Brüssel. Die EU-Kommission hat entschieden, 13 EU-Mitgliedsländer, darunter auch Deutschland, vor dem Europäischen Gerichtshof wegen mangelhafter Umsetzung des ersten Eisenbahnpakets anzuklagen. Dieses sieht eine weitgehende Liberalisierung des Eisenbahnmarktes, vor allem die klare Trennung von Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern ab März 2003 vor.
Allerdings hat die große Mehrzahl der EU-Mitgliedsstaaten die Bestimmungen des ersten Eisenbahnpakets bis heute nicht vollständig umgesetzt. Die unzureichende Unabhängigkeit des Betreibers der Schieneninfrastruktur, die unzulängliche Umsetzung der Bestimmungen zur Erhebung der Wegeentgelte und die nicht erfolgte Einrichtung einer unabhängigen Regulierungsstelle sind die häufigsten Punkte, die die EU-Behörde bei den 13 Ländern beklagt. Neben Deutschland sind dies noch Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn. Bei acht weiteren EU-Mitgliedsländern prüft die Kommission zurzeit noch, ob sie Anklage erheben will.
Zu erwartendes Strafmaß noch offen
In einer ersten Stellungnahme begrüßt der Exekutivdirektor der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen und Infrastrukturgesellschaften CER, Johannes Ludewig, den Schritt der Kommission. „Ein effizienter europäischer Schienenverkehr kann nur entstehend, wenn die rechtlichen Voraussetzungen klar geregelt und umgesetzt sind", so der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bahn. Gleichzeitig bedauert Ludewig, dass es nicht auf Verhandlungswegen zu Einigungen zwischen der EU-Kommission und den betroffenen Mitgliedsländern gekommen sei.
Das EU-Parlament hatte vor wenigen Tagen mit großer Mehrheit eine Stellungnahme verabschiedet, die die unzureichende Umsetzung der Maßnahmen aus dem ersten Eisenbahnpaket anmahnt. Darin kritisieren die Abgeordneten sowohl die EU-Staaten wegen der Nichteinhaltung des europäischen Rechts als auch die EU-Kommission, die bislang zu wenig dafür getan habe, um auf die Umsetzung der Maßnahmen zu pochen.
Mit welchen Strafen die angeklagten Staaten bei einer Verurteilung zu rechnen haben, ist heute noch nicht einzuschätzen. (kw)