CO2-Emissionen in der Chemielogistik

CO2-Emissionen in der Chemielogistik Moderne Flotten und grüne Konzepte Ein neuer Leitfaden des VCI soll helfen, die CO2-Emissionen in der Chemielogistik zu ermitteln. Klimaschutz spielt zwar eine wichtige Rolle in den Firmen, die Anforderungen an die Logistikdienstleister halten sich jedoch in Grenzen – noch. Die ganze Branche spricht über CO2. Wenn es aber konkret wird und Fragen beispielsweise zur Berechnung von CO2-Emissionen kommen, dann wird es still. „Mit dem Thema CO2-Emissionen beschäftigen wir uns im Allgemeinen, möchten uns für Berichterstattungen jedoch noch Zeit lassen“, heißt es aus einer Spedition. Ein anderer, namhafter Chemiespediteur teilte mit, dass sich kein Mitarbeiter dazu äußern wolle. Schließlich habe man „wichtigere Dinge zu erledigen“. Leitfaden soll Lücke schließen Das verwundert, gerade auch deshalb, weil das Thema erst kürzlich für die chemische Industrie und deren Logistikdienstleister an Aktualität gewonnen hat: Der Verband der chemischen Industrie (VCI) veröffentlichte im Juli einen Leitfaden zur Ermittlung der CO2-Emissionen in der Logistik der Branche. „Ziel des Leitfadens ist es, den Unternehmen Unterstützung bei der Berechnung von Emissionswerten im Transport zu geben“, sagt Andreas Rausch, VCI-Projektleiter Green Logistics. Schließlich habe es bislang weder national noch international ein abgestimmtes Verfahren zur Ermittlung und Bilanzierung von CO2-Emissionen im Transport gegeben. Seiner Ansicht nach gewinnt das Thema Emissionen im Transport an Bedeutung. „In vielen Unternehmen werden bereits entsprechende Daten erhoben, allerdings häufig mit unterschiedlichen Vorgehensweisen“, so Rausch. Die entscheidende Frage laute jedoch: „Wie werden die gewonnenen Erkenntnisse bewertet und welche Maßnahmen werden daraus abgeleitet?“ Dass künftig noch andere Emissionen berechnet werden, hält er für unwahrscheinlich: „Da CO2-Emissionen im Transport einen Anteil von mehr als 90 Prozent der Luftschadstoffe darstellen, liegt hier sicherlich zurzeit der Fokus.“ Auch in seiner Funktion als BASF Vice President Procurement for Surface Transportation, Warehousing and Claims befasst sich Rausch mit dem Thema. Im letzten Jahr habe die BASF die CO2-Emissionen für alle Transporte, bei denen sie Frachtzahler war, von und zum Standort Ludwigshafen ermittelt. Die Dienstleister nimmt er klar in die Pflicht: „Neben den Verladern sind die Logistikfirmen gefordert, neue Wege und Ideen im Zusammenhang mit klimafreundlichen Transportdienstleistungen zu suchen, die zugleich den Kriterien Wettbewerbsfähigkeit und Transportsicherheit genügen.“ Wer wettbewerbsfähig bleiben will, kommt daran wohl nicht vorbei. Die BASF berücksichtige das Thema „Nachhaltigkeit“ bei der Bewertung von Dienstleisterangeboten im Rahmen von Transportausschreibungen systematisch. „Entscheidend wird bei der Auftragsvergabe aber weiterhin das Gesamtangebot aus Service, Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sein“, betont Rausch. Auch für die Wacker Chemie AG sind Umweltaspekte seit Jahren ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der Logistikwege und -partner. Wo möglich werde Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert. Die mit den Transporten verbundenen CO2-Emissionen berechnet Wacker derzeit aber nur in Einzelfällen. Das hat diverse Gründe: Viele CO2-Rechner bieten nur eine sehr vereinfachte Methode. „Außerdem steht die Transportoptimierung wie die Vermeidung von Leerfahrten im Fokus unserer Arbeit. Hier bieten die Tools noch kaum Möglichkeiten“, sagt ein Unternehmenssprecher. Die Fähigkeit des Dienstleisters, CO2-Emissionen berechnen zu können, spielt für Wacker eine untergeordnete Rolle. Vielmehr berücksichtige das Unternehmen bei der Wahl der Transportfirmen die Fahrzeugflotte und das Logistikkonzept. Keine Preiszuschläge für grüne Logistik Obwohl die chemische Industrie noch selten die Berechnung der CO2-Emissionen fordert, setzen sich viele Speditionen mit dem Thema auseinander. „In Ausschreibungen der Kontraktlogistik sowie in aktuellen Frachtausschreibungen großer Konzerne gibt es zwischenzeitlich erste Ansätze, welche das Thema ‚Carbon Footprint‘ belegen. Separat ausgewiesene Preiszuschläge für die Qualifizierung eines Dienstleisters in diesem Segment werden jedoch nicht bezahlt“, erklärt Armin Dullinger, Geschäftsführer der Andreas Schmid Internationale Spedition. Überzeugt ist er trotzdem, dass Auftraggeber die Aktivitäten der Dienstleister würdigen. Sein Unternehmen erhebt bereits die Kennzahlen der absoluten Verbräuche, welche direkt durch die Anlagen – also Gebäude und Fahrzeuge – erzeugt werden. „Theoretisch könnten wir auf dieser Basis auch die Werte unserer eingesetzten Subunternehmer erheben. Dies ist im nächsten Schritt geplant.“ Generell begrüßt Dullinger die Erstellung des Leitfadens – vor allem deshalb, weil so das öffentliche Interesse in puncto Klimaschutz geweckt wird. „Über die Herangehensweise, die darin ermittelten Werte, die angenommenen Kriterien und die Berechnungsmethode kann man jedoch trefflich diskutieren. Wir brauchen dringend eine industrieunabhängige, eindeutige und vergleichbare Berechnungsbasis“, sagt er. Dass nur wenige Kunden die Berechnung der CO2-Emissionen fordern, bestätigt Michael Schaaf, Geschäftsführer von Bay Logistik. Durch Investitionen in neue Fahrzeugtechnologie, Fahrerschulungen, Bewertung der Transportumläufe und Verifizierung, ob eine Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene Sinn macht, versucht er, die CO2-Emissionen möglichst gering zu halten – und das nicht erst, seit Klimaschutz auch in der chemischen Industrie zu einem Topthema avancierte. ❙❚■ Tanja Strauß, freie Journalistin Bei den Chemieunternehmen rückt der Umweltgedanke immer stärker in den Vordergrund – auch in der Logistik Mit welchen Normen und Standards lassen sich die Kohlendioxid-Emissionen in der Transportlogistik korrekt berechnen? Diese Frage beantwortet die 2. Fachtagung „CO2-Messung in der Transportlogistik“, die die VerkehrsRundschau in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) am 7. Dezember 2010 in Düsseldorf durchführt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Präsentation des für Ende des Jahres vorgesehenen Entwurfs der europäischen CEN-Norm zur Messung des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen bei Transportdienstleistungen. Weitere Informationen zum Programm und Anmeldung unter www.verkehrsrundschau.de/events. ak Kein Aufschlag für CO2-Berechnung Frank Schröer, Director International Logistics bei der B. Braun Melsungen AG, zum Thema CO2 in der Transportlogistik. Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Logistikdienstleiter in puncto CO2-Emissionen? Frank Schröer: Wir haben in unserem Anforderungsprofil an die Dienstleister festgeschrieben, dass nur schadstoffarme Transportfahrzeuge eingesetzt werden oder der Fuhrpark schrittweise umgestellt wird. Zukünftig erwarten wir von unseren Dienstleistern exaktere Aussagen in Bezug auf die CO2-Emissionen. Gibt es Dienstleister, die diese Anforderungen bereits erfüllen? Eine exakte Aussage zur Ermittlung der CO2-Emissionen können wir derzeit nur von den ganz Großen im Markt bekommen. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen tun sich oft noch schwer und benötigen hierzu auch Unterstützung und Zeit. Ist Ihr Unternehmen bereit, für den Aufwand zur Berechnung der CO2-Emissionen einen Preis zu zahlen? Da die Reduzierung von CO2-Emissionen auch für die Unternehmer mittel- bis langfristig eine Kostenreduzierung durch Treibstoffeinsparung bedeutet, sind wir hierzu nicht bereit. Investitionen wie beispielsweise in einen schadstoffärmeren Fuhrpark oder wärmegedämmte Logistik-immobilien sind Investitionen in die Zukunft. ts Interview Frank Schröer Die Chemiebranche Prescht vor Der VCI-Leitfaden Der Leitfaden des Verbands der chemischen Industrie (VCI) bietet Chemieunternehmen die Möglichkeit, erste grobe Berechnungen durchzuführen und zu ermitteln, wie die CO2-Belastung bei Transporten ist und wie sie – durch alternative Beförderungsabläufe – verändert werden kann. Die Autoren wenden die entfernungsbasierte Berechnungsmethode und damit folgende Formel an: CO2 (in Gramm/g) = zurückgelegte Entfernung (in Kilometer/km) x Transportmenge pro Jahr (in Tonnen/t) x Emissionsfaktor pro Verkehrsträger (in g CO2 pro tkm) Im Leitfaden wurden für den Emissionsfaktor der Verkehrsträger LKW, Bahn, Binnen- und Seeschiff Mittelwerte festgelegt, die die „Durchschnittstransporte“ der chemischen Industrie in Deutschland abbilden sollen. Unter www.vci.de kann man den Leitfaden, der sich eng an Berechnungen der VerkehrsRundschau orientiert (siehe dazu die Serie in VR 42/2009 bis VR 48/2009), downloaden. ts