt verlässliche Perspektiven zur Entwicklung des Frachtgeschäfts. Der Flugbetrieb in Frankfurt muss bereits ein scharfes sechsstündiges Nachtflugverbot verkraften, weitere Einschränkungen gelten in den beiden Randstunden vor Betriebsende und nach Betriebsbeginn. Weitere Lärmschutzmaßnahmen dürften nicht zu Lasten der Kapazität des Flughafens gehen, mahnt Giesen die schwarz-grüne Landesregierung in Wiesbaden und pocht dabei auf die höchstrichterlich betätigte Planfeststellung.
In den Plänen steht für das Jahr 2020 eine Prognose von 701.000 Starts und Landungen – was noch einmal eine Steigerung von 50 Prozent vom derzeitigen Niveau bedeuten würde (468 000 Flugbewegungen in 2015). Wie sich dieser Zuwachs mit einer von vielen Anwohnern herbeigesehnten Lärm-Obergrenze vertragen soll, gehört zu den offenen Fragen hessischer Standortpolitik.
Lufthansa Cargo hofft angesichts der Branchenkrise und der zunehmenden Digitalisierung auch von Frachtprozessen auf neue Geschäftschancen mit Privatkunden. Noch in diesem Jahr sollen Lufthansa-Kunden per Smartphone-App ein Fracht-Ticket buchen können – um etwa ihr Motorrad für einen Highway-Trip in die USA fliegen zu lassen. Bisher muss dafür ein Spediteur zwischengeschaltet werden.
Auch vom wachsenden Online-Handel über die Kontinente hinweg will das Unternehmen profitieren und hat dazu Kooperationen mit großen Versandhändlern wie Amazon im Auge. (dpa/ag)