Frankfurt am Main/Brüssel. Die Milliardenschäden durch die Flugverbote alarmieren Wirtschaft und Politik. Bundesregierung und Industrie vereinbarten am Montag die sofortige Einsetzung einer Arbeitsgruppe, um die Folgen möglichst gering zu halten. In der Politik wurden erste Diskussionen über staatliche Hilfen für Airlines laut. Nach Berechnung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) entgehen deutschen Unternehmen durch das Flugverbot täglich rund eine Milliarde Euro an Geschäftsvolumen. Diese Zahl beziehe sich ausschließlich auf den Außenhandel, davon würden wertmäßig 35 bis 40 Prozent über die Luftfahrt abgewickelt, sagte DIHK-Chefvolkswirt Volker Treier der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Ein großer Teil könne wieder hereingeholt werden, sobald die Flugzeuge nach dem Abzug der Vulkanasche-Wolke wieder starten könnten. Eine deutsche Arbeitsgruppe („Task Force“) aus Industrie und Regierung sollte noch am Montagnachmittag zu einer ersten Sitzung zusammenkommen. Auch Vertreter von Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Air Berlin waren geladen. Jeder Tag, an dem die Sperrung des Luftraums anhalte, habe „tiefere Eingriffe“ zur Folge, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Industrie, Hans-Peter Keitel. Rund 40 Prozent der deutschen Exporte gingen per Flugzeug ins Ausland. Um der Gefahr von Produktionsstopps zu begegnen, müssten „Notlösungen“ her. Brüderle schließt Staatshilfen nicht aus Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) schloss bei einer deutlichen Verlängerung der Luftraum-Sperre staatliche Hilfen nicht aus. Denkbar seien zum Beispiel günstige Kredite der staatlichen KfW Bankengruppe, hieß es im Wirtschaftsministerium. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wies dagegen Forderungen nach Schadenersatz für die Luftfahrtbranche zurück. „Ich wehre mich gegen jeden Ruf an den Staat“, sagte er im Deutschlandfunk. Nach Schätzungen des Luftfahrtverbandes IATA haben die Airlines in Europa täglich Einnahmeausfälle von mindestens 150 Millionen Euro, möglicherweise aber auch mehr als 200 Millionen Euro. Hinzu kämen Mehrkosten für die Betreuung der Passagiere und das Umorganisieren der Flotte. „Die Wirkung auf die Ertragsrechnung ist noch nicht zu schätzen“, sagte IATA-Präsident Giovanni Bisignani in Paris. Nach der Wiederöffnung der Lufträume werde die Krise aber schnell überwunden werden, sagte Bisignani. Anders als nach den Anschlägen vom 11. September gebe es keine lähmende Vertrauenskrise. „Es würde optimistisch geschätzt zwischen drei und sechs Tage dauern, bis sich der Flugverkehr normalisiert.“ Wirtschaftliche Verluste schlimmer als nach dem 11. September 2001 Nach Einschätzung der EU-Kommission beschert die isländische Aschewolke den Fluggesellschaften in Europa schwerere Verluste als die Terroranschläge von 2001. „Die Auswirkungen übertreffen die Folgen von damals deutlich“, sagte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas in Brüssel. „Diese Situation kann nicht lange Zeit aufrechterhalten werden.“ 80 Prozent der europäischen Flughäfen seien geschlossen. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia stellte in Aussicht, die Auflagen für staatliche Subventionen zu lockern: „Wir sind bereit, ähnlich zu reagieren wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001.“ Die Kommission wolle nun einen Rahmen mit Regeln aufstellen. BGL beklagt Auftragsausfälle Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) in Frankfurt klagte über fehlende Aufträge im Zubringerverkehr für die Fracht-Flugzeuge. Sollte die Luftraumsperre noch länger anhalten, müsse man allerdings Lösungen beispielsweise über südeuropäische Flughäfen finden. Dort gebe es allerdings nur geringe Kapazitäten, die Frankfurt, München oder Mailand nicht ersetzen könnten. Volkswirtschaftlich macht die Luftfahrtindustrie in Deutschland nur 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, erläuterte der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Am ehesten erwarte er Probleme, wenn in wichtigen Produktionsbetrieben Ersatzteile fehlen sollten, die sonst per Flugzeug geliefert werden. Airline-Aktien stürzen ab Nach Einschätzung des Luftfahrtanalysten des Bankhauses Metzler, Jürgen Pieper, kann das Aschewolke für Airlines relativ schnell bedrohlich werden. „Existenzgefährdend wäre sie - rein rechnerisch -, wenn es deutlich länger als einen Monat dauert. Dann wären zumindest einmal kleinere Gesellschaften schon mal sehr stark betroffen.“ Aktien von Luftfahrtunternehmen gehörten am Montag erneut zu den großen Verlierern. Papiere von Lufthansa oder Air Berlin sackten bis zum Mittag um jeweils mehr als fünf Prozent ab. Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport bekräftigte, er halte weiter an seinem Gewinnziel für das laufende Jahr fest. Nach vier Tagen Flugverbot sehe man noch keinen Bedarf, die Prognose anzupassen.
Milliardenschäden: Staatshilfen für Airlines nicht ausgeschlossen
Schäden für die Volkswirtschaft in Milliardenhöhe / Aktien sacken ab / Staatshilfen für Airlines nicht ausgeschlossen