Brüssel. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Flughäfen gesteigert werden soll. Neue Gesetze sollen die Zuweisung von An- und Abflugzeiten effizienter gestalten, eine weitere Marktöffnung der Bodenverkehrsdienste erreichen und die Lärmüberwachung an Flughäfen neu regeln. „Europas Flughäfen stehen vor einer Kapazitätskrise. Wenn wir nichts machen, werden 19 europäische Großflughäfen 2030 überlastet sein, was zu Verspätungen und wirtschaftlichem Schaden führen wird", sagte Kallas auf der Pressekonferenz in Brüssel, auf der er die Maßnahmen vorstellte.
Durch die neuen Vorschriften für An- und Abflugszeiten will die Kommission erreichen, dass die Fluggesellschaften die ihnen zugewiesenen Zeitnischen zu mindestens 85 Prozent auch tatsächlich nutzen. Bislang sind 80 Prozent Mindestnutzung vorgesehen. Beim Fluglärm möchte sich die EU-Behörde mit einer Kontrollbefugnis gegenüber den Flughäfen ausstatten. Außerdem sollen neue Regelungen es ermöglichen, die lautesten Flugzeuge aus dem Verkehr ziehen zu können.
Bei den Bodenverkehrsdiensten, worunter sowohl Fracht- und Postabfertigung, Betanken und Schmierstoffversorgung wie auch Gepäckabfertigung und Vorfelddienste fallen, sieht der Kommissionsvorschlag unter anderem vor, dass Flughafenbetreiber selbst keine Abfertigungsdienste mehr anbieten dürfen. Zudem sollen bei großen Flughäfen mindestens drei statt bisher zwei Anbieter von Bodenverkehrsdiensten verpflichtend zugelassen sein. Dienste sollen an Subunternehmen ausgelagert werden können.
Deutsche Europaabgeordnete sowohl der CDU/CSU als auch SPD kritisieren die Vorschläge zu den Bodenverkehrsdiensten. „Die Kommission will Wettbewerb um jeden Preis ohne Rücksicht auf Verluste", sagt der SPD Verkehrsexperte Knut Fleckenstein. Die EU-Behörde habe die Warnungen der Gewerkschaften, der Flughafenbetreiber und des Europäischen Parlaments in den vergangenen Wochen nicht verstanden. Es wird befürchtet, dass die neuen Regeln zu Lohndumping zu Lasten der Beschäftigten führen, ohne dass sich die Qualität der Dienste tatsächlich verbessert. „Die Kommission scheint immer noch nicht verstanden zu haben, dass der Markt eben nicht alles regelt", so Fleckenstein.
Ähnlich lautet die Kritik von der bürgerlichen Politiker. „Eine Totalliberalisierung in sicherheitsrelevanten Bereichen wie den Bodenverkehrsdiensten kann kein absolutes Ziel für sich sein", lassen sich die Verkehrsexperten Werner Langen (CDU)und Markus Ferber (CSU) gemeinsam zitieren. „Eine weitere Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste lehne ich entschieden ab", fügt Thomas Mann (CDU) hinzu. Und der stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Dieter-Lebrecht Koch (CDU), meint: „Statt über neue Modelle der Bodenverkehrsdienste nachzudenken, sollte lieber die richtige und vollständige Umsetzung der aktuellen Vorgaben in den Mitgliedsstaaten überprüft werden." Die Vorschläge der EU-Kommission müssen in den kommenden Monaten vom EU-Parlament und dem EU-Ministerrat beraten und womöglich in veränderter Form angenommen werden. (kw)