Eine neue Maut

Die Spedition Schuon hat fünf neue LNG-Lkw gekauft. Mosolf testet erstmals einen gasbetriebenen Lkw für Autotransporte. Im Hafen Nürnberg haben die Rödl Energie und die BayWa eine neue LNG-Tankstelle eröffnet. Shell hat in Deutschland gleich zwei solche Stationen in Betrieb genommen. Das sind alles Meldungen aus dem Monat Oktober 2020. LNG boomt, könnte man meinen. Wäre da nicht der Disput zwischen dem Bundesverkehrsministerium und der EU-Kommission, der für große Verunsicherung sorgt (siehe VR 42/2020, Seite 12). Der Streit kurz zusammengefasst: Bundestag und Bundesrat heben im Juni die Verlängerung der Mautbefreiung für gasbetriebene Lkw bis 2023 beschlossen. Die EU-Kommission schickt daraufhin einen Brief in das Scheuer-Ministerium. Inhalt: Das Gesetz verstoße gegen die derzeit geltende Wegekostenrichtlinie aus dem Jahr 1999. Doch munkelt man, dass der eigentliche Grund des Schreibens ein anderer ist: die Verzögerungen bei der neuen Wegekostenrichtlinie. Deutschland hatte zugesagt, dass es im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft einen neuen Entwurf zur Abstimmung bringen möchte. Doch hier hat sich lange nichts getan, weshalb Brüssel jetzt mit dem Brief Druck ausübt. Befreiung nur bei null Emissionen Nun hat also das Bundesverkehrsministerium geliefert: Es gibt einen Entwurf zur Eurovignetten-Richtlinie, der auch der VerkehrsRundschau vorliegt. Demnach besteht die Möglichkeit einer Mautbefreiung für Null-Emissionsfahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht bis Ende 2025. Danach wäre eine maximale Reduktion der Maut in Höhe von 75 Prozent möglich. Eine Gebühr für externe Kosten (zum Beispiel Lärm) würde "in geringem Umfang" anfallen. Für Niedrigemissionsfahrzeuge ist demnach eine Begünstigung der Maut möglich. Was bedeutet das nun aktuell für die LNG-Lkw und die Regelung zur Mautbefreiung? LNG/CNG-Fahrzeuge sind zunächst mal keine Null-Emissionsfahrzeuge. Eine Mautbefreiung käme demnach nicht infrage. Damit gäbe es also einen Widerspruch zwischen dem verabschiedeten Gesetz und der Richtlinie. Andererseits hat die EU-Kommission Deutschland genau eine solche Ausnahme bis Ende 2021 gewährt. Die VerkehrsRundschau hat jetzt nachgefragt im Bundesverkehrsministerium und bei der EU-Kommission. Doch die Antworten sind nicht eindeutig. Auf die Frage, ob mit dem neuen Vorschlag aus dem Hause Scheuer damit auch die Mautbefreiung für LNG-Lkw wegfällt, fällt die Aussage eines Ministeriumssprechers zunächst unmissverständlich aus: "Nein, LNG-/CNG-Antriebe sind eine wichtige Brückentechnologie, die darum in der aktuellen Übergangsphase durch die temporäre Mautbefreiung auf nationaler Ebene gefördert wird." Erklärtes Ziel im Sinne des Klimaschutzes sei es jedoch, so der Sprecher, im Lkw-Bereich langfristig auf Null-Emissionen-Antriebe umzustellen. Und dass der Konflikt zwischen der EU-Kommission und dem Bundesverkehrsministerium noch nicht geklärt ist, zeigt auch die nachfolgende Bemerkung des Sprechers: "Zum Thema Mautbefreiung für LNG-/CNG-Fahrzeuge steht das BMVI im Austausch mit der EU-Kommission." Brüssel bleibt bei seinem Veto Die VerkehrsRundschau hat bei der EU-Kommission nachgefasst. Dort liegt laut Aussage eines Sprechers noch kein neuer Vorschlag aus Berlin vor, weshalb man sich nicht zu einzelnen Punkten äußern möchte. Die Kommission geht davon aus, dass in einem neuen Vorschlag die CO2-Komponente Anreize für die Erneuerung der Lkw-Flotte bieten werde. Aber der Sprecher stellt klar: "Da LNG-Lkw nicht emissionsfrei sind, wenn auch niedriger als Diesel, können sie gemäß der aktuellen Eurovignetten-Richtlinie eine reduzierte, aber keine Nullrate aufweisen." Somit ist also der Konflikt nach wie vor ungelöst und die Beteiligten müssen abwarten, was die Gespräche zwischen Berlin und Brüssel ergeben. Die Kommission erwartet jetzt, dass die Mitgliedstaaten eine Einigung über den Eurovignetten-Vorschlag erzielen. Dies würde dann den Weg für Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament Anfang nächsten Jahres ebnen. Diese Perspektive verdeutlicht: Bis die neue Richtlinie in Kraft tritt, werden noch einige Monate, vielleicht noch Jahre ins Land ziehen. Und so lange gilt die alte Eurovignetten-Regelung. Maut ab 3,5 Tonnen soll kommen Das Bundesverkehrsministerium hat aber noch weitere Änderungen vorgeschlagen (siehe auch Kasten oben): So soll eine verpflichtende Maut für alle Lkw über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht eingeführt werden. Allerdings soll diese Verpflichtung erst acht Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie gelten. Dennoch steht es jedem Land frei, vorher eine solche Maut zu erheben. Jedoch schlägt das Bundesverkehrsministerium auch Ausnahmen vor, die vor allem im Handwerk positiv aufgenommen werden dürften: Denn es soll eine unbefristete Ausnahmemöglichkeit von der Mautpflicht geben für Transporte des Werkverkehrs, die von Lkw zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen erbracht werden. Mehr zum Thema finden Sie unter #LkwMautinEuropa www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Auch der neue Vorschlag aus Berlin zu der Eurovignetten-Richtlinie konnte daran nichts ändern: Nach wie vor hat die EU-Kommission Vorbehalte gegen die Mautbefreiung gasbetriebener Lkw in Deutschland. In dem Papier schlägt das Bundesverkehrsministerium weitere Veränderungen bei der Mauterhebung vor. Höhere Maut für sensible Gebiete möglich Der Vorschlag des Bundesverkehrsministeriums zu Überarbeitung der alten Eurovignetten-Richtlinie aus dem Jahr 1999 betrifft nicht nur die Umstellung auf eine auf den CO2-Ausstoß basierten Maut. Der Kompromiss sieht auch vor, dass es in verkehrsüberlasteten Gebieten die Möglichkeit gibt, einen Aufschlag in Höhe von maximal 50 Prozent der Infrastrukturgebühr zu erheben. Das würde beispielsweise den Alpentransit auf der Brennerautobahn betreffen. Wobei es eine nicht ganz unwesentliche Einschränkung geben soll: Die von den Aufschlägen betroffenen Mitgliedstaaten (im Falle des Brenners Deutschland und Italien) müssen der Erhöhung zustimmen. Forderung Tirols nach einer Korridormaut erfüllt? Mit diesem Passus will Berlin womöglich dem Land Tirol entgegenkommen. Denn auf dem Brenner-Gipfel in München im Februar 2018 hatte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter zur Bedingung gemacht, dass er die dort gefassten Beschlüsse nur dann akzeptiert, wenn es eine einheitliche, höhere Korridormaut auf der Strecke von München bis Verona gibt. cd

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