Wiesbaden/Heilbronn. Satte 2,2 Prozent Wirtschaftswachstum hat das Statistische Bundesamt für das 2. Quartal 2010 errechnet. Die Topmeldung am 13. August, auf die Politiker und Konjunkturexperten euphorisch reagieren. Im Transport- und Logistikgewerbe fällt die Halbjahresbilanz jedoch deutlich nüchterner aus. Gewerbevertreter registrierten zwar eine Geschäftsbelebung, die aber noch nicht den gesamten Markt erfasst habe. In den sich dynamischen entwickelnden Geschäftsfeldern wie der Baubranche oder im Tiefkühlsegment kämpfe man bereits mit ausgelasteten Kapazitäten. Das bedeutet auch: qualifiziertes LKW-Fahrpersonal fehlt. Das altbekannte Gewerbeproblem gewinnt so wieder an Aktualität
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung macht sich im Transport- und Logistikgewerbe zeitversetzt bemerkbar. „Mit stärkeren Ausschlägen nach unten oder oben", ergänzt Professor Dr. Dirk Lohre vom Institut für Nachhaltigkeit in Verkehr und Logistik (INVL) an der Hochschule Heilbronn. Er begründet das Warum: „Das hängt damit zusammen, dass die Transportintensität gestiegen ist. Heute benötigen wir mehr Transportleistung, um einen Euro Brutto-Inlandsprodukt zu erwirtschaften. „Schießen die Produktionsraten langfristig nach oben, profitiere der Transport besonders stark. Ob der momentane Aufschwung sich verstetigen kann, muss sich zeigen. Deswegen schätzt der Verkehrslogistiker, zögerten Unternehmer noch, ihre Fuhrparks aufzustocken und Personal einzustellen. Erschwerend kommt hinzu: Für bestimmte Einsatzzwecke wie Schwerlast-, Gefahrgut- oder Hightechgüter-Transporte reichen die üblichen Anforderungen nicht aus. Es mangele hier meist an der nötigen Qualifikation, präzisiert der Wissenschaftler.
Ursache für Fahrermangel: Geringe Entlohnung, lange Arbeitszeiten
„Eine Ursache des Fahrermangels ist sicherlich die geringe Entlohnung bei langen Arbeitszeiten. Wegen des durchschnittlich geringen Einkommens ist das kein attraktiver Beruf", macht Lohre klar. Seine Prognose: Bezahlt das Gewerbe mehr, fragen geeignete Bewerber den Beruf stärker nach. Das gilt insbesondere für die vielen Quereinsteiger. Die gerade mal rund 2000 Azubis pro Jahr reichten auf keinen Fall, das strukturelle Problem auf lange Sicht zu lösen. Ein anderer Ansatz: In den Unternehmensverbänden erhofft man sich vom Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrQG) einen Zusatzeffekt: ein besseres Image des Berufskraftfahrers. Der Verkehrsexperte zweifelt: „Man muss sich auch um die Belange der Fahrer kümmern, sie wertschätzen. Das Image lässt sich nicht ausschließlich damit aufpolieren, in dem die Zugangsvoraussetzungen zum Beruf steigen."
Image und Attraktivität bestimmen die Zukunft eines Berufsbildes. Der demographische Wandel erfasst alle Wirtschaftszweige. „Es wird deshalb ein Wettbewerb zwischen den Branchen stattfinden – und nicht ein Wettbewerb der Unternehmen um die Fahrer", schlussfolgert Lohre. Schulabgänger stehen künftig wie heute vor der Entscheidung, ob sie in der Logistikbranche, in der Industrie, bei Banken oder Versicherungen anfangen wollen. Die Zukunftsfrage lautet daher: Lohnt es sich als Berufskraftfahrer anzuheuern? (kak)
Lesen Sie mehr zu diesem Thema in der aktuellen VerkehrsRundschau Ausgabe 33/34, die am Freitag, den 21.August erscheint.
Christian