Brüssel. Die EU-Kommission hat heute ihren Schlussbericht zur Experten-Studie über eine mögliche EU-weite Zulassung von 60-Tonnen-LKW veröffentlicht. Sie konstatiert, dass die bis zu 25 Meter langen und bis zu 60 Tonnen schweren Laster nicht automatisch eine größere Unfallgefahr seien, da sie mit modernster Sicherheitstechnik ausgestattet werden könnten. Von ihrem Alltagseinsatz im Inlandverkehr in Schweden und Finnland, die beim EU-Beitritt ihre höheren Längen- und Gewichtsmaße behalten durften, könne aber nicht auf Zentraleuropa geschlossen werden, da es hier eine wesentlich höhere Verkehrsdichte gebe. Auch sei es „sehr schwer“, aus dem niederländischen Testlauf mit nur zweihundert Megatrucks generelle Schlussfolgerungen zu ziehen. Allerdings habe sich gezeigt, dass Lastwagen, die nicht nur Überlänge, sondern auch Übergewicht haben, stärker unfallgefährdet seien. „Generell kann festgestellt werden, dass eine leichte Erhöhung der Länge oder des Gewichts nicht zu einer hohen Verringerung der Verkehrssicherheit führen würde.“ Bei den Infrastrukturen sieht die Kommission die Brücken als größte Schwachstellen, deren Anpassung oder Erneuerung höhere Investitionen erforderten. Im Kapitel Schadstoff-Ausstoß schätzt sie ein: „Wenn drei herkömmliche Lastwagen durch zwei Gigaliner ersetzbar sind, würde es einen Vorteil bei der Erzeugung von CO2 und bei anderen Abgasemissionen je Tonnenkilometer geben.“ Die EU-Generaldirektion Verkehr/Energie hatte nach Experten-Workshops in Brüssel, Paris, Budapest und Stockholm, nach Testläufen von überlangen oder -schweren LKW in Deutschland, den Niederlanden und Dänemark sowie nach der Vorlage britischer, französischer, niederländischer, deutscher und irländischer Problemstudien eine eigene Untersuchung der heiklen Problematik durch unabhängige Fachleute beschlossen. Die Studie unter Federführung von 15 Ingenieuren und Ökonomen des belgischen Teams „Transport & Mobility Leuven“ (TML) unter Mitwirkung auch des internationalen Managementzentrums RWTH Aachen wurde Mitte Juli 2008 nach siebenmonatiger Arbeit in Brüssel auf einer Konferenz mit europäischen Spitzenvertretern aus Verkehrspolitik und Transportgewerbe vorgestellt. Ihre Kernaussage: Die EU-Zulassung von 60-Tonnern kann die Produktivität von Europas Wirtschaft fördern, zugleich aber bis zum Jahr 2020 den prognostizierten Leistungsanstieg der Güterschiene um bis zu 3,8 Prozent und des Binnenschiffs um bis zu 2,9 Prozent bremsen. Das Gesamtergebnis spreche nicht gegen die die 60-Tonner. Die Kommission sah die Analyse als Basis für ihre Entscheidung zum EU-Zugang der überlangen LKW und zu einer möglichen Änderung der zwölf Jahre alten EG-Richtlinie 96/53 über Maße und Gewichte von Nutzfahrzeugen. Als Vorstufe dazu wollte die Unionsbehörde eine Auswertung der Studie vornehmen, die nun mit dem 315-seitigen Report vorliegt. Darin wägt sie Vor- und Nachteile des großflächigen Einsatzes größerer und längerer Fahrzeugkombinationen ab und analysiert die Pro- und Kontra-Argumente der Experten und Interessenverbände. Während das Gewerbe des Güterkraftverkehrs sich für die LKW-Riesen einsetzte, sind Bahn und Kombi-Verkehr dagegen. Das Europäische Parlament hatte sich im September 2007 dafür ausgesprochen, 60-Tonnen-Laster nur für bestimmte Straßen innerhalb der Unionsländer und nur nach Genehmigung durch die EU-Kommission zuzulassen. (dw)
60-Tonner: EU-Kommission bleibt offen
EU-Kommission legt Studie vor: Sachliche Diskussionsgrundlage über neue Maße und Gewichte von Nutzfahrzeugen