Berlin. Die Bundesregierung stuft die Terrorgefahr durch Paketbomben als ernst ein und prüft Verschärfungen im Frachtverkehr. Dazu gehöre ein Einfuhrverbot von Lieferungen nicht nur aus dem Jemen, sondern auch aus anderen Ländern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Konkrete Ländernamen wurden zunächst nicht genannt. Vom Jemen aus waren die Sprengsätze verschickt worden.
Zur Analyse der Situation wurde ein Arbeitsstab von Auswärtigem Amt, Verkehrs- und Innenministerium sowie den Sicherheitsbehörden eingerichtet. Angestrebt werde ein EU-weites Vorgehen zusammen mit den USA, sagte Seibert. Auch Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) beriet am Montag mit den zuständigen Ministerien über Konsequenzen.
Eines der für die USA bestimmten Sprengstoffpakete war vom Jemen aus über den Flughafen Köln/Bonn nach Großbritannien geschickt worden. US-Ermittler vermuten den mutmaßlichen Al-Kaida-Terroristen Ibrahim Hassan al-Asiri hinter den Attentatsplänen. In Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich war nach den Funden vom Freitag der Frachtverkehr aus dem Jemen gestoppt worden.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wollte sich am Montagabend am Flughafen Köln/Bonn ein Bild von der Sicherheitslage im Frachtverkehr machen. Eine Nahost-Reise sagte er ab. Deutschland war seiner Einschätzung nach in diesem Fall kein Anschlagziel.
Das Parlamentarische Kontrollgremium wird sich am Donnerstag in einer Sondersitzung mit den Paketbomben beschäftigen. Zu der auch von der SPD geforderten Sitzung hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier (CDU), eingeladen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, forderte Konsequenzen für den Frachtverkehr. Im rbb-Inforadio sagte der CDU-Politiker, es müsse zum Beispiel geprüft werden, ob die Kontrolle der Frachtpost in die Zuständigkeit der Bundespolizei übergehen sollte. Es gehe außerdem nicht nur um mehr Sicherheit im Luftverkehr, betroffen seien auch Straße und Schiene. Die Informationskette vor Aufdeckung der versuchten Anschläge müsse analysiert werden. "Wir werden prüfen müssen, wer wann was gewusst hat. Wir haben ja Hinweise bekommen von der arabischen Halbinsel, Sicherheitshinweise, die sind weitergegeben worden ans BKA", sagte Bosbach. Als die Nachricht am Flughafen Köln-Bonn eintraf, sei die betreffende Maschine wohl schon in der Luft nach Großbritannien gewesen.
Die Regierung wies Darstellungen zurück, die Behörden seien von den Vorgängen überrascht worden. "Der Frachtverkehr ist immer Gegenstand von Kontrollen gewesen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Die Informationen seien "unglaublich schnell" weitergegeben und bearbeitet worden. Auch Seibert betonte: "Es gibt da keine Überraschungen." Der Frachtverkehr sei aber nicht so leicht in den Griff zu bekommen wie der Personenverkehr.
ADV warnt vor Schnellschüssen
Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), Ralph Beisel, warnte vor Schnellschüssen. "Die Vorfälle der vergangenen Tage müssen zunächst detailliert aufgeklärt werden." Erst nach Analyse des Verlaufs der Frachtsendung könnten eventuell notwendige Konsequenzen für die Kontrollen bei der Luftfracht gezogen werden. An den 23 internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland wurden 2009 laut ADV 3,6 Millionen Tonnen Luftfracht umgeschlagen. Grundsätzlich müssen Luftfrachtsendungen vor der Verladung kontrolliert werden, betonte Beisel. Gleiches gelte für sogenannte Transferfracht, die aus Drittländern außerhalb der EU umgeladen wird.
Seit April gibt eine EU-Verordnung den Rahmen für eine "sichere Lieferkette" vor. Nach dieser müssen Unternehmen in Deutschland durch lückenlose Kontrollen einen sicheren Transport von Fracht garantieren. Dazu müssen sie durch das Luftfahrtbundesamt als "Reglementierte Beauftragte" oder "Bekannte Versender" zertifiziert werden, verwies Beisel auf bereits bestehende Kontrollmechanismen. (dpa)