Rotterdam. Im ersten europäischen Prozess gegen somalische Piraten hat ein Gericht in den Niederlanden die fünf Angeklagten zu jeweils fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Richter des Rotterdamer Amtsgerichtes sahen es am Donnerstag als erwiesen an, dass die Somalier am 2. Januar 2009 versucht hatten, einen türkischen Frachter mit Waffengewalt zu kapern, um dann Lösegeld zu fordern. Das Verfahren wurde auch von der Staatsanwaltschaft in Hamburg mit Interesse beobachtet, die demnächst erstmals auf deutschem Boden mutmaßlichen somalischen Piraten den Prozess macht.
Die Staatsanwaltschaft hatte Strafen von jeweils sieben Jahren für die Männer im Alter zwischen 25 und 45 Jahren gefordert. "Man kann nur von Glück sagen, dass bei der Kaperung niemand verletzt oder gar getötet wurde", sagte der Vorsitzende Richter Jan Willem Klein Wolterink. Die Unschuldsbeteuerungen der Angeklagten bei der Eröffnung des Prozesses am 25. Mai wertete er als nicht glaubhaft.
Über ihre Anwälte hatten sie erklärt, sie hätten zwar anfangs "aus Not" daran gedacht, ein Schiff zu kapern. Dann aber seien sie in Seenot geraten und drei Tage auf dem Meer getrieben. Dadurch seien sie so durstig, hungrig und schwach gewesen, dass sie die Besatzung des unter der Flagge der Niederländischen Antillen fahrenden Schiffes "Samanyolu" nur noch um Hilfe bitten wollten.
Anklage: Alle Zeugenaussagen widersprechen Piraten-Erklärung
Die Anklage erklärte, alle Zeugenaussagen würden dieser Version widersprechen. Zudem hätten sich die Männer bereits in dem Moment der versuchten Piraterie strafbar gemacht, als sie mit Waffen ihr Boot bestiegen, um nach einem Schiff zu suchen, das sie kapern könnten.
Die Beweisführung stützte sich auf Aussagen der Besatzung des Frachters sowie von dänischen Marinesoldaten. Demnach haben die Somalier die "Samanyolu" mit einem Raketenwerfer und automatischen Waffen beschossen. Ihr Boot wurde von der sich wehrenden türkischen Besatzung mit Leuchtmunition in Brand gesetzt und sank samt der darauf befindlichen Waffen. Die Männer wurden anschließend von einem dänischen Marinehubschrauber aus dem Wasser gefischt. Kopenhagen übergab sie später der niederländischen Justiz.
Erster Piraten-Prozess in Deutschland steht bevor
Im ersten deutschen Piraten-Prozess gegen Somalier stehen demnächst in Hamburg zehn Angeklagte vor Gericht. Sie wurden von den Niederlanden ausgeliefert. Die Männer waren Anfang April bei einer Befreiungsaktion der niederländischen Marine auf dem deutschen Containerschiff "Taipan" überwältigt und festgenommen worden. In Hamburg drohen ihnen Haftstrafen von bis zu zwölf Jahren.
Im Jemen waren am 18. Mai sechs Piraten aus Somalia zum Tode verurteilt worden, weil sie im April vergangenen Jahres einen jemenitischen Öltanker ohne Ladung überfallen hatten. In Frankreich und den USA sitzen mutmaßliche Piraten in Untersuchungshaft und warten auf die Eröffnung ihrer Prozesse. In Kenia, wo in den vergangenen drei Jahren fast 20 Somalier wegen Piraterie zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, laufen noch Verfahren gegen fast 100 weitere Verdächtige.(dpa)