Brüssel. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas hat heute in Brüssel eine aktualisierte Fassung des so genannten ersten Eisenbahnpakets und damit Maßnahmen zur Verbesserung der Schienenverkehrsdienste vorgestellt. Die neue Richtlinie, die drei Gesetzestexte aus dem Jahr 2001 in überarbeiteter Form zusammenfasst, beschäftigt sich hauptsächlich mit Fragen des Wettbewerbs, der Stärkung der Regulierungsstellen und der Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen. Erste Reaktionen zu den EU-Plänen fielen sowohl positiv als auch negativ aus.
Zur Stärkung des Wettbewerbs möchte die EU-Kommission, dass der Zugang zu Infrastruktureinrichtungen wie Terminals und Wartungsanlagen allen Teilnehmern garantiert wird. Definitionen sollen klären, was im Schienenverkehr eine diskriminierende Praxis darstellt und ab wann Interessenskonflikte vorliegen. Außerdem sollen jährlich die Nutzungsbedingungen für alle Schienennetze veröffentlicht werden. Dadurch könnten sich Markteinsteiger über die zur Verfügung gestellte Infrastruktur informieren.
Die nationalen Regulierungsstellen sollen weitreichende Befugnissen erhalten. Sie müssten laut EU-Kommission in der Lage sein, als unabhängige Schiedsrichter den Wettbewerb auf neutral zu regeln.
Für die bessere Finanzierung der Schieneninfrastruktur sollen die nationalen Regierungen zu mehrjährigen Verträgen mit Infrastrukturbetreibern verpflichtet werden. Außerdem regt die EU-Kommission an, für die Verursachung von zu starkem Lärm Extrakosten bei der Benutzung des Schienennetzes zu erheben. Gleichzeitig sollen die Nutzungsgebühren sinken, wenn der Zug Teil einer Lieferkette ist, durch die der Verkehr umweltfreundlich abgewickelt wird.
Johannes Ludewig, Exekutivdirektor der Gemeinschaft der Europäischen Bahn- und Infrastrukturunternehmen (CER), zeigte sich gegenüber der VerkehrsRundschau zufrieden mit den Vorschlägen. Der Zugang für alle zu den Schienendienstleistungen sei richtig, die Stärkung der Regulierungsstellen nur zu begrüßen, die Mehr-Jahresverträge zur Finanzierung der Infrastruktur eine gute Sache. "Aber es wird nicht einfach sein, dieses Vorhaben durch den Ministerrat zu bringen", deutete der ehemalige Chef der Deutschen Bahn an, dass der Kommissionsvorschlag am Widerstand der EU-Mitgliedsstaaten scheitern könnte.
"Das ist alles enttäuschend", sagte dagegen der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Michael Cramer. Er vermisst, dass die Kommission in dem Vorschlag die Problematik der Trennung von Netz und Betrieb nicht ausdrücklich fordert. Rückendeckung erhält Cramer dabei vom Vorsitzenden der CSU-Gruppe im Europaparlament, Markus Ferber. "Ohne die eindeutige Aufspaltung der Zuständigkeiten kann es keinen echten Wettbewerb geben", sagte er. Solange sich Netz und Betreiber nicht im freien Wettbewerb beweisen müssten, würden Monopolstellungen wie die der Deutschen Bahn oder der französischen SNCF nicht geknackt. "Zumal es sich bei den Netzbetreibern, wie im deutschen Fall, oftmals um die Tochtergesellschaften der Bahnbetreiber handelt", so Ferber.
Ein Kommissionsmitarbeiter sagte dazu, dass man diese Frage bewusst aus dem heutigen Vorschlag herausgehalten habe. Man wolle sich später damit beschäftigen. Wobei noch nicht klar sei, ob die Behörde auf eine strenge Trennung zwischen Netz und Betreiber bestehen werde, oder ob nicht auch das heutige deutsche Modell eine Lösung sein könne. (kw)