Nutzen Sie den Niedrigzins?

Rund 40 Lkw hat Karl Heinz Lenicker finanziert. Für Verkehre von Köln-Eifeltor und anderen KV-Terminals in Westdeutschland sucht der Inhaber des gleichnamigen Zubringerbetriebs in Hürth bei Köln regelmäßig gebrauchte Fahrzeuge, die höchstens 350.000 Kilometer gefahren sind. In 36 Monaten zahlt er die Raten ab. "Mit nahezu jedem Lkw sind die Zinsen niedriger geworden", freut sich der Transportunternehmer. "Für das jüngste Fahrzeug zahle ich gerade mal 1,3 Prozent." Internetplattform für Bankgeschäfte Lenicker finanziert seinen Fuhrpark mit wechselnden Partnern. Wenn er ein passendes Fahrzeug gefunden hat, stellt er auf der Plattform Compeon eine Finanzierungsanfrage ein. Rund 150 Banken und sonstige Finanzdienstleister können Lenickers Anfragen einsehen und ein Angebot abgeben. "Ich kann jedes Mal zwischen wenigstens zehn Offerten wählen", freut sich der Transportunternehmer. Weil er über eine gute Bonität hinaus "werthaltige Bürgschaften" vorweisen kann, wollen auch Institute, die mit dem rheinländischen Unternehmer noch nie eine Geschäftsbeziehung hatten, dessen Wunsch-Lkw finanzieren. Ohne die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wären Lenickers Finanzierungslösungen nicht möglich. Am 10. März 2016 senkte das Institut die Leitzinsen von 0,05 Prozent auf 0,00 Prozent und erhöhte die "Strafzinsen" für Geldhäuser, die ihre liquiden Mittel weiterhin bei der Zentralbank parken, von minus 0,3 auf minus 0,4 Prozent. Die Botschaft der Zentralbank ist klar: Banken und andere Finanzdienstleister sollen möglichst viel Kredite in die Wirtschaft pumpen und so die in vielen Euro-Ländern darniederliegende Konjunktur in Schwung bringen. Tatsächlich haben in den letzten Jahren zahlreiche Geldinstitute ihre Zinsen kontinuierlich gesenkt. Viele entscheiden sich für den Kauf Auch die Banken und sonstigen Finanzdienstleister der großen Lkw-Hersteller konnten sich diesem Trend nicht entziehen. "Seit 2012 sind die durchschnittlichen Zinssätze um 2 bis 2,5 Prozent gefallen", sagt Robert Anthony, Vertriebsleiter von Scania Finance Deutschland. "Vor fünf Jahren haben wir bereits von historisch niedrigen Zinsen gesprochen." Ein weiteres Absinken der Zinssätze schließt der Finanzierungsexperte deshalb nicht aus. "Heute wollen immer mehr Kunden Lkw finanzieren und nicht leasen", stellt Anthony einen weiteren Trend fest. "Viele entscheiden sich auch gleich für einen Kauf." Da herkömmliche Geldanlagen kaum noch Zinsen abwerfen, investieren viele Unternehmer lieber in Sachwerte und wählen lange Finanzierungszeiträume. So sichern sie sich die günstigen Zinsen bis in das nächste Jahrzehnt hinein. "Durch die niedrigen Zinsen ist Fahrzeugbeschaffung Gegenstand der strategischen Planung geworden", sagt Peter Hellwich, Inhaber der Fuhrparkberatung PHS in Germering bei München (siehe Kasten Seite 25). Mit gekauften oder kreditfinanzierten Lkw bauen Unternehmen Betriebsvermögen auf. Anders sieht dies bei Leasing- und Mietverträgen aus. Wenn mit dem Vertragnehmer keine Vollamortisation der Kaufsumme vereinbart worden ist, geht das Fahrzeug nach Laufzeitende an den Vertragspartner oder Vermieter zurück. Grundsätzlich profitieren aber auch Leasing- und Mietunternehmen von den niedrigen Zinsen, weil sie so ebenfalls Fahrzeuge günstiger finanzieren können. "Mit niedrigeren Anschaffungskosten kompensieren wir gestiegene Versicherungsprämien und Reifenpreise", bestätigt Michael Schittenhelm, Vertriebsleiter von KLVrent im oberbayerischen Trostberg. "Als Konsequenz sind die Mietpreise stabil geblieben." Im Gegensatz zu anderen Leasing- und Mietunternehmen meldet KLVrent seit 2013 kontinuierlich steigende Umsätze von jährlich über zehn Prozent. "Auch 2016 werden wir mit wenigstens fünf Prozent Umsatzplus abschließen", legt sich Schittenhelm bereits jetzt fest. Auf solche Zuwächse kann der Lkw-Vermieter auch deshalb hoffen, weil trotz günstiger Zinsen Finanzierung für viele Unternehmen weiterhin nicht infrage kommt. Lenicker ist eine Ausnahme. Auf Zinssätze knapp über ein Prozent können nur Unternehmen hoffen, die in punkto Bonität rundum überzeugen. "Im Schnitt bewegen sich die Zinsen für Fahrzeugkredite bei rund drei Prozent", stellt Udo Dewein, Vorstand des Beratungsunternehmens LeaseControl in Frankfurt, fest. "Manche Unternehmen müssen sogar über fünf Prozent zahlen." Am Rating führt kein Weg vorbei Außerdem achten die Institute als Folge der Bankenkrise heute strikt auf Bonität (siehe Kasten Seite 26). Jeder Kunde muss seine Kapitaldienstfähigkeit nachweisen. Erst wenn sichergestellt ist, dass er bis zum Vertragsende ausreichend Cashflow aus eigenen Erträgen generiert, stimmt die Bank einem Kredit zu. Auch für kleinere Transport- und Logistikunternehmen führt deshalb an einem Rating kein Weg vorbei. Wer nur bei seiner Hausbank eine Finanzierung beantragen will, kann auch dieser die Einschätzung seiner Bonität überlassen. Andernfalls sollte er eine professionelle Ratingagentur mit dieser Aufgabe beauftragen, was eine hohe vier- oder gar fünfstellige Euro-Summe kostet. "Beim Rating sollte jeder Antragsteller durch eine langfristige Strategie überzeugen und nachweisen, dass er auch Herausforderungen wie die Unternehmensnachfolge angepackt hat", empfiehlt Unternehmensberater Hellwich. Auch die Geschäftsfelder sind wichtig. Vor allem Kontraktlogistiklösungen überzeugen Finanzdienstleister und Ratingagenturen. Für sie macht es einen Unterschied, ob ein Branchenunternehmen den Löwenanteil seines Umsatzes mit mehrjährigen Verladerverträgen oder mit täglichen Aufträgen im Spotmarkt der Frachtenbörsen einfährt. Neue Basel-3-Regeln bis 2019 Ansonsten müssen die Banken sich auf Basel 3 einstellen. Ab 2019 sollen sie diesem internationalen Regelwerk zufolge, das in der Europäischen Union (EU) Anfang 2014 in Kraft trat, deutlich höhere Anforderungen in punkto Eigenkapital erfüllen. Jedes Institut hat demnach ein sogenanntes Kernkapital zu bilden und dieses als wertbeständige Anlage vorzuhalten. Das heißt, dass sie ihr Kernkapital nicht in externe Anlagen investieren dürfen. Außerdem unterliegen die Banken einer strengeren Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und die Europäische Zentralbank (EZB). Unterschiedliche Kalkulation der Risiken Als Konsequenz von Basel 3 müssen vor allem Kreditnehmer, deren Verträge erst nach 2019 auslaufen, mit kritischen Fragen zu ihrer Bonität rechnen. "Die einzelnen Institute kalkulieren die Risiken sehr unterschiedlich", beobachtet Nico Peters, Gründer und Geschäftsführer von Compeon. Die im Jahr 2012 gegründete Plattform arbeitet nicht nur mit internationalen Geldhäusern wie DenizBank und Unicredit, sondern auch mit zahlreichen Raiffeisenbanken und Sparkassen zusammen. Die Finanzierungsangebote dieser Institute liegen häufig weit auseinander. "Bei Leasing betragen die Unterschiede zwischen günstigstem und ungünstigstem Angebot bis zu 1,75 Prozent", sagt Peters. "Bei Finanzierungen können die Zinssätze sogar um bis zu 3,5 Prozent variieren." Für Marktkenner Dewein ist dies ein weiterer Grund, mittelständischen Transportunternehmen Leasing zu empfehlen. Ohnehin stehen Leasing-Unternehmen nicht unter einer ähnlich strengen Aufsicht wie Banken und können sich am Kapitalmarkt leichter refinanzieren, gibt er zu bedenken. Als Konsequenz haben sie mehr Spielraum bei der Auswahl ihrer Kunden. Wer hingegen bei Banken bereits mehrere Kreditlinien laufen hat und seine Kreditlimits noch nicht ausschöpfen konnte, fährt mit klassischer Finanzierung weiterhin besser. "Am Ende ist für den Unternehmer die Höhe der monatlichen Belastungen entscheidend", sagt Dewein. Egal wie ein Unternehmer seine Fahrzeuge finanziert, grundsätzlich profitiert er davon, dass sich das Image der Transportund Logistikbranche in den vergangenen Jahren verbessert hat. Gegenüber anderen Branchen fällt diese zwar weiterhin durch eine überdurchschnittlich hohe Pleitenquote auf. Für 2014 ermittelte die Wirtschaftsauskunftei Bürgel 138 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen. Das ist deutlich mehr als in nahezu allen anderen Branchen inklusive des Baugewerbes (97 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen). Comeback der Hausbanken Aber auch in der Finanzdienstleistungsbranche hat sich herumgesprochen, dass das Transport- und Logistikgewerbe Überkapazitäten abgebaut hat, augenblicklich vom vergleichsweise immer noch niedrigen Ölpreis profitiert und vor allem dank E-Commerce weiterhin Wachstum verspricht. Aufmerksam registrieren die Finanztöchter der Lkw-Hersteller ein "Comeback der Hausbanken zur lange Zeit geächteten Nutzfahrzeugfinanzierung" (MAN-Sprecher Alwin Berti). Das vergrößert den Spielraum der Transport- und Logistikunternehmen. "Wir machen Miete, Leasing oder Finanzierung von Kundenanforderungen und Vertragslaufzeit abhängig", sagt Klaus Schütte, Leitung Zentraler Einkauf bei Hellmann Worldwide Logistics in Osnabrück. Für kurze Laufzeiten zieht das Speditions- und Logistikunternehmen, das seit Anfang 2015 rund 30 Fahrzeuge angeschafft hat, aus Gründen der Flexibilität weiterhin die teurere Miete vor. Dagegen hält das Rosenheimer Transportunternehmen BTK trotz glänzender Bonitätsnoten an Leasing fest. "Die klassischen Argumente wie Schonung der Bonität oder Erhaltung der Kontokorrentlinie gelten unverändert", sagt BTK-Chef Franz Weiß. Das oberbayerische Unternehmen hat alle 150 ziehende Einheiten mit zehn Leasinggebern finanziert. Mehr zum Thema im Dossier Fuhrparkmanagement www.verkehrsrundschau.de/dossiers VR-Tipps So halten Sie die monatlichen Belastungen niedrig - Prüfen Sie, welche Finanzierungsdienstleistung zu Ihrer Firma am besten passt. Für Finanzierung sprechen gute Geschäftsbeziehungen zur Hausbank, wenn deren Kreditlimits noch nicht ausgeschöpft sind. Leasing oder aber Miete liegen nahe, wenn die Bonität geschont, die Kontokurrentlinie erhalten oder zusätzliche Services benötigt werden.- Holen Sie mindestens drei Angebote von Finanzdienstleistern ein, die Lkw-Finanzierung oder aber Leasing als ihr Kerngeschäft betrachten. Wenigstens ein Angebot sollte die Finanzierungstochter eines Herstellers abgeben: Sie profitieren so von Rabatten für Auslauf- oder schwer verkäufliche Modelle.- Je längere Laufzeiten Sie aushandeln, desto mehr profitieren Sie von den niedrigen Zinsen. Prüfen Sie zudem eine hohe Anzahlung, wenn keine attraktiven Geldanlagen vorhanden sind. So halten Sie die monatlichen Belastungen niedrig.bot