Teilehersteller und -Zulieferer räumen heute in ihren Unternehmen dem Problem der Produktpiraterie einen hohen Stellenwert ein: Denn jedes Ersatzteil, egal, ob es sich um ein profanes Verkleidungsteil oder um ein sicherheitsrelevantes Bauteil wie Bremsscheiben oder Fahrwerksaufhängungen handelt, wird heute von Produktpiraten gefälscht. Es wird geschätzt, dass der Marktanteil von Fälschungen im Kfz-Ersatzteilgeschäft aktuell bei weltweit über zehn Prozent liegt. Dahinter stehen Umsatzeinbußen der Branche von über 120 Milliarden Euro. Die Folgen können fatal sein: So kann sich durch einen minderwertigen Stoßdämpfer beispielsweise der Bremsweg erheblich verlängern. Auf solche und andere Probleme weist seit Jahren unter anderem ZF Aftermarket hin. Wie die Unternehmenssprecherin Fabiola Wagner betont, ist das Thema mittlerweile so wichtig, dass ZF und alle angeschlossenen Handelsunternehmen entschieden haben, gemeinsam gegen Produktfälscher und deren Hintermänner vorzugehen. Betroffen von den Fälschungen sind alle bekannten und starken Marken im Markt, die ein gutes Image haben. Dabei kann man nicht genau angeben, welche
Fest steht jedoch, dass es Teile sind, die meist einen leichten Abverkauf sowie eine gute Preispositionierung im Markt haben. „Unsere Zahnriemen, Keilriemen und Keilrippenriemen sind bei Fälschern besonders beliebt“, berichtet Steffen Than, Pricing Manager bei ContiTech. „Das hat mitunter fatale Auswirkungen: Mindere Qualität, ein Riss des Riemens, Folgeschäden am Motor – und der Fahrzeugbesitzer ist um etliche tausend Euro ärmer. Die fünfjährige Herstellergarantie von ContiTech greift in diesem Fall nämlich nicht – sie gilt nur für Originalteile.“
Aufgrund solcher Erfahrungen steht auch beim Verein Freier Ersatzteilemarkt e.V. (VREI) in Menden das Thema Produkt- und Markenpiraterie bereits seit mehr als zehn Jahren auf der Agenda. „Wir haben hierzu zusammen mit den Mitgliedern der ‚Brand Protection Working Group‘ des europäischen Dachverbandes der Automobilzulieferindustrie (CLEPA) einen Arbeitskreis gegründet“, sagt VREI-Vorstand Thomas Fischer. Auf den regelmäßigen Treffen informiert man sich gegenseitig über die erzielten Fortschritte und Maßnahmen gegen Produktfälscher in den verschiedenen Ländern. Auch neu aufgetretene Fälle, sortiert nach Ländern und Regionen, werden dabei zur Sprache gebracht. „In Deutschland sind wir von diesem Problem nicht stark betroffen“, sagt Thomas Fischer. „Wir beobachten den Markt aber sehr aufmerksam, um bei den ersten größeren Anzeichen sofort reagieren zu können.“ In Ländern wie der Türkei, Saudi-Arabien, Marokko und Ägypten hat man es jedoch mit zahlreichen Fällen von Produktpiraterie zu tun. Ähnliche Erfahrungen hat auch ContiTech gemacht: In Europa sucht man Plagiate zumeist vergeblich. Dennoch sollte man auch hier wachsam sein und nur bei seriösen Quellen kaufen. Saudi-Arabien, Marokko, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate hat das Unternehmen hingegen besonders im Visier.
Das Ziel: der dortigen Produktpiraterie den Kampf ansagen – und zwar durch weltweite Maßnahmen wie zum Beispiel stärkere Grenzbeschlagnahmen. Gleichzeitig setzt ContiTech auf Vernetzung und Kommunikation. „Wir ermitteln aktiv in den Märkten und arbeiten eng mit Agenturen und Handelsunternehmen zusammen. Wenn sie Produktfälschungen entdecken, geben sie uns sofort Bescheid“, so Than. Für die Täter heißt das: strafrechtliche Verfolgung. Die gefälschte Ware wiederum wird vernichtet.
Darüber hinaus werden internationale Maßnahmen zur Markensicherung und zur Aufdeckung von Fälschungen, wie beispielsweise Schulungen von Zollbeamten, durchgeführt. Auch auf Aufklärungsarbeit bei den Großhändlern und Werkstätten vor Ort setzen Teilehersteller wie ZF, aber auch ContiTec und andere deutsche Teilehersteller.
So werden zum Beispiel Geschäftspartner umgehend über Produkt- und Verpackungsänderungen informiert, was Unsicherheiten bei der Identifizierung der Ersatzteile als Original oder Fälschung verringert. Hier liegt auch der Schlüssel, den Produktpiraten ihr Handwerk zu legen, denn sie bieten zusehends immer mehr Plagiate in Original-Verpackungen zum Beispiel über das Internet an, bei denen selbst Fachleute inzwischen ohne technische Hilfsmittel nicht mehr in der Lage sind, das Original vom Plagiat zu unterscheiden. Es wundert daher nicht, dass auch Werkstätten auf solche Teile hereinfallen. Das Fatale daran: Teilehändler oder Werkstattbesitzer machen sich strafbar, wenn sie solche Teile wissentlich oder fahrlässig ankaufen oder gar einbauen. Darüber hinaus haftet die Werkstatt bei Folgeschäden oder Unfällen, wenn sie gefälschte Teile minderer Qualität in Kundenfahrzeuge einbaut.
Woran also kann ein Betrieb erkennen, dass es sich um ein Piratenteil handelt? Der Verein freier Ersatzteilmarkt hat hier einfache Verhaltensmaßregeln zusammengestellt (siehe Kasten), um den Fälschungen auf die Schliche zu kommen.
Dennoch lassen sich Ersatzteile nicht immer eindeutig als original identifizieren. Hier setzt die Firma „oneIDdenty plus“ an, die in Zusammenarbeit mit dem VREI ein System zur eindeutigen Identifizierung von Ersatzteilen anbietet. „Der Hersteller kennzeichnet dabei seine Produkte, Bauteile oder Komponenten auf Einzelteilebene mit der serialisierten Global Trade Item Number“, erklärt Daniel Dünnebacke, COO bei oneIDdenty plus. „Die Verschlüsselung von GTIN, Seriennummer und weiterer produktrelevanter Informationen erfolgt dabei im maschinenlesbaren 2D-Barcode GS1 DataMatrix. Parallel dazu hinterlegt der Hersteller die serialisierten GTIN inklusive der zusätzlichen Produktinformationen zentral in der Datenbank von oneIDentity plus.“ Der Barcode kann beispielsweise mit der App über mobile Endgeräte oder Scanner ausgelesen werden. Besteht Plagiat-Verdacht, kann der Anwender diesen direkt via App über die Plattform dem Hersteller melden. Bis heute lassen sich so 1,2 Millarden Codes identifizieren. Marcel Schoch