Frankfurt/Main. Am Frankfurter Flughafen wird eigentlich immer gebaut. Doch seit 2009 haben die Arbeiten rund um Deutschlands größten Flughafen eine neue Dimension erreicht. In nur zweieinhalb Jahren Bauzeit entstand die neue Landebahn Nordwest, die am 21. Oktober von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Betrieb genommen werden soll. Der Ausbau ist damit längst noch nicht beendet, wie auch der Streit um den zwangsläufig weiter anschwellenden Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet andauert.
Die neue Bahn ist mit 1,5 Milliarden Euro Kosten ein Bauprojekt der Superlative: Ihr musste sogar ein ungünstig gelegenes Chemiewerk der Firma Ticona weichen. Es wurde mit einem Aufwand von 670 Millionen Euro in den nahen Industriepark Höchst verlagert. Die Wiederaufforstung der gerodeten 282 Hektar Wald an anderen Stellen des Rhein-Main-Gebiets schlug mit mehr als 100 Millionen Euro zu Buche. Zusammen mit dem geplanten dritten Passagier-Terminal und weiteren Ausbau-Investitionen ergibt sich eine Gesamtsumme von rund 4 Milliarden Euro.
Konflikte um den Ausbau
Nach den bürgerkriegsähnlichen Zuständen beim Bau der 1984 eröffneten Startbahn West hatte sich in Hessen niemand vorstellen können, dass eine vierte Bahn so glatt durchgehen könnte. Politisch geschickt hatte der damalige Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) 1998 eine Mediationsgruppe eingesetzt, die möglichst viele Akteure zusammenbringen sollte. Tatsächlich gab die Gruppe im Jahr 2000 eine Empfehlung zum Bau einer weiteren, kürzeren Landebahn unter bestimmten Bedingungen, zu denen ein scharfes Nachtflugverbot gehörte.
Der Konflikt wurde verrechtlicht, bis auf einige Baumbesetzer versuchten die Ausbaugegner, über die Gerichte die neue Bahn zu verhindern. Ein deutliches Fragezeichen steht daher immer noch hinter dem versprochenen Nachtflugverbot. Die Landesregierung, damals unter Roland Koch (CDU), wich bereits davon ab und genehmigte 2007 im Planfeststellungsbeschluss für den gesamten Flughafen 17 Nachtflüge in der "Kernnacht" zwischen 23 und 5 Uhr. Derzeit gibt es laut Fraport in dieser Zeit um die 40 Flugbewegungen; Hauptkunde Lufthansa beansprucht alleine 23 Nacht-Slots für sich. "Das Nachtflugverbot hängt wie ein Damoklesschwert über uns und bedroht tausende Arbeitsplätze", schimpft Lufthansa-Chef Christoph Franz.
Der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) kritisierte die 17er-Regelung, die nun wie die gesamte Planfeststellung beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig auf ein letztinstanzliches Urteil wartet. Geflogen wird trotzdem auf vorläufiger Rechtsgrundlage: Am 30. Oktober beginnt der Winterflugplan mit der neuen Landebahn.
Immer wieder ein Diskussionsthema: Der Fluglärm
Von einem weiteren Ausbau will Fraport-Chef Stefan Schulte zunächst einmal möglichst wenig reden. Er hat bereits genug damit zu tun, die umliegenden Kommunen zu beruhigen. Die Bürger vom osthessischen Kinzigtal bis nach Rheinland-Pfalz haben gerade gemerkt, dass bereits die Umstellung der Anflugrouten für neuen Lärm-Verdruss sorgt, ohne dass schon eine einzige Maschine mehr in der Luft wäre. Und in den kommenden Jahren wird der Lärm trotz moderner Flugzeuge in Summe nicht weniger.
Wäre die Landesregierung der Empfehlung der von ihr selbst eingesetzten Mediation gefolgt und hätte ein striktes Nachtflugverbot verhängt, gäbe es heute weniger Unmut in der Region, meint Thomas Jühe (SPD), Bürgermeister von Raunheim und Vorsitzender der Fluglärmkommission. "Es ist bedauerlich, dass das Mediationsergebnis von der Auftraggeberin mit Füßen getreten wird."
Der langsame Aufbau der Kapazität von derzeit 82 auf zunächst 90 Flugbewegungen pro Stunde ist zum einen sicherheitstechnisch notwendig, um die Abläufe bei der Flugsicherung und am Boden verlässlich zu halten. Der öffentlich kontrollierten Aktiengesellschaft Fraport ist ein langsameres Wachstum aber auch aus Marketing-Gründen recht, denn die Slots sollen nicht verramscht werden, was bei einem sprunghaft ansteigenden Angebot wohl nicht zu vermeiden wäre. "Wir stehen am Beginn einer einmaligen Wachstumsstory", jubelt Fraport-Chef Schulte. "Wir müssen jetzt die richtigen Entscheidungen treffen."
126 Flugbewegungen pro Stunde auf der neuen Bahn
Im Endausbau sollen mit der neuen Bahn dann 126 Flugbewegungen pro Stunde möglich sein, was sich im Jahr auf rund 700.000 Starts und Landungen multipliziert und nahezu 90 Millionen Passagiere nach Frankfurt bringen soll. Vergangenes Jahr waren es rund 53 Millionen. Schon vor den Feierlichkeiten verlangt der Flughafenverband ADV angesichts steigender Passagierzahlen weitere Wachstumsperspektiven.
Die neue Frankfurter Bahn und die geplante in München seien auch für die kleineren Flughäfen eine gute Nachricht, sagt ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. "Doch wir müssen uns fragen, ob das tatsächlich genug ist." Beim gegenwärtigen Widerstand gegen große Infrastrukturprojekte und Vorlaufzeiten von minimal zehn Jahren müsse es bald Antworten auf die Frage geben, wie sich der Luftverkehrsstandort Deutschland künftig entwickeln solle.
Frankfurt wird mit der neuen Bahn ein wichtiges Drehkreuz in Zentraleuropa bleiben, zumal die Zielgruppe der Umsteiger auch überproportional viel Geld in den immer größeren Shoppingwelten der Terminals lässt. Fraport ist prozentual an den Umsätzen beteiligt, die laut Schulte die höchsten pro Quadratmeter in Deutschland sind.
Nach dem Ausbau ist vor dem Ausbau
Nach der Landebahneröffnung stehen weitere bereits genehmigte Bauprojekte an. Der Terminal-Arm A Plus ist bereits im Bau und soll ab dem kommenden Jahr die wachsende Flotte der riesigen Airbus A 380 bewältigen. Lufthansa rechnet bereits für 2016 mit der Eröffnung des ersten Moduls am Terminal 3 im Süden des Flughafens. Nach dem Ausbau ist in Frankfurt eben immer auch vor dem Ausbau. (dpa)