Berlin. Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland steigt Anfang 2017 auf 8,84 Euro brutto pro Stunde. Das legte die unabhängige Mindestlohn-Kommission von Arbeitgebern und Arbeitnehmern am Dienstag in Berlin fest. Die neue flächendeckende Lohnuntergrenze gilt vom 1. Januar kommenden Jahres an.
AMÖ befürchtet Nachteile für neue Bundesländer
Die Erhöhung der Lohnuntergrenze kommt nicht bei allen gut an. „Mit dem Beschluss, den Mindestlohn auf 8,84 zu erhöhen, hat die Mindestlohnkommission die Grenzen des vertretbaren ausgereizt“, sagte beispielsweise Dierk Hochgesang, Geschäftsführer des Bundesverbandes Möbelspedition und Logistik (AMÖ). „Die Wettbewerbssituation wird insbesondere für die Unternehmen in den neuen Bundesländern dramatischer, da der Preisabstand zu den alten Bundesländern geringer wird. Die erheblichen Zusatzkosten für diese Unternehmen resultieren zum einen aus der Anhebung des Mindestlohns, zum anderen aber auch aus der Anhebung der Löhne. Denn die Unternehmen müssen das Lohnabstandsgebot einhalten, um den Betriebsfrieden zu sichern. Die damit verbundenen höheren Kosten konnten schon in der Vergangenheit nicht zu 100 Prozent über den Markt ausgeglichen werden“.
Ifo-Präsident: Anhebung verhindert Flüchtlings-Integration
Auch der Präsident des Wirtschaftsforschungs-Instituts Ifo sieht die Erhöhung kritisch: „Angesichts der Flüchtlingszuwanderung hätte ich es für angemessen gehalten, den Mindestlohn vorerst nicht zu erhöhen“, sagte er am Dienstag in Berlin. „Ich befürchte, dass das Auswirkungen auf die Flüchtlingsintegration hat.“ Fuest ist ein nicht-stimmberechtigtes Mitglied der Mindestlohn-Kommission. Positiv sei, dass die Kommission öffentlichen Forderungen, den Mindestlohn auf über neun Euro zu erhöhen, nicht nachgekommen ist.
Genau hier setzt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ihre Kritik an: Damit bleibt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland deutlich hinter denen der westeuropäischen Nachbarländer zurück", kritisierte Verdi-Chef Frank Bsirske.
Gewerkschaftsbund begrüßt die Entscheidung
Anders der Deutsche Gewerkschaftsbund: Er begrüßt die Entscheidung und rechnet damit, dass Vollzeitbeschäftigte künftig rund 55 Euro im Monat mehr in der Tasche haben. Das helfe auch der Wirtschaft, sagte der DGB-Vorstand Stefan Körzell.
Seit 2015 liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 8,50 Euro. Die Grundlage für die Entscheidung des Gremiums bildet der statistische Tarifindex, der alle Tarifabschlüsse erfasst, die vom 1. Januar 2015 bis zum 30. Juni 2016 wirksam werden. Umstritten war bis zuletzt, ob auch die jüngsten Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst sowie der Metall- und Elektrobranche berücksichtigt werden sollten. Manche Gewerkschaft wollte sogar eine Anhebung auf 9 Euro.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kann das Votum der Kommission nun annehmen und eine entsprechende Verordnung erlassen oder es ablehnen. Eine Änderung ist nicht möglich. Die Kommission legt der Regierung auch einen Bericht vor über die Erfahrungen mit den 8,50 Euro vor. (dpa/ag/ks)