CO2 messen: Der Druck steigt

In Kürze Um die steigenden gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, verlangen Auftraggeber auch von ihren Transport- und Speditionspartnern zunehmend, ihnen den beim Transport anfallenden CO2-Ausstoß nachzuweisen. Wir erklären in zwei Teilen, was Unternehmer dazu wissen müssen. Dies ist Teil I. "Umweltbewusste Transportlösungen - das bieten wir mit unserer Spedition seit über 20 Jahren - weil uns selbst der Klimaschutz wichtig ist, aber auch weil der Gesetzgeber und unsere Kunden dies von uns stärker einfordern", sagt Prokurist Pascal Schober, die vierte Generation im Familienunternehmen Schober Transport in Weinstadt. Der Betrieb erbringt mit 160 eigenen Lkw Komplettladungsverkehre, vor allem für Kunden der Lebensmittel- und Automobilbranche. Alles in allem bereite das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit aber Aufwand. Grund dafür: "Die Regularien und Vorgaben nehmen immer weiter zu", erklärt Schober. Allein der administrative Aufwand, die Daten zu erheben, diese aufzubereiten und zu analysieren, sei enorm und werde immer höher. "Wir haben allein eine Mitarbeiterin beschäftigt, die sich ausschließlich um die Qualitäts-, Umwelt- und Energiethemen kümmert, um da die Vorgaben in Sachen Audits für unsere Kunden und den Gesetzgeber zuverlässig erfüllen zu können." Erschwerend komme hinzu, dass es einen großen Flickenteppich von unzähligen Zertifizierungsstellen und Beratern gebe. Sein Wunsch deshalb: eine zentrale Institution in Deutschland, die branchenübergreifend nach einheitlichen Kriterien die grünen Prozesse in den Firmen monitort und ein einheitliches Siegel vergibt. Neue Pflichten fordern Unternehmen CO2-Emissionen messen, analysieren und reduzieren - "Auftraggeber machen heute Dienstleistern deutlich stärker Druck. Zusätzlich erhöht sich der politische Druck auf die Unternehmen", stellt auch Dirk Lohre fest, Professor für Verkehrslogistik und logistische Dienstleistungen an der Hochschule Heilbronn sowie Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums Forwarding and Logistics Center Forlogic. Etwa über die neue EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), mit der Unternehmen in der EU künftig (für die meisten Firmen beginnend mit Daten aus 2025 und Berichten in 2026 - Anm.d.Red.) in viel größerem Umfang als bislang in ihrem Lagebericht des Jahresabschlusses Rechenschaft über die wesentlichen Themen aus Ökologie, Soziales und Unternehmensführung ablegen müssen. "Um das Thema CO2-Emissionen ermitteln, messen und transparent machen kommt man als Transport-, Speditions- und Logistikdienstleister nicht mehr herum", betont Lohre. "Immer mehr Kunden sind bereit, für die grüne Variante mehr zu zahlen" "In aktuellen Ausschreibungen von Neugeschäften werden mittlerweile häufig zwei Preise abgefragt: ein Preis, der auf Basis von Diesel-Lkw kalkuliert ist und ein ,grüner' Preis auf Basis einer CO2-freundlicheren Variante", erzählt Pascal Schober, Prokurist des Familienunternehmens Schober Transport in Weinstadt, das Transport- und Logistikdienstleistungen insbesondere für die Lebensmittel- und Automobil-Branche erbringt. Immerhin: Die Kunden seien technologie-offen, sagt der 33-Jährige. Er müsse ihnen aber mit einem Konzept darlegen, wie viel CO2 er einsparen werde, wie dies konkret erfolgen soll und wie er die Mehrkosten rechtfertigt. Am Ende entscheide dann der Kunde, welche Option er bevorzugt. Interessant ist: "Immer mehr Kunden sind bereit, für die grüne Variante mehr zu bezahlen. Das kommt verstärkt." Nur die Höhe der CO2-Emissionen seiner Fahrzeuge zu ermitteln und seinen Kunden ausweisen zu können, reicht Schober nicht. Im nächsten Schritt will er nun weitere direkte, aber auch indirekte CO2-Emissionen ermitteln und ausweisen können - Stichworte "Scope 2" und "Scope 3". "Also den CO2-Ausstoß, den wir durch die Zusammenarbeit mit unseren vor- und nachgelagerten Lieferanten und Dienstleistern haben, die ja ebenfalls CO2 verursachen", erklärt Schober. Im Idealfall wolle er seine eigenen Nachhaltigkeits-Kennzahlen mit den Kennzahlen seiner Branchenkollegen vergleichen. Administrativer Aufwand steigt Für das Vorhaben der detaillierten Analyse der direkten und indirekten Emissionen gebe es immerhin Tools, sagt Schober; zum Beispiel den ECO-Tracker des Unternehmens FUMO Solutions, das wie die VerkehrsRundschau zu TECVIA gehört. Dreierlei sei ihm bei der Auswahl des Anbieters wichtig: der Preis, die Praktikabilität der Lösung und vor allem der Fokus der Lösung auf die Transportbranche. "Wir brauchen branchenspezifische Kennzahlen. Da hilft uns keine allgemeine Software." Zudem sei für ihn die fachliche Beratung wichtig. Unterm Strich macht das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit also durchaus Aufwand. So nehmen laut Schober nicht nur die Regularien und Vorgaben zu, sondern auch der administrative Aufwand für die Daten-Erfassung und -Analyse. eh Mittelständler schreckt die Normenflut Große Herausforderung dabei ist: "Die Normenflut in diesem Bereich ist enorm und in den letzten Jahren sogar noch größer geworden. Für einen Mittelständler ist es daher mittlerweile schwierig", warnt der Wissenschaftler, "sich in diesem Dickicht überhaupt zurecht zu finden." Was also rät er Transport- und Speditionsbetrieben zu tun, wenn Kunden von ihnen nun den CO2-Ausstoß ausgewiesen haben wollen? "Die erste Frage, die es zu klären gilt: Für was benötigt der Verlader diese Daten überhaupt, und will ich das Thema auch über diesen CO2-Ausweis hinaus umfassend angehen?", erläutert Lohre. Fakt sei, dass ein Verlader diese Daten in der Regel für den eigenen CO2-Fußabdruck brauche. Erstellt er diesen nämlich nach dem Greenhouse Gas Protocoll (GHG) oder der ISO 14064, müssen seine jährlichen Transport-Emissionen in "Scope 3" aufgeführt werden. Die Auflagen der Auftraggeber seien, gerade in puncto Scope 3, in den letzten Jahren deutlich gestiegen, weiß Lohre. "Man kann da nichts mehr beliebig reinschreiben. Die Daten der Dienstleister müssen wirklich belastbar und auch für die Zukunft konsistent sein." Was beim Speditions- und Transportdienstleister belastbar sei, würden letztlich zwei "Werke" definieren - an die sollten sich die Betriebe halten, rät er. Zum einen gebe es den durch das Smart Freight Center in den Niederlanden entwickelten "Global Logistics Emissions Council-Framework" (GLEC, aktuell Version 2.0). Er enthält konkrete Vorgehensweisen und Werte, wie transportbezogene CO2-Emissionen mit allen Verkehrsträgern (auch bei mehrgliedrigen Transportketten) kalkuliert werden sollten. Wichtig hier: Auch das oben erwähnte GHG nennt explizit den GLEC als Quelle, betont Lohre, sodass dieser weltweit als Grundlage für Scope 3-Emissionen akzeptiert werde, die aus Transport- und Logistikservices stammen. Das zweite Werk ist die in diesem Sommer veröffentlichte DIN EN ISO 14083. "Die ist ganz neu. Sie wird die bisherige Norm 16258 ersetzen, die lediglich europäische Ausstrahlung hatte, ist mit ihr aber in weiten Teilen deckungsgleich. Die 14083 baut auf dem GLEC auf", weiß Lohre. "Wer also seine CO2-Emissionen bislang nach GLEC berechnet hat, kann damit auch künftig weiter rechnen und vor allem sich nach dieser Norm 14083 auch zertifizieren lassen." Überprüfbare Vorgehensweisen unterstützen laut Lohre im Übrigen auch eine standardisierte Berichterstattung, was letztlich auch die Akzeptanz und Verlässlichkeit bei der Emissionsberechnung für kleine und mittlere Betriebe der Branche erhöhe. Denn diese könnten so ihrem Auftraggeber nachweisen, dass sie ihren CO2-Ausstoß "zertifiziert" erhoben haben - ein echter Wettbewerbsvorteil bei Ausschreibungen. Wichtig dabei auch: "Kein Unternehmer ist bislang gesetzlich dazu verpflichtet, CO2-Emissionen zu erheben. Noch kann jeder selbst darüber entscheiden - sofern ihn sein Auftraggeber nicht in die Pflicht nimmt", so Lohre. Das Thema CSRD komme aber auf die Firmen zu - wie eingangs geschildert. Ermittlung von CO2-Ausstoß komplex Bleibt die Frage, welche Daten ein Transporteur oder Spediteur überhaupt berücksichtigen muss, um seinen CO2-Ausstoß zu ermitteln - etwa pro Tour. Recht einfach gestaltet sich dies bei Komplettladungen, sagt Lohre. Letztlich müsse dafür nur der Dieselverbrauch pro Lkw und Transport mit dem CO2-Emissionsfaktor 3,24 Kilogramm/Liter Diesel (berücksichtigt die sogenannte Vorkette für die Dieselproduktion und die direkten Emissionen beim Verbrennen des Diesels) multipliziert werden. Deutlich komplexer wird die Ermittlung von CO2-Emissionen hingegen im Stückgutbereich, weiß Lohre, dessen Beratungsfirma Forlogic Speditionen auch in dieser Frage berät. Jedes Element der Transportkette, also Vorlauf, Hauptlauf und Nachlauf, muss separat kalkuliert werden. Hinzu kommen künftig auch die stationären Prozesse, also der Umschlag. Da in allen Teilprozessen stets mehrere Sendungen abgewickelt werden, komme es hier auch auf eine sinnvolle Schlüsselung an. Gut zu wissen: IT-Tools können Transport- und Speditionsbetriebe hierbei unterstützen. Mehr dazu in der nächsten VerkehrsRundschau Ausgabe 19/2023. Das beste IT-Tool hilft aber nichts, wenn Mitarbeiter die Daten dafür nicht sauber erfassen. Mehr dazu im folgenden Kasten. Warum Mitarbeiter Daten häufig nicht korrekt eingeben Kai Hoberg, Professor für Supply-Chain an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg Transport- und Logistikdienstleister sind immer mehr in der Pflicht, ihren CO2-Ausstoß zu ermitteln und in CO2-Reportings ausweisen zu können. Doch häufig hakt es daran, dass ihre Mitarbeiter diese Daten fehlerhaft oder auch unvollständig erfassen. Woran liegt das? Genau das haben wir bei einem Beratungsprojekt für die Australische Post in Sydney vor Kurzem in einer Studie untersucht - zum einen über persönliche Gespräche, zum andern datengetrieben. Hier war es so, dass die Lkw-Fahrer der Post zwar Handhelds hatten, um die Gitterboxen mit den Paketen bei der Abholung und Zustellung zu scannen. Sie konnten, mussten aber nicht, die Zahl der Boxen erfassen. Mit der Folge, dass die Post, als es um die Optimierung der Prozesse ging, keine validen Mengen-Daten zur Verfügung hatte - zumal ihr Geschäft sehr volatil ist. Woran hakte es also, dass die Fahrer die Daten nicht sauber erfasst haben? Zugespitzt formuliert lag es seinerzeit daran, dass die Personen für ihren Job als Fahrer und nicht als Datenspezialist bezahlt worden waren und oft nur eine geringe Motivation hatten, die Daten vollständig zu erfassen. Natürlich lag es zudem an ihrer Arbeitsbelastung, dem Zeitdruck und ihrer Ermüdung - was auch von ihren Pausen abhängt. Es macht auch einen Unterschied, wie wir aus Untersuchungen wissen, wie lange ein Mitarbeiter in seinem Beruf tätig ist. So gibt ein erfahrener Mitarbeiter in der Regel mehr Daten ein als ein Berufsanfänger. Der wichtigste Grund aber ist: Die Mitarbeiter wissen schlichtweg meist nicht, wie wichtig die Daten für ihren Arbeitgeber sind. Das lässt sich in nahezu allen Unternehmen beobachten, egal in welcher Branche. Was raten Sie vor diesem Hintergrund Firmenchefs und Führungskräften zu tun, um die Datenqualität zu verbessern? Wichtig ist, dass die Unternehmensführung und das Management einen Blick darauf haben. Das Thema vollständige Dateneingabe muss in ihrem Fokus stehen und entsprechend müssen sie auch ihre Mitarbeiter dazu ermutigen. Wichtig ist: Es gibt dafür nach wie vor nicht mehr Geld; den Mitarbeitern muss aber vor Augen geführt werden, welche Bedeutung die Daten für ihr Unternehmen haben. Wenn man dies den Mitarbeitern richtig erklärt, etwa über Schulungen oder Arbeitsweisungen, und kleinere Anreize wie Anerkennung über "Awards" setzt, bringt das große Effekte. Der Anteil der Daten, die erhoben wurden, hat sich in unserem Fall dadurch von 69 auf 88 Prozent deutlich erhöht. eh

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