Bereit für die Industrie 4.0

Eine neue Generation seiner verbrennungsmotorischen Gegengewichtstapler im Traglastbereich von 2,0 bis 3,5 Tonnen präsentierte Linde Material Handling (Linde MH) im November in Berlin. Die voll vernetzten Geräte seien vorbereitet für jegliche Anwendungen der Industrie 4.0, erklärten Linde-MH-Vertreter vor Journalisten. Die neu entwickelte Staplergeneration basiere auf einer Datenerhebung: Knapp tausend Staplerfahrer und Flottenmanager aus 26 Ländern haben nach Unternehmensangaben in mehrstündigen "Truck Clinics" Fahrzeuge bewertet und Wünsche geäußert - von der Trittstufe bis zur Servicezugänglichkeit. Eine Neuerung ist laut dem Hersteller die serienmäßige Vernetzung: Fahrzeugdaten werden an einen westeuropäischen Cloudserver übertragen, auf den Kunden und Vertriebspartner Zugriff haben. Umgekehrt lassen sich künftig Software-Updates "over the Air" einspielen oder Funktionen wie etwa die Lastgewichtanzeige freischalten. Anpassungen über die Wolke "Wir können die Stapler in Zukunft über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg an sich ändernde Kundenanforderungen anpassen - auch an solche, die wir heute noch gar nicht kennen", betont Stefan Prokosch, Senior Vice President Productmanagement Industrial Trucks Counterbalance bei Linde MH. Bereits heute ergebe sich aus der Vernetzung auch ein Vorteil für den Service: "Truck Health Management", Ferndiagnose und vorausschauende Wartung sollen künftig die Fahrzeugverfügbarkeit steigern. Für eine bessere Rundumsicht haben die Konstrukteure von Linde Material Handling darüber hinaus die Sichtfelder durch den Hubmast um 20 Prozent im Vergleich zum Vorgängermodell vergrößert. Schlanke A-Säulen und asymmetrische Mastprofile eröffnen zusätzliche Sichtfenster. Das flachere Gegengewicht erlaubt eine freiere Sicht nach hinten; oben verbindet ein Panzerglasdach Sicht mit Schutz. Auch seitlich bietet die Wetterschutzkabine der neuen Linde-Modelle H20 bis H35 einen guten Durchblick - dank vollverglaster Türen. Das "Protector Frame"-Konzept mit oben liegenden Neigezylindern und tragendem Rahmen soll außerdem für Maststabilität und eine hohe Resttragfähigkeit sorgen. Für mehr Sicherheit ist der "Linde Load Assist" serienmäßig verbaut. Er greift sichernd ein, sobald sich die Last in die Nähe der Traglastgrenze bewegt. Die Trittstufe ist 465 Millimeter hoch und gut doppelt so breit wie bisher. Das Cockpit bietet gut zehn Zentimeter mehr Kopffreiheit. Serienmäßig sind alle Stapler mit elektronischer Gurtschlossüberwachung ausgestattet: Schnallt sich der Fahrer nicht an, bewegt sich der Stapler nur in Kriechgeschwindigkeit fort. Verbrenner nach wie vor gefragt Laut Prokosch bleibt der Verbrennungsmotor aufgrund seiner Leistungsstärke und des unkomplizierten Einsatzes bei vielen Kunden auf absehbare Zeit weiterhin die erste Wahl. Auch Andreas Krinninger, seit 2019 CEO von Linde MH, geht nicht davon aus, dass der Verbrenner künftig komplett ersetzt wird. Jedoch werde man die Geräte, beginnend im Traglastbereich von 1,2 bis 1,4 Tonnen, Schritt für Schritt elektrifizieren. "Bei Gegengewichtstaplern laufen schon heute zu 58 Prozent Elektromodelle vom Band, 42 Prozent sind aber noch verbrennungsmotorische Stapler", so Krinninger. Für die Zukunft sieht sich Linde MH gut gerüstet. Auch konzeptionell läutet die Baureihe nämlich eine neue Ära bei der Kion-Tochter ein: Sie markiert das Ende der konstruktiven Trennung von verbrennungsmotorisch und elektrisch angetriebenen Staplern (siehe Kasten unten). Flexible "Pay per Use"-Modelle im Test Einen weiteren Ausblick auf die Zukunft gab im Rahmen der Präsentation in Berlin noch Vertriebschef Christophe Lautray: In Frankreich und Spanien erprobe Linde MH derzeit ein "Pay per use"-Modell mit Flurförderzeugen. Die Umsetzung sei hochkomplex und eigne sich zunächst nur für Anwendungen in geschlossenen Standorten, etwa auf Messegeländen oder in Flughäfen. Die Idee: Ähnlich wie beim Carsharing können Staplernutzer Fahrzeuge zeitweise und flexibel nach Bedarf mieten. Über das integrierte Flottenmanagementsystem "Linde connect" werden die nötigen Zugangsberechtigungen erteilt. Nutzer müssen sich dazu vorab registrieren und einen Staplerschein sowie andere, auch länderspezifische Voraussetzungen nachweisen. Ein wichtiges Zukunftsthema ist für Linde MH angesichts des weiter boomenden E-Commerce und des drohenden Verkehrskollapses in den Städten auch das Thema urbane Versorgung. "Das schon 2010 auf den Markt gebrachte Citi-Truck-Konzept war seiner Zeit voraus, aber wir haben es noch nicht aufgegeben und sehen hier noch viel Potenzial", kündigte CEO Krinninger in Berlin an. Modulfertigung bei Linde: Elektro- und Dieselstapler von einem Band Konzeptionell markiert die neu vorgestellte Staplerbaureihe bei Linde Material Handling (Linde MH) das Ende der konstruktiven Trennung von verbrennungsmotorisch und elektrisch angetriebenen Staplern. Alle neuen Gegengewichtstapler im Traglastbereich von 1,2 bis acht Tonnen basieren im Werk Aschaffenburg ab 2021 auf einem gemeinsamen Modulkonzept und laufen auf drei neuen "Mixed Model"-Linien statt auf den bislang sieben produktspezifischen Fertigungsstraßen. Die erste Mixed-Model-Linie wurde bereits eingeweiht, die weiteren werden sukzessive in den kommenden beiden Jahren umgestellt. Insgesamt fließen 120 Millionen Euro in das Projekt. Das Ziel: Zukünftig kann der Flurförderzeughersteller flexibel auf eine sich ändernde Kundennachfrage nach nachhaltigen Antriebskonzepten reagieren.Integriert in die neuen Linien sind sowohl Fertigung als auch Montage und Endkontrolle. Besonders stolz ist man bei Linde MH auf eine neue, selbst entwickelte Kombischraube mit "unverlierbarer" Mutter, die die Variantenzahl der nötigen Verbindungselemente deutlich reduziert habe, was sich auch positiv auf Wartung und Service auswirken soll. akw

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