Bad Aibling. Er tappt in die Falle, ohne es zu merken. In Sekundenbruchteilen donnern die fünf Achsen des Sattelzuges über eine in die Fahrbahn eingelassene Waage, eine Kamera schießt ein Foto. Die Daten werden in Sekundenschnelle auf den nächsten Autobahn-Parkplatz übermittelt. Der Monitor zeigt an: 19,8 Prozent Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes. Statt der erlaubten 40 Tonnen hat der Sattelzug 47,930 Tonnen geladen - macht 140 Euro Geldbuße und einen Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei. Noch war das Testfeld am Donnerstagmittag auf der Autobahn Salzburg-München (A8) in Höhe Bad Aibling (Landkreis Rosenheim) nicht freigeschaltet. Doch von diesem Freitag an erwischt es die schwarzen Schafe unter den Brummifahrern. Gnadenlos überführt das derzeit weltweit wohl modernste Messsystem für LKW-Sicherheitskontrollen die Sünder hinterm Lenkrad. 6,1 Millionen Euro lässt sich die EU das Forschungsprojekt mit dem Namen ASSET (die Buchstaben stehen für Advanced, Safety, Support, Essential und Transport) kosten, den Rest der 8,2 Millionen Euro Gesamtkosten tragen die 19 beteiligten Firmen. Zehn EU-Staaten sowie die Länder Tansania und Indien machen mit.
Unsichtbare, vollautomatische Messung
Sensoren und Infrarotkamera sind beim Vorbeifahren nicht zu sehen, ihnen entgeht aber nichts. Noch steht das Testfeld auf einem Autobahn-Parkplatz, doch bei einem Erfolg des Forschungsprojektes sind die Messgeräte auch auf den Fahrbahnen selbst vorstellbar. Eine Waage - Abweichung maximal ein Prozent - misst das Gewicht über jeder Achse eines LKW, Sensoren erfassen die Reifenprofiltiefe und den Reifendruck, die Thermokamera misst, ob die Bremsanlage defekt ist. Die Daten werden auf Monitore übertragen und der Brummifahrer mit den Verstößen konfrontiert. Doch das System kann noch mehr: Hat ein Laster die Ladepapiere in elektronischer Form - so groß wie eine Zündholzschachtel - an Bord, werden die Daten in Sekundenschnelle mit den tatsächlich festgestellten Werten abgeglichen - und schon weiß die Polizei, ob ein Verstoß vorliegt. "Dies ist vor allem für Gefahrguttransporte wichtig", erläutert Christian Fessl von der an dem EU-Projekt beteiligten Firma ROC-Systemtechnik aus dem österreichischen Graz.
Sekundenschnelle Ladekontrolle
So arbeite die Schweiz daran, Lastern mit gefährlicher Ladung die Einfahrt in Straßentunnel zu verweigern. "Über das elektronische Nummernschild im LKW schaltet die Ampel vor dem Tunnel auf Rot, danach geht die Schranke zu", wie Fessl erklärt. Lieber nähmen die Schweizer einen Stau vor einem Tunnel in Kauf als einen verheerenden Unfall mit einem Gefahrguttransporter. Bis zu 70.000 Fahrzeuge passieren die A8 an Spitzentagen nördlich von Rosenheim in beiden Richtungen, mehr als zehn Prozent davon sind Lastwagen. "Unsere Devise heißt nicht nur Ahndung, sondern auch Vorbeugung und Aufklärung der Fahrer", sagte Hermann Röllnreiter vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim bei der Präsentation der Anlage am Donnerstag.
Informationen für Fahrer
Daher gehöre zu dem Modellvorhaben auch, Brummifahrer über deren Navigationssysteme möglichst schon vor dem Grenzübertritt mit den jeweiligen Vorschriften des Transitlandes zu versorgen. "Viele Laster rollen durch halb Europa, und in jedem Land gibt es andere Vorschriften", begründet Röllnreiter das Vorhaben. Und noch eines steht für den Polizeibeamten fest. "Auch ein noch so hoher Automatisierungsgrad kann die Verkehrskontrollen der Polizei nicht ersetzen." Verstöße müssten sofort geahndet und ein kontrollierter Lastwagen etwa mit einem Bremsdefekt sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Die "Kapitäne der Landstraße" müssen daher von sofort an auf der A8 bei Bad Aibling mit verstärkten Kontrollen rechnen. Die modernste Technik der Welt steht dafür schon bereit. (dpa)